Traumwetter, ein (fast) unfallfreier Verlauf und mehr als 10.000 zufriedene Besucher, die 167. Tölzer Leonhardifahrt am Mittwoch wird sicher als eine der schönsten in die Geschichte eingehen.
Bad Tölz – Und bei aller Tradition war erkennbar: viele junge Leute, nicht nur am Wegesrand, sind mit dabei. Das konstatierte auch der ehemalige Leonhardilader Ludwig Bauer, der sich über einige junge Fuhrleute freute, die ihre Rösser und die Wallfahrt mit heuer 72 Gespannen in eine sichere Zukunft führen werden. Da hätte es des Aufrufs von Stadtpfarrer Peter Demmelmair in seiner Predigt gar nicht bedurft, zu hinterfragen, ob man nicht mehr Schein als Sein biete. Letztlich musste aber auch er zugeben: „Schöner geht es nicht.“
Allerdings hätte die ganze Sache auch eine schlimme Wendung nehmen können, als nämlich der Wagen der Geistlichkeit, der traditionell die Zugreihenfolge anführt, bei der Rückfahrt vom Kalvarienberg in die Innenstadt die 90-Grad-Kurve von der Nockhergasse in die Jägergasse zu eng nahm. Der vollbesetzte offene Tafelwagen streifte dabei mit dem linken Geländer das Eck des sogenannten Irlbeckhauses und überfuhr den dortigen Randstein.
Da die Rösser weiter zogen, drohte der Wagen sogar umzufallen. Sofort eilten trotz der dortigen Sicherheitsabsperrung einige Helfer herbei und zogen den Wagen mit seinen eisenbeschlagenen Rädern hinten nach rechts, sodass die Gefahr gebannt war. Stadtpfarrer Peter Demmelmaier, seinem Bruder, ebenfalls Priester, Pfarrer Gerhard Beham aus Wolfratshausen, Pater Lukas Essendorfer und den weiteren Tölzer Pfarrern und Ministranten, die mit dabei waren, fuhr der Schreck gehörig in die Glieder. Demmelmair sprach am Tag danach von „einem großen Schutzengel“, den man gehabt habe.
Nach dem Schreckmoment, bei dem zum Glück niemand verletzt worden war, konnten das Gespann eines Landwirts aus Ellbach und die weiteren 71 Wagen die Fahrt ungehindert bis zur Mühlfeldkirche fortsetzen, zurückblieben allerdings etliche Daxen, die von der Seitenwand abgestreift worden waren und ein abgeschabtes Hauseck.
An der Mühlfeldkirche erhielten Reiter und Wagen die zweite Segnung durch den Tölzer Pater Lukas Essendorfer, der genau um 12.54 Uhr das letzte Mal Weihwasser in Richtung Wallfahrer verspritzte. Damit war die 167 Tölzer Leonhardifahrt offiziell beendet.
Besucher der 167. Tölzer Leonhardifahrt feiern bis in die Abendstunden – Ruhige Wallfahrt
Der Ablauf jeder Wallfahrt ist seit über 160 Jahren genau festgelegt, um 9 Uhr geht es im Badeteil unter dem Geläut sämtlicher Tölzer Kirchen los, hinüber über die fahnengeschmückte Brücke in die Marktstraße, dann durch Jäger- und Nockhergasse hinauf über den steilen Maierbräugasteig. Dort waren nach monatelangen Bauarbeiten der Stadtwerke am Tag zuvor noch die letzten Relikte am Straßenrand beseitigt worden, das Steilstück war neu gepflastert und gesandet. Über die Austraße geht es zur sogenannten Leonhardiwiese.
Zuvor werden Reiter und Wagenbesatzungen beim Umritt um die Leonhardikapelle neben der Kalvarienbergkirche gesegnet. Danach feiert man an Ort und Stelle den Gottesdienst, bei dem Stadtpfarrer Peter Demmelmair heuer nach Sein und Schein fragte, eine Verankerung des Menschen und der Politik in der Kirche und in Gott forderte. Der an diesem Tag verehrte Hl. Leonhard, ursprünglich ein französischer Bischof, sei ein schönes Bild dafür, dass der Mensch in Not von Gott Hilfe erfahren könne.
Dabei wurde auch wieder deutlich, was die Tölzer Leonhardifahrt von Ritten und Fahrten andernorts unterscheidet. Ausschließlich Vierergespanne mit eisenbeschlagenen Rädern sind zugelassen, es gibt keine Kutschen oder Wägen, in denen Prominente mitfahren, sondern handgeschmückte Tafel- und Truhenwägen, prächtig herausgeputzte Rösser und ausschließlich Männer, die als Gespannführer oder Reiter zugelassen sind.
Auf den Wägen die Geistlichkeit und der Stadtrat, die Musikkapellen und die Schützen, Darstellungen des Hl. Leonhard, Jungfrauen, die Bäuerinnen im Mieder oder im Schalk, dazu Frauen und Mädchen in der Tölzer Tracht, alles von kritischen Augen beäugt. Damit ist sichergestellt, dass das Gewand nach alter Tradition von Generation zu Generation weitergegeben wird.
Beim mittäglichen Empfang der Stadt Bad Tölz für die Ehrengäste aus Politik und Wirtschaft sowie 47 Personen der Partnerschaftsgemeinden San Giuliano Terme (Toskana) und Vichy (Frankreich) im Pfarrheim Franzmühle sagte Bürgermeister Ingo Mehner (CSU): „Die Tölzer Leonhardifahrt ist ein Ereignis, das unsere Gesellschaft zusammenhält“. Dies gelte nicht bloß für den 6. November, sondern auch für die Wochen davor und die Monate danach. Dabei handle es sich um eine gemeinsame Wallfahrt, die „ein tiefes Bedürfnis vieler Menschen“ ausdrücke, Freude zu teilen. Das sei nicht bloß eine Party.
Für die anderen Teilnehmer und die vielen Besucher ging es in die umliegenden Gaststätten, einige Wagen mit den Musikkapellen fuhren traditionell weiter bis zur Marktstraße. Dort gab es am frühen Nachmittag auch noch ein Standkonzert der Tölzer Stadtkapelle, die heuer 100-jähriges Bestehen feiert. Dazwischen bestimmten die Goaßlschnalzer traditionell das Geschehen. Auch hier erfreulich, dass junge Männer, aber auch ein paar Mädchen, mitmachten und sich viel Beifall einheimsten.
Aufgrund des schönen Wetters dauerte es bis zum späten Abend, ehe die letzten dann den Heimweg antraten. Die verbliebenen Gaststätten und Freiluftbars in der Innenstadt waren bis dahin äußerst gut besucht.
Die Zuschauerkulisse entlang des Wallfahrtsweges und am Kalvarienberg sowie anschließend in der Marktstraße wurde heuer auf über 10.000 Menschen geschätzt. Der seit einigen Jahren übliche Sicherheitsdienst sowie Polizei, Feuerwehr und BRK sorgten mit Absperrmaßnahmen und ihrer Präsenz für einen reibungslosen Ablauf. Alles in allem war es „eine ruhige und gute Wallfahrt“, teilt die Polizei auf Nachfrage mit.
Die Besucher kamen zum Teil von weit her, vom Chiemgau genauso wie aus dem Allgäu, natürlich aus dem Münchner Raum und dem benachbarten Ausland. Viele zeigten sich begeistert von der entspannten Atmosphäre, die Einheimischen freute am meisten, dass man Bekannte und Freunde traf, die man lange nicht gesehen hatte. Karl Bock
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