Oliver Bierhoff im tz-Interview: „Wir haben genug Qualität“
Am Samstag trifft Deutschland im EM-Achtelfinale in Dortmund auf Dänemark. Ex-DFB-Direktor Oliver Bierhoff spricht im tz-Interview über die Titel-Chancen.
Dortmund - Jetzt geht es richtig los. Am Samstag (21 Uhr) trifft die deutsche Nationalmannschaft im Achtelfinale der Heim-EM in Dortmund auf Dänemark. Oliver Bierhoff hat sich die bisher alle Gruppenspiele des Teams von Bundestrainer Julian Nagelsmann live im Stadion angesehen. Im tz-Interview schätzt der frühere DFB-Direktor und Europameister von 1996 Deutschlands Titel-Chancen ein.
Herr Bierhoff, wie haben Sie die Nationalmannschaft in der Vorrunde erlebt?
Wir sind völlig zurecht Gruppensieger geworden. Wir haben in der Vorrunde meiner Meinung nach eine sehr starke deutsche Mannschaft erlebt, die insbesondere in den ersten beiden Partien ihre Dominanz und Klasse unter Beweis gestellt hat. Gegen die Schweiz waren wir zwar auch die klar spielbestimmende Mannschaft, aber hatten nicht über 90 Minuten diese hundertprozentige Durchschlagskraft wie in den ersten beiden Partien. Jetzt gilt es das gute Gefühl und das Selbstbewusstsein für die entscheidenden Spiele in der K.o.-Phase mitzunehmen.
Was kann so ein Moment, wie der Last-Minute-Ausgleich gegen die Schweiz von Niclas Füllkrug in einem Team auslösen?
Toni Kroos hat es nach dem Spiel gegen die Schweiz gut formuliert. Die Mannschaft hat gezeigt, dass sie mit einem Rückstand umgehen kann und bis zum Ende an sich glaubt. Solche Momente und Emotionen schweißen eine Mannschaft nochmal enger zusammen und verleihen einen gewissen Aufschwung. Der Last-Minute-Ausgleich hat der Moral der Mannschaft gutgetan und gezeigt, dass bis zur letzten Minute immer alles möglich ist. Aber das ist kein Selbstläufer. Bei der WM 2018 hat Toni Kroos gegen die Schweden in letzter Minute den Sieg geholt, dennoch sind wir ausgeschieden.
Sehen Sie in Sachen Stimmung und Teamgeist Parallelen zu 2014, als der DFB und Sie Weltmeister wurden?
2014 war natürlich aus vielerlei Hinsicht ein ganz besonderes Turnier. Der Zusammenhalt und Teamspirit auf und neben dem Platz waren einzigartig. Ich habe aber das Gefühl, dass die Mannschaft auch beim jetzigen Turnier auf und neben dem Platz einen starken Zusammenhalt hat, man miteinander kämpft und sich gegenseitig unterstützt. Da haben Julian Nagelsmann und sein Team einen großen Anteil dran. Sie haben eine Mannschaft zusammengestellt und eingestimmt, bei der man jederzeit den Eindruck hat, da hilft einer dem anderen und da zerreißt sich einer für den anderen. Jetzt gilt es diesen Spirit und das Mindset aufrechtzuerhalten und zu zeigen, dass man den absoluten Willen hat.
Julian Nagelsmann ist ein absoluter Top-Trainer.
Welchen Eindruck haben Sie bisher von Bundestrainer Julian Nagelsmann?
Er ist ein absoluter Top-Trainer. Das wusste ich auch schon vor seiner Zeit beim DFB und das hat er auch schon in der Bundesliga erfolgreich unter Beweis gestellt. Man merkt, dass er klare Vorstellungen hat, die er der Mannschaft übermittelt.
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Aber ist die DFB-Elf taktisch eventuell zu leicht ausrechenbar? Worauf kommt es ab dem Achtelfinale gegen Dänemark an?
Ich glaube nicht, dass die DFB-Elf taktisch leicht ausrechenbar ist. Die Gruppenphase hat gezeigt, dass sie taktisch gut auf verschiedene Situationen reagieren können und für jeden Gegner unangenehm zu bespielen sind. Jetzt kommt es vor allem auf den Spirit, den Fokus und den absoluten Willen an. Qualität haben wir genug in der Mannschaft.
Welche Mannschaften sind Deutschlands größten Konkurrenten um den EM-Titel?
Für mich gab es vor dem Turnier nie diesen einen Favoriten. Die ein oder andere Mannschaft hatte man vor dem Turnier stärker eingeschätzt, England zum Beispiel. Nach der Gruppenphase sehe ich auf jeden Fall die Spanier als einen starken Konkurrenten an. Auch mit den Franzosen muss man immer rechnen, auch wenn ihre Leistungen in der Gruppenphase durchwachsen waren. Interview: Philipp Kessler, Manuel Bonke