Wird die alte Ingenrieder Dorfwirtschaft zur Notunterkunft?

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Zum zweiten Mal waren die Asylbeauftragten Bernhard Pössinger und Helmut Hartl (2. und 3.v.li.) zu Gast im Ingenrieder Gemeinderat. © Wölfle

Über 100 Bürger in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung: das gibt es nicht oft. In Ingenried heuer schon zum zweiten Mal. Dieses Mal auf der Tagesordnung: die Unterbringung von Geflüchteten.

Ingenried – „Ich freue mich, dass Ihr immer so zahlreich kommt, wenn Euch ein Thema interessiert“: So leitete Ingenrieds Bürgermeister Georg Saur die jüngste Sitzung ein, die aufgrund des großen Interesses bereits zum zweiten Mal in der Mehrzweckhalle stattfand. Das Thema im Mai: Das Schongauer Krankenhaus.

Das Thema jetzt: Unterbringung von Geflüchteten. Zu Beginn brachte Saur alle auf den neusten Stand. Derzeit leben sechs Asylsuchende in der Gemeinde. Dass auch Ingenried sich nicht bei der Bereitstellung neuer Unterkünfte raushalten könne, „sei auch klar. Wir sitzen alle im gleichen Boot.“ Es gehe nicht darum, „ob wir Geflüchtete aufnehmen, sondern wo, wie und wie viele“.

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Zugleich bat er die Gäste, denen er zu einem späteren Zeitpunkt das Rederecht erteilen werde, um „Rücksichtnahme, Sachlichkeit und Konstruktivität“. Auch solle es keine Diskussion über verfehlte Asylpolitik der Bundesregierung oder Vorschläge wie „wir schicken die Busse nach Berlin“ geben. Denn vielmehr gehe es darum, eine Lösung für Ingenried zu finden. Daran hielten sich auch wirklich alle – Gemeinderäte und Bürger. Die anschließende Fragerunde war diszipliniert und sachlich (siehe unten).

Nahe des Sportplatzes geht es nicht wegen Wasserschutzgebiet

„Wir haben uns die Köpfe heiß gedacht“, fuhr Saur fort. Als eine mögliche Lösung hatte der Gemeinderat mit den Asylbeauftragen des Landratsamts, Bernhard Pössinger und Helmut Hartl, die ebenfalls zur Sitzung geladen waren, eine Fläche an der Krottenhiller Straße in der Nähe des Sportplatzes gefunden, auf der man eine Thermohalle hätte errichten können. Hätte.

Über 100 Ingenrieder Bürger waren zur öffentlichen Gemeinderatssitzung in die Mehrzweckhalle gekommen.
Über 100 Ingenrieder Bürger waren zur öffentlichen Gemeinderatssitzung in die Mehrzweckhalle gekommen. © Wölfle

Denn die Fläche liegt in einem Wasserschutzgebiet. „Da ist Bauen verboten“, so Saur. Was also tun?

„Wir wollten uns auf gemeindliche Liegenschaften konzentrieren und haben eine Lösung gefunden“, so der Bürgermeister. Höchstwahrscheinlich wird im alten „Gasthaus zur Sonne“ eine Notunterkunft für Geflüchtete eingerichtet.

Noch nicht ganz in trockenen Tüchern

In trockenen Tüchern ist das aber noch nicht, da noch keine Begehung mit Pössinger und Hartl stattgefunden hat, doch die Zeichen stehen gut. Die fehlenden Koch- und Waschmöglichkeiten würden mit aufgestellten Containern kompensiert, und auch bei der veralteten Heizung „wird uns schon was einfallen“, war Pössinger optimistisch.

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Dieser stellte auch klar: „Die Dorfwirtschaft wird eine Notunterkunft. Das heißt, sie besteht nur übergangsweise.“ Die Rede ist von einem halben Jahr. In diesem kurzen Zeitraum sei es auch nicht nötig, für zusätzliche Kindergarten- oder Schulplätze zu sorgen.

Weitere dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten

Die Gemeinde Ingenried will in den nächsten Wochen geeignete Flächen für die Errichtung von Wohnmodulen oder andere dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten finden. Für eine längerfristige Lösung. „Das Leben in unserem Dorf wird sich ändern“, konstatierte Saur abschließend.

Und er hatte noch etwas auf dem Herzen: „Ich bitte Euch alle, ohne Vorbehalte und offen, mit der neuen Situation umzugehen. Ich bitte Euch auch um Verständnis und die Integration der neuen Mitmenschen. Nur so können wir alle weiter friedlich miteinander leben.“

Und am Schönsten fände er es, wenn sich ein kleiner Kreis an Ingenrieder Bürgern finden würde, der sich der Integration annehmen würde. Wie der frühere Asylhelferkreis.

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Einige der Fragen der Gemeinderatsmitglieder und der Ingenrieder Bürger, und die Antworten von Bernhard Pössinger und Helmut Hartl:

Wer garantiert uns, dass die Notunterkunft nur sechs Monate besteht?

Antwort: Sie können sich auf unser Wort verlassen. Zudem halten wir uns an den Pachtvertrag, den wir abschließen werden. Und wenn der über ein halbes Jahr geht, dann ist das auch so.

Warum ist bei einer Zwangszuweisung nur von 25 Geflüchteten die Rede? Da kommt man ja besser weg, als wenn man Unterkünfte für 32 Menschen bereitstellen muss.

Antwort: Bei 25 fangen wir an, das ist eine grobe Schätzung, denn auch wir können nicht in die Glaskugel schauen und wissen nicht, was in der nächsten Zeit auf uns zukommt. Die Zahl könnte auch schnell nach oben korrigiert werden.

Wenn auch Familien zu uns kommen, wäre es dann nicht sinnvoller, gleich mit der Integration zu beginnen? Gerade bei den Kindern?

Antwort: Die Notunterkunft ist ja nur übergangsweise und kurzzeitig. In dieser Zeit versuchen wir, die Menschen in langfristige Mietverhältnisse zu bringen. Erst dann sind Themen wie Kindergarten- und Schulplätze relevant. Und wir wissen, dass hier noch keine zufriedenstellenden Lösungen gefunden wurden. Aber die zuständigen Ämter sind dran.

Wenn jetzt überall Wohnraum für Geflüchtete geschaffen wird, nimmt man diese Mietobjekte nicht vom Markt, obwohl sie dringend auch für unsere Bevölkerung gebraucht werden?

Antwort: Bei den Objekten, die wir anmieten, handelt es sich fast immer um welche, die sich derzeit gar nicht vermieten lassen, in denen keiner leben will. Oft auch, weil die Besitzer kein Geld für nötige Sanierungen in die Hand nehmen wollen. Wir bauen sie dann um und machen sie dadurch wieder bewohnbar.

Wie sieht es mit der Nahversorgung aus, wenn die alle selber kochen wollen?

Antwort: Die Geflüchteten bekommen die Asylsozialleistung. Wo sie dann einkaufen, ob im Dorfladen oder wo anders, bleibt ihnen überlassen. Aber glauben Sie uns: Die haben alle den Weg bis hierher geschafft, die schaffen es auch mit dem Rad ein paar Kilometer zum Einkaufen zu fahren.

Wer trägt die Kosten für die Unterbringung? Auch langfristig?

Antwort: Das zahlt alles der Freistaat. Momentan unbefristet, also unendlich.

CHRISTINE WÖLFLE

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