Die Villa dieses Bundeskanzlers ist heute ein verfallener „Lost Place“ in Rheinland-Pfalz

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Im Volksmund bekam das Haus den Spitznamen „Camp Konrad“ – eine spöttische Anspielung auf Camp David, den Rückzugsort des damaligen US-Präsidenten Dwight David Eisenhower.

Duppach – Im Kammerwald in der Vulkaneifel sollte ein Jagd-, Wochenend- und Gästehaus für den ehemaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer entstehen. Angedacht waren luxuriöse 600 Quadratmeter Wohnfläche auf einem 2.000 Quadratmeter großen Grundstück. Doch die „Adenauer-Villa“ blieb unvollendet, und niemand zog jemals ein, weshalb sie zu einem „Lost Place“ wurde, einem vergessenen Ort.

Von der Decke gefallene Steine, und ein Baum, der zum Fenster hereinwächst: Diese Villa ist das perfekte Beispiel für einen Lost Place.
Von der Decke gefallene Steine, und ein Baum, der zum Fenster hereinwächst: Diese Villa ist das perfekte Beispiel für einen Lost Place. © Wikipedia/Wolkenkratzer

Interessanterweise wäre die Villa ein Geschenk der Industrie an Adenauer gewesen. Der Bauantrag wurde am 11. Juli 1955 eingereicht und bereits zwei Wochen später von Friedrich Spennrath genehmigt, einem engen Freund des Kanzlers und einflussreichen Wirtschaftsvertreter der jungen Bundesrepublik. Spennrath war nicht nur Vorstandsvorsitzender des Industriekonzerns AEG, sondern auch Vorsitzender des Gemeinschafts-Ausschusses der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft und Präsident der Industrie- und Handelskammer Berlin.

Konrad Adenauer lehnte die Villa angesichts aufkommender Korruptionsvorwürfe ab

Die Baupläne indes stammten vom Architekten Heribert Multhaupt – dem Schwiegersohn des Bundeskanzlers, der mit Adenauers Tochter Lotte verheiratet war. Als Journalisten diese wirtschaftlichen und familiären Verflechtungen aufdeckten, mehrten sich Korruptionsvorwürfe. Adenauer lehnte das Geschenk ab, worauf der Bau im März 1956 für immer gestoppt wurde.

Um die unvollendete Villa rankten sich bald wilde Gerüchte. So wurde behauptet, sie sei mit einem atombombensicheren Luftschutzkeller und einem Hubschrauberlandeplatz auf dem Dach ausgestattet. Tatsächlich war beides nie geplant. Der verlassene Rohbau verfiel im Laufe der Jahre zusehends.

2018 sollte die Ruine bei eBay versteigert werden, aber die Plattform nahm die Anzeige vom Netz, weil sie nicht den Vorgaben für Immobilienverkäufe entsprach. Schließlich fand sich 2019 ein Käufer: Ein Unternehmer aus dem Großraum Köln erwarb die Ruine für etwa 35.000 Euro. Doch das Gebäude war zu stark verfallen, um als Wohnhaus genutzt zu werden, und bleibt bis heute unbewohnt.

Ruine in der Eifel im Dornröschenschlaf

Die ironisch „Adenauer-Villa“ genannte, verwitterte Backsteinruine liegt zwischen Duppach und Steffeln versteckt, sie ist nur über Waldwege erreichbar, und Pflanzen überwuchern sie von allen Seiten – ein „Lost Place“, wie er im Buche steht. Das mit seinen durchgebrochenen Decken und Böden akut einsturzgefährdete Gebäude umgibt aus Sicherheitsgründen mittlerweile ein zwei Meter hoher Zaun. Doch obwohl man sie nur von außen betrachten kann, ist die gescheiterte Kanzler-Villa einen Ausflug wert. Konrad Adenauer selbst (1876 - 1967) war vermutlich nie vor Ort.

Unbewohnt und verfallen. So sieht die Villa aus, die nie eine war. (Fotomontage) © Wikipedia/Wolkenkratzer (links). Picture Alliance/dpa/Harald Tittel (rechts)

Sie sind fasziniert von den Geschichten rund um verlassene Orte in Deutschland? Unsere Redaktion berichtete erst im Juni über einen großen „Lost Place“, der mitten in Stuttgart steht. Außerdem beschäftigten sich unsere Kollegen mit einer über 200 Jahre alten Papierfabrik mit Gruselfaktor, die dem Verfall überlassen wurde.

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