Trump stellt Gerichtsprozess infrage – für die Geschworenen ein Risiko

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Der ehemalige US-Präsident wird von einem New Yorker Gericht verurteilt. Die Geschworenen nehmen dabei eine besondere Rolle ein – womöglich mit großen Folgen.

New York – Donald Trump ist der erste frühere US-Präsident, der im Strafprozess wurde. Ihm war vorgeworfen worden, die US-Wahl im Jahr 2016 durch Schweigegeldzahlungen an Stormy Daniels, eine Pornodarstellerin, illegal beeinflusst zu haben. Ein New Yorker Geschworenengericht unter Vorsitz von Richter Juan Merchan hat ihn in allen 34 Anklagepunkten für schuldig befunden. Für die Geschworenen, die an dieser Entscheidung beteiligt waren, sind jedoch negative Auswirkungen nicht unwahrscheinlich, wie ehemalige Juroren berichten.

Im Rechtssystem der USA spielen Geschworene eine besondere Rolle. Sie sind Bürger, die dazu berufen werden, in einem Gerichtsverfahren die Fakten zu beurteilen. Letztlich entscheiden sie damit in Strafverfahren über die Schuld oder Unschuld des Angeklagten. In Zivilverfahren entscheiden sie entsprechend über Haftungsfragen und Schadensersatz. Um zu einem Urteil zu gelangen, bewerten sie während des Prozesses präsentierte Beweise und Zeugenaussagen. Bürgern wird so die Möglichkeit gegeben, direkt an der Justiz teilzuhaben – was Transparenz, Demokratie und das Vertrauen der Öffentlichkeit in das Rechtssystem fördern soll.

Die Geschworenen haben eine große Verantwortung inne - auch im Prozess gegen Donald Trump

Es gibt jedoch auch Kritik an dem Ansatz, der Laien eine so große Verantwortung überträgt. Der Forensiker Mark Benecke kreidete bereits 1996 in einem Artikel in der Zeitschrift Kriminalistik an, dass Staatsanwalt und Verteidiger um die Zustimmung der Geschworenen konkurrieren, die als Laienrichter über die Schuld des Angeklagten entscheiden. Ihnen mangele es aber oft an Wissen und Erfahrung in Bezug auf Wahrscheinlichkeitsrechnung, die Zuverlässigkeit von Zeugenaussagen und andere wesentliche Faktoren für die Beweisfindung vor Gericht. Ein Jahr zuvor, 1995, war der US-amerikanische Football-Star O. J. Simpson trotz einschlägiger DNA-Beweise von Geschworenen freigesprochen worden.

Donald Trump wurde von einem New Yorker Gericht für schuldig befunden - für die Geschworenen ein persönliches Risiko.
Donald Trump wurde von einem New Yorker Gericht für schuldig befunden - für die Geschworenen ein persönliches Risiko. © IMAGO/Vuk Valcic

Mit der Aufgabe geht also eine große Verantwortung einher. Oftmals hat die Entscheidung der Geschworenen später große Auswirkungen auf deren Privatleben. Yolanda Crawford war gerade einmal 25 Jahre alt, als sie und ihre Mitjuroren Simpson für die Morde an der Ehefrau des Ex-Football-Stars, Nicole Brown Simpson, und ihrem Freund, dem Kellner Ron Goldman, freisprachen. Gegenüber der Nachrichtenwebsite The Daily Beast hat sie jetzt von ihren Erfahrungen berichtet.

Trump-Juroren könnten es schwer haben: „Man wird immer von irgendjemandem verurteilt“

Sie habe sich von dem Fall nie wirklich befreien können, so Crawford in dem Bericht vom Donnerstag (30. Mai). „Man wird immer von irgendjemandem verurteilt“, so die ehemalige Jurorin. Sobald jemand herausgefunden habe, dass sie an dem Gerichtsurteil gegen Simpson beteiligt war, habe sie sich immer die Meinung einer Person zu dem Fall anhören müssen – ob sie gewollt habe oder nicht. Dadurch habe sie sich immer verurteilt gefühlt. Mit dem Aufkommen des Internets sei das noch verschlimmert worden. Regelmäßig habe sie online „namenlose, gesichtslose, sehr abfällige Nachrichten“ bekommen. Bis heute erhalte sie wütende Botschaften und Briefe. „Ich könnte sagen, dass ich von vielen gehasst werde“, fügte sie noch hinzu.

Auch den sieben Männern und fünf Frauen, die Trump am Donnerstag (30. Mai) für schuldig befanden, könnte ein ähnliches Schicksal blühen. Geschworene mehrerer vergangener hochkarätiger Fälle erzählen in dem Bericht von The Daily Beast, dass die Nachwirkungen ihrer Urteile zum großen Teil genauso intensiv gewesen seien wie die Fälle selbst. Sie seien von der Presse bombardiert worden und in der Öffentlichkeit fortwährend großem Hass ausgesetzt gewesen. Nicht zuletzt sei es unglaublich schwer gewesen zu wissen, dass ihre Entscheidung unweigerlich massive Reaktionen hervorrufen würde – ganz gleich, wie sie ausfallen würde.

Trump stellt „die Fairness des Systems und der Geschworenen infrage“ - Ein persönliches Risiko

Fest stehe, dass die Rolle der Geschworenen „harte Arbeit“ und „stressig“ sei, so Jill Huntley Taylor, eine Prozessberaterin, die nichts mit Trumps Fall zu tun hat, gegenüber der Nachrichtenwebsite. Dies werde durch das Gefühl verstärkt, dass die ganze Welt einem dabei zusehe. „Diese Geschworenen haben alle diese Aufgabe angenommen, weil sie wussten, wer vor Gericht steht, und nicht die Gelegenheit ergriffen haben, zu sagen: ‚Nein, das kann ich nicht machen‘, wie es so viele ihrer New Yorker Mitbürger getan haben“, habe Taylor über die Trump-Geschworenen gesagt.

Es sei möglich, dass sich einige der Trump-Juroren nach dem Prozess öffentlich äußern werden, um Interviews oder Buchverträge zu ergattern, so Taylor. Andere würde wahrscheinlich versuchen, „diese Erfahrung hinter sich zu lassen“ – aus Angst vor Reaktionen auf das Urteil oder zum Schutz ihrer Privatsphäre. Gerade falls sie sich dazu entscheiden sollten, öffentlich zu sprechen, könnten sie jedoch mit heftigen Reaktionen rechnen. „Ein Schuldspruch würde die Geschworenen einem größeren Risiko aussetzen, da der ehemalige Präsident bereits die Fairness des Systems und der Geschworenen infrage stellt“, so Taylor. Es sei also auch möglich, dass sich die Geschworenen im Nachgang überhaupt nicht äußern möchten. (tpn)

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