Expertin fordert Vermögensteuer statt „Boomer-Soli“ für Rente – „Kluge, faire und solidarische Abgaben“
Das deutsche Rentensystem steht vor dem Kollaps. Während Forscher einen „Boomer-Soli“ vorschlagen, fordert der Sozialverband VdK andere Wege.
Hamm – Die Zahlen sprechen Bände: Während früher sechs Beitragszahler einen Rentner finanziert haben, sind es heute nur noch knapp zwei. Bis zum Jahr 2036 werden fast 20 Millionen Babyboomer in Rente gehen. Darauf folgen aber nur 12,5 Millionen jüngere Beschäftigte. Mehr als 120 Milliarden Euro Steuergelder – nahezu ein Viertel des Bundeshaushalts – mussten 2024 in die Rentenkasse gepumpt werden. Das Rentensystem steht in Schieflage – und nur Reformen können es retten.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat auch schon eine Idee, wie eine solche Reform aussehen könnte: Mit einem „Boomer-Soli“ sollen wohlhabendere Rentner finanziell schwächer aufgestellte im Ruhestand unterstützen. Konkret handelt es sich um eine zusätzliche Besteuerung aller Alterseinkünfte. Kritik an dem Vorschlag des DIW kommt unter anderem von dem Sozialverband VdK Deutschland. Der Gegenvorschlag dürfte jedoch ebenso kontrovers diskutiert werden.
Reiche Ruheständler zur Kasse bitte: So soll der „Boomer-Soli“ die Rente stabilisieren
Das DIW hat in einer Studie zwei Reformansätze genauer untersucht: die Umverteilung innerhalb der deutschen Rentenversicherung (Rentenprogression) und den „Boomer-Soli“. Im Gegensatz zu Letzterem, betrifft die Rentenprogression nur gesetzlich Versicherte, also Menschen, die in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt haben. Der „Boomer-Soli“ hingegen erfasst alle Alterseinkünfte – auch betriebliche und private Renten sowie Pensionen und Versorgungsbezüge.
Warum schadet der demografische Wandel dem Rentensystem?
In Deutschland finanziert die arbeitende Generation über den sogenannten Generationenvertrag die Renten der älteren. Doch durch den demografischen Wandel kommen immer mehr Ruheständler auf immer weniger Beitragszahler. Nach Informationen des Demografieportals des Bundes und der Länder stehen schon heute einem Rentner nur noch zwei Beitragszahler gegenüber. Das bringt das umlagefinanzierte System an seine Grenzen.
Der „Boomer-Soli“ könnte außerdem das Vermögenseinkommen berücksichtigen. Einkommen über dem Freibetrag von 1048 Euro monatlich würden mit der Abgabe belegt, um insbesondere einkommensstärkere Rentnerhaushalte zur Kasse zu bitten. Nach Einschätzung des DIW existieren ausschließlich diese zwei Optionen: Entweder die jüngere Generation trägt finanziell höhere Lasten, oder die ältere Generation muss mit dem Risiko von zu geringen Renten und Altersarmut leben.
Expertin schlägt Alternative vor: Vermögensbesteuerung statt „Boomer-Soli“
Das DIW übersah jedoch eine weitere Möglichkeit: „Statt über einen Renten-Soli zu sprechen, wäre eine gerechte Beteiligung der Superreichen an der Finanzierung des Sozialstaats das Gebot der Stunde“, betont VdK-Präsidentin Verena Bentele gegenüber der Augsburger Allgemeinen. Der Verband plädiert für eine stärkere Belastung von Vermögen und Erbschaften, um die Finanzierungslücke im deutschen Rentensystem zu schließen – zulasten von Menschen, die es sich leisten können.

Bentele zufolge könne ärmeren Rentnern „durch kluge, faire und solidarische Abgaben auf Vermögen und Erbschaften“ besser unter die Arme gegriffen werden. Angesichts der demografischen Entwicklung mit einer zunehmend alternden Gesellschaft müsse das Rentensystem grundlegend reformiert werden.
Sozialverband prangert Untätigkeit der Merz-Regierung an
Die VdK-Chefin wirft der schwarz-roten Koalition vor, notwendige Maßnahmen wie höhere Erbschaftssteuern oder Vermögensabgaben zu verschleppen, obwohl die Finanzierungslücke im Rentensystem stetig wachse. Die bisher eingeführten Instrumente zur Abfederung sozialer Härten reichten bei weitem nicht aus, sagt sie. Vergleichbare Kritik übte DIW-Präsident Marcel Fratzscher im April 2025, als er monierte, dass CDU/CSU und SPD Zumutungen für ihre Wähler scheuen.
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„Wer wenig verdient, krank ist, Angehörige pflegt oder Kinder großzieht, zahlt im heutigen Rentensystem doppelt: erst mit einer lückenhaften Erwerbsbiografie – und dann mit einer mageren Rente“, so Bentele. Weder die Grundrente noch Rentenpunkte für Pflegezeiten könnten die strukturellen Ungleichheiten im Alter ausreichend kompensieren. (cln/dpa)