Sanktionen treffen Putins Militär: Russland hinkt bei Halbleiter-Technologien hinterher

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Sanktionierte Halbleiter-Importe haben Russlands Rüstungsindustrie offenbar schwer getroffen. Das ging nun aus Dokumenten eines russischen Produzenten hervor.

Moskau – Als Wladimir Putin Ende Februar 2022 den Ukraine-Krieg mit dem Aufmarsch seines Militärs ins Nachbarland initiierte, reagierten westliche Staaten prompt mit weitreichenden Sanktionen. Neben Komponenten und Technologien zur Erdöl-Raffination, energiewirtschaftlichen Technologien sowie der Seeschifffahrt und Luftfahrt, wurden in diesem Zuge auch Spitzentechnologien wie Quantencomputer, Software und fortgeschrittene Halbleiter sanktioniert. Besonders die Halbleiter-Sanktionen bereiten Russlands Rüstungsindustrie massive Probleme, wie nun bekannt wurde.

Westliche Sanktionen für Halbleiter-Technologien schaden Russland schwer

Russlands Militär ist offenbar in einem hohen Maße von westlichen Halbleiter-Technologien abhängig, wie aus einer Analyse der Bild am Sonntag hervorgeht. Die Bild beruft sich dabei auf interne und als „streng geheim“ ausgewiesene Unterlagen der russischen Rüstungsfirma NPO VS mit Sitz im südwestrussischen Kasan, die als einer der wichtigen Ausrüster der russischen Armee gilt. Insgesamt analysierte die Bild einen Datensatz, der rund 1,1 Millionen Dokumente – darunter E-Mails, Verträge und Präsentationen – umfasste. 

Fotomontage aus Halbleiter-Chip (l.) und Wladimir Putin (r.) © IMAGO / CTK Photo und IMAGO / ITAR-TASS

Unter den Dokumenten hätten sich auch Briefe des früheren russischen Verteidigungsministers Sergei Schoigu sowie des Oberbefehlshabers Waleri Gerassimow befunden. Der Bild-Auswertung zufolge zeigten sich russische Rüstungsexperten in den analysierten Dokumenten besorgt über die Abhängigkeit von Halbleitern aus westlicher Produktion, die besonders nach den scharfen Sanktionen gegen Russland ab März 2022 schwer ins Gewicht fiel.

Russlands Rüstungsexperten sorgen sich wegen Abhängigkeit von ausländischen Halbleitern

Wegen Sanktionen, die die USA und die EU Russland nach Kriegsbeginn auferlegten, kann der Kreml die Halbleiter nicht mehr direkt von westlichen Produzenten beziehen, sondern muss sich um neue Möglichkeiten der Beschaffung bemühen, die nur über Umwege realisiert werden können. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, greift Russland dazu auf ein verzweigtes System von Zwischenhändlern zurück. Dem niederländischen Medium Trouw zufolge soll Russland mitunter auch veraltete ASML-Systeme aus China importiert haben.

Insofern zeigten sich russische Rüstungsexperten in denen der Bild-Zeitung vorliegenden internen Berichten alarmiert angesichts der russischen Abhängigkeit von weltweiten Halbleiter-Herstellern wie Intel, AMD oder Nvidia. Russische Chips, wie etwa die der Marken Elbrus und Baikal, seien der Analyse zufolge keine Alternative US-Halbleitern, wie etwa ein russischer Rüstungsmanager im März 2022 in einem vierseitigen Dossier betonte. 

Wörtlich heißt es im Dossier: „Sie (die russischen Chips, Anm. d. Redaktion) sind der Konkurrenz in puncto Leistung und Energieeffizienz unterlegen und zudem deutlich teurer.“ Hinzu komme ein immenser Rückstand Russlands gegenüber der internationalen Konkurrenz: Mindestens zehn Jahre hänge Russland anderen Halbleiter-Produzenten hinterher, führte der NPO-Mitarbeiter in seiner internen E-Mail dem Bericht zufolge aus.

Russland hinkt weltweiten Standards der Halbleiter-Technologien um Jahre hinterher

Wie Heise Online am Samstag berichtete, vermeldete Russland nun aber doch einen Erfolg betreffend seiner heimischen Halbleiter-Herstellung. Demnach errichtete das Zelenograd Nanotechnology Center (ZNTC) gemeinsam mit dem belarussischen Hersteller Planar eine modernere Anlage zur Halbleiter-Herstellung, womit das russische Militär zumindest nicht mehr vollkommen auf ausländische Komponenten angewiesen sein dürfte. 

Jedoch dürfte die russische Halbleiter-Technologie damit immer noch weit hinter dem aktuellen Stand der Technik führender Hersteller zurückliegen. ZNTC-Angaben zufolge kann der russische Hersteller aktuell jedoch nur 350-Nanometer-Chips produzieren. Westliche und asiatische Chip-Hersteller haben in den 90er Jahren 350-nm-Chips produziert, Intel zum Beispiel den Pentium P54CS und P55C und MIPS Technologies den VR4300i. (fh)

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