Nach Putins Pressekonferenz: Frau stellt Frage – und muss nun Strafe fürchten
Weil sie in Putins Pressekonferenz mit einem Video auf lokale Missstände hinweisen wollte, wird eine Frau aus der Nähe von Moskau eines Vergehens beschuldigt.
Moskau – Was den Ukraine-Krieg angeht, hat der Kreml die Spielregeln in Russland klar: Der Einsatz des russischen Militärs wird als Spezialoperation bezeichnet, nicht als Krieg. Bekundungen für den Frieden mit Nachbarland sind verboten und konnten in der Vergangenheit selbst in verschleierter Form, etwa durch das Ablegen von Blumen oder anderen Symbolen zu Strafen führen. Auch wer Angehörige hat, die eingezogen wurden oder gar im Überfall auf das Nachbarland gefallen sind, äußert Kritik meist anonym, um nicht selbst unter Beobachtung des Kreml zu geraten.
Doch die Maschinerie, die Kritik an politischen Entscheidungen im Russland unter Machthaber Wladimir Putin verhindern soll, greift inzwischen auch anderweitig. Das zeigt ein Bericht des kremlkritischen Mediums Meduza, das auf einen Post auf der russischen Social-Media-Plattform VK verweist.
Kritik an Lokalpolitik: Russin wird nach Frage an Putin illegale „Protestaktion“ vorgeworfen
In diesem Post klagt eine Frau, Marina Smetannikova, über Behördenreaktionen auf ein Video, das sie gemeinsam mit Nachbarinnen und Nachbarn aufgenommen hat, um auf das Fehlen von Spielplätzen und Infrastruktur für Kinder in ihrem Wohnort aufmerksam zu machen. Smetannikova lebt in dem Dorf Sofino, etwa 60 Kilometer südwestlich von Russlands Hauptstadt Moskau. In dem Video halten einige von ihnen Schilder in die Kamera, auf denen sie „Unsere Kinder sind keine Priorität“ geschrieben haben. Aufgenommen worden sei das Video infolge eines Aufrufs im Vorfeld von Putins regelmäßiger Publikumsbefragung und Pressekonferenz „Direkter Draht“.

Darin hätte es, so Smetannikova auf VK, geheißen, dass „jeder sich mit einem Problem melden“ könne und „definitiv gehört“ werden würde. Stattdessen werde ihr nun vorgeworfen, mit den anderen Teilnehmerinnen, größtenteils Rentnerinnen, Rentner und junge Eltern, einen nicht erlaubten „Protest“ organisiert zu haben. Auch eine andere Einwohnerin des Dorfs hätte Besuch von Behördenvertretern erhalten, die zu den Vorfällen ermittelten, berichtet Meduza.
Kritik an Politik in Russland: Berichte über weitere Vorwürfe in mehreren Regionen
In ihrem VK-Post betont Smetannikova jedoch, keine „Aussagen, politische Forderungen oder Slogans“ verwendet zu haben, die „in der Russischen Föderation verboten sind“ und klagt über die Ungerechtigkeit des Urteils lokaler Behörden, die ihr nun den illegalen „Protest“ vorwerfen. Dazu verweist sie in ihrem Post etwa auch auf einen Bericht in den Lokalmedien, in dem die Gruppe ihre Kritik am Fehlen von Spielplätzen bereits Anfang des Jahres geäußert hatte. In einem Kommentar zu dem Post berichtet Smetannikova darüber hinaus über Informationen aus einem Telegram-Kanal, in dem es heißt, dass in acht russischen Regionen Personen ähnliche Vergehen vorgeworfen würden.
Die Publikumsbefragung und Pressekonferenz „Direkter Draht zu Wladimir Putin“ nutzt dieser bereits seit 2001, um seine Positionen und politischen Entscheidungen vor der russischen Öffentlichkeit zu erläutern. Vor der Ausstrahlung hatte es in diesem Jahr etwa Berichte gegeben, dass auch Frauen von russischen Soldaten planten, kritische Fragen zu stellen. (saka)