Vorwürfe wegen 7. Oktober 2023 - Enthüllt: Was Netanjahu unmittelbar nach Hamas-Überfall unternahm

Ein kontrollierter Netanjahu?

Die Veröffentlichung der Gespräche, insbesondere des ersten aufgezeichneten Anrufs um 6.40 Uhr, zeigt einen Premierminister, der in den ersten Minuten nach dem schockierenden Hamas-Angriff konzentriert und entschlossen reagierte. Als Netanjahu nach einem ersten Update von seinem Militärsekretär General Avi Gil erfährt, dass die Situation eskaliert, fragt er sofort: „Können wir ihre Führung sofort ausschalten?“ Er denkt zu diesem Zeitpunkt bereits strategisch und fordert, die Möglichkeit zu prüfen, Hamas-Führer wie Yahya Sinwar zu töten.

Netanjahus Worte in dem Telefonat waren prägnant: „Das erste, was wir herausfinden müssen, ist das Ausmaß des Angriffs. Wir müssen so schnell wie möglich Reservisten mobilisieren“. Diese Aussagen stehen in krassem Gegensatz zu späteren Vorwürfen, er habe nicht schnell genug reagiert.

Die Frage der Überraschung

Ein weiterer kritischer Moment des Gesprächs: Netanjahu fragt, warum es im Geheimdienst keine Warnungen gegeben habe. „Ich sehe keine Anzeichen im Geheimdienst“, betonte er. General Gil stimmte zu: „Das müssen wir später untersuchen.“ Dieses Eingeständnis eines völligen Versagens des Geheimdienstes wurde zu einem der zentralen Diskussionsthemen in Israel.

Politische Folgen und öffentliche Debatte

Während Netanjahu in den ersten Stunden nach dem Angriff strategisch zu handeln schien, wurde er später wegen angeblicher Versäumnisse heftig kritisiert. Finanzminister Bezalel Smotrich sagte während einer Kabinettssitzung am selben Tag: „In 48 Stunden werden sie unseren Rücktritt fordern - und sie werden Recht haben.“

Manipulationsvorwürfe bei Zeitstempel

Ein Schatten fällt jedoch auf die Ereignisse, vor allem durch Manipulationsvorwürfe. Laut Ilana Dayan habe Netanjahus damaliger Stabschef Zachi Braverman verlangt, die Zeitstempel der Aufzeichnungen zu ändern, was General Avi Gil als „kriminell“ bezeichnete. In einem schriftlichen Bericht an die Generalstaatsanwaltschaft bezeichnete Gil den Vorgang als „klaren Fall von Fälschung“.

Eine komplizierte Geschichte

Netanjahus Büro wies die Vorwürfe mit scharfen Worten zurück. In einer Stellungnahme wurden die Sendung Uvda und Ilana Dayan persönlich als „Propagandamaschine“ bezeichnet. Ungeachtet der politischen Grabenkämpfe zeigen die veröffentlichten Gespräche jedoch, dass Netanjahu in den ersten Momenten des Schreckens strategisch handelte und entschlossen wirkte. Ob dies ausreicht, um die Wogen der Kritik zu glätten, bleibt abzuwarten.

Lehren für die Zukunft

Die Aufarbeitung des 7. Oktober wird lange dauern und viele Fragen zur israelischen Verteidigungsstrategie, zum Versagen der Geheimdienste und zur politischen Führung aufwerfen. Doch eines ist klar: Diese Einblicke zeigen, dass sich die Komplexität von Entscheidungen auf höchster Ebene auch in Krisenzeiten kaum in einfache Narrative pressen lässt.