„Biberschwemme“ in Polling: Landratsamt verweigert Abschussgenehmigung
Polling steckt in einem Dilemma: An vielen Stellen im Gemeindegebiet sorgen Biber für massive Schäden an Flur und Verkehrsinfrastruktur. So musste die Gemeindeverbindungsstraße in den Ortsteil „Etting“ gesperrt werden. Doch eine Dezimierung der Population hängt von der behördlichen Genehmigung ab.
Im Frühjahr 2024 hat die Ortsmannschaft des Bayerischen Bauernverbands (BBV) an der Birkenallee im Süden des Klosterdorfs eine Baumschutzaktion initiiert. Ein Dutzend Helfer spannte Drahtgitter um die Stämme, damit sie der Biber nicht mehr annagen kann. „Die Maßnahme hat auch super gewirkt“, resümiert Leonhard Geiger. Doch richtig freuen kann sich der BBV-Ortsobmann darüber nicht – denn: „Das Problem hat sich nur verlagert.“
Biber sind nicht nur possierliche und besonders fleißige Tiere, sie sind auch extrem schlau. Die Nager haben schnell gemerkt, dass es an der Birkenallee nichts mehr zum Anknabbern gibt. Sie sind nun an anderen Stellen aktiv – unter anderem am Butzenweiher (Geiger: „Dort besteht die Gefahr, dass die Staatsstraße unterhöhlt wird“) und an der Verbindungsstraße zwischen Polling und Etting. Dort ist für Fahrzeuge momentan kein Durchkommen mehr. Die Straße wurde aus Verkehrssicherungsgründen gesperrt.
Die Biber haben zig Bäume angenagt – und die Stämme drohen, auf die Fahrbahn zu fallen. Auch gibt es Unterhöhlungen am Straßenbankett. Die Gemeinde hat die privaten Waldbesitzer nun dazu aufgerufen, die beschädigten Bäume zu beseitigen. Am Grundproblem ändert das freilich nichts. „Wenn man einen Baum wegschneidet“, erklärt Bürgermeister Martin Pape, „dann macht sich der Biber an den nächsten. So viel Bäume kann man gar nicht sichern.“ Und: „Wir können ja von den Waldbesitzern jetzt nicht fordern, ihren gesamten Wald abzuholzen.“
Biber contra Hochwasserschutz
Die Schäden an Flur und Infrastruktur sind enorm: „Der Bauhof und auch die Landwirte kommen mit den Reparaturen kaum noch nach“, berichtet Pape. Was aber im Fall von Polling noch viel schwerer wiegt: Die Biberverbauungen konterkarieren den Hochwasserschutz. „Der Biber ist der größte Hochwasserschutz-Verhinderer“, sagt Leonhard Geiger: „Bei uns bringt der Biber mehr Schaden als Nutzen.“ Durch die Aufstauungen und Verbauungen würde die Gefahr bestehen, dass noch mehr Wasser in den Russengraben oder in den Rettenbach abfließen würde.
Doch was tun? „Wir sind aktuell machtlos“, räumt Martin Pape ein. Man könne auf die Schäden nur reagieren. Die Population wird derzeit auf rund 60 Tiere geschätzt. „Das ist einfach zu viel. Das ist nicht im Sinne des Naturschutzes“, moniert Pape. Im Herbst 2023 hat die Gemeinde bereits einmal einen Antrag auf Entnahme des streng geschützten Bibers gestellt – erfolglos. Das Landratsamt lehnte ab.
Ein neuerlicher Antrag wurde noch nicht gestellt. „Das wäre nach der Ablehnung im vergangenen Jahr auch irgendwie sinnlos“, erklärt Pape. Allerdings: Der Rathauschef hakt im Landratsamt immer wieder nach. „Ich habe die untere Naturschutzbehörde immer wieder über den Sachstand in Kenntnis gesetzt – aber wochenlang keine Rückmeldung erhalten.“ Die Chemie zwischen Amt und Gemeinde scheint in der Angelegenheit nicht zu stimmen: „Wir fühlen uns von den Behörden im Stich gelassen“, kritisiert Leonhard Geiger. An die Wald- und Grundbesitzer appelliert er, Schäden zu melden – „damit die Behörden noch weiter sensibilisiert werden.“ Geiger fordert eine Abschussgenehmigung: Es gehe um Naturschutz, um das Wohl der Bürger und der Gemeinde: „Der Biber gehört in Regionen, wo er keine Schäden verursacht“, so Geiger weiter im Gespräch mit der Heimatzeitung.
Das sagt das Landratsamt
„Der Biber ist im Landkreis Weilheim-Schongau ein fester Bestandteil“, antwortet die Pressestelle des Landratsamts auf eine Anfrage der Heimatzeitung. Datensätze zum aktuellen Populationsstand im Gemeindegebiet Polling seien der unteren Naturschutzbehörde nicht bekannt, „jedoch erscheint eine Population von rund 60 Tieren im Gemeindegebiet unwahrscheinlich und zu hoch“. Ein Antrag auf Entnahme des Bibers liege derzeit nicht vor. Die Voraussetzungen einer Entnahme hätten daher bislang seitens der Behörde nicht geprüft werden können. In einer zweiten Mitteilung an die Heimatzeitung heißt es ergänzend: „Die Gemeinde Polling hat die untere Naturschutzbehörde jedoch über die Biberaktivität informiert. Derzeit befinden wir uns im Gespräch mit der Gemeinde über das weitere Vorgehen.“ Die Lösung aus Sicht der Gemeinde kann laut Bürgermeister Martin Pape wohl nur die Entnahme von Bibern sein. Rechtlich sei eine Genehmigung zur Bejagung „schwer“ zu bekommen: „Da wäre auch die große Politik gefordert“, so Pape. Vergrämungsmaßnahmen seien in der Praxis kein taugliches Mittel. Auch könne man nicht alle Bäume mit Wildzäunen schützen. „Es ist ein ungutes Thema“, lautet Papes Fazit zur Biber-Problematik.