„Nebenbei werden rechte Ideen in die Köpfe reingespült“: So gefährlich sind Tiktok und Instagram für Kinder
Rechte Ideologien, harmlos verpackt in Memes und Musikvideos. Was tun, wenn das eigene Kind in den Sog gerät? Tipps von Medienpädagoge Markus Gerstmann.
Bremen – „Das Netz ist zurzeit voll mit rechter Propaganda“, warnt Markus Gerstmann, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK). Auf den ersten Blick wirken die Postings oft harmlos. Rechte Ideologie versteckt hinter schönen Bildchen, vermeintlichen lustigen Memes oder Musikvideos. Und genau das macht den Inhalt auf Plattformen wie Tiktok und Instagram so tückisch.
Kritische Inhalte auf Tiktok und Instagram: „Nebenbei werden rechte Ideen in die Köpfe reingespült“
Jugendliche merken oft gar nicht, was da an sie herangetragen wird, bis es zu spät ist. Eine große Zahl der unter 20-Jährigen nutzt Tiktok täglich. Über ständige Wiederholung können sich Denkmuster manifestieren, die vorher eigentlich gar nicht da waren. „Nebenbei werden rechte Ideen in die Köpfe von jungen Leuten reingespült“, sagt Gerstmann. Rechte Erzählungen schwingen subtil mit, heften sich an Themen, für die sich Jugendliche interessieren. Etwa Schönheit oder Sport, aber auch große, aktuelle Themen.

Hinter Memes (Bilder oder Videos mit sarkastischem, humoristischem Inhalt) können sich populistische Parolen besonders gut verstecken und mit ihnen rasant verbreiten. „Menschen, die das lustig finden, obwohl menschenverachtende Inhalte dabei sind, teilen den Post und so erreicht er auch Personen, die solche Denkweisen nicht unterstützen“, erklärt Gerstmann.
Wie schnell so etwas in die echte Welt überschwappen kann, zeigen etwa die „Ausländer raus“-Rufe bei Fasching auf die Melodie von „L‘amour toujours“ von Gigi d‘Agostino. Entstanden ist der „Trend“ bei Tiktok.
Wie beschütze ich mein Kind vor rechten Inhalten im Netz? Medienpädagoge rät: Nicht urteilen, sondern zuhören
Woher weiß ich jetzt, ob mein Kind rechte Inhalte verfolgt? „Für Eltern ist es sehr, sehr schwer, das mitzubekommen“, erklärt der Medienpädagoge, „wenn ich es höre, kann ich antworten. Das ist aber eine schwere Herausforderung für die Eltern.“
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Das Problem: „Der Zugang zu Sozialen Netzwerken kommt oft in der Pubertät. Da stecken Jugendliche in einer Abgrenzungsphase von den Eltern“, so Gerstmann.
Also was tun? „Es ist wichtig, Jugendliche nicht abzuwerten“, erklärt er, „Eltern sollten einen Dialog schaffen. Sie können etwa sagen: Das ist eine interessante Meinung, die du hast, aber …“ Wichtig ist: Nicht urteilen, sondern zuhören. „Jugendliche haben das Gefühl, dass sie groß und erwachsen sind. Und so muss ich sie auch behandeln, sonst bin ich als Erwachsener schnell raus“, so Gerstmann. Diese Toleranz hat aber auch seine Grenze.
Politische Aufklärung von Jugendlichen: „Das gehört auf jeden Fall in die Familie“
Markus Gerstmann führt mit dem Projekt „#future-fabric. Demokratie.digital.denken“ unter anderem Medien-Workshops an Schulen durch. Und eben dort findet ein großer Teil der Aufklärungsarbeit statt, meint er. „Lehrkräfte sollten aktuelle Themen im Politik-Unterricht diskutieren und damit an die Lebenswelt der Jugendlichen anknüpfen. Politische Diskussionen finden auch im digitalen Raum statt.“
Rechter Propaganda sollten aber auch Eltern selbst zuvorkommen und die Medienkompetenz ihrer Kinder fördern. „Das gehört auf jeden Fall in die Familie“, betont der Pädagoge: „Eltern sollten mit ihren Kindern über aktuelle Themen und Medien reden. Ich diskutiere zum Beispiel gerne Überschriften aus der Zeitung und sage etwa: Guck mal, das hört sich aber komisch an, was sagst du denn dazu?“
Eine andere Idee ist, sich gemeinsam mit den Kindern ihre Medien anzugucken. Klar, ganz einfach ist das nicht immer. „Sie werden uns nicht alles zeigen, Kinder wissen schon genau, was sie ihren Eltern vorführen möchten“, sagt Gerstmann. Aber: „Wenn ich als Elternteil danach frage, zeige ich mein Interesse. Dann ist es wahrscheinlicher, dass mein Kind in Zukunft nach meiner Meinung fragt.“
Mein Kind verfolgt rechte Inhalte auf Tikok oder Instagram – Eltern können sich Hilfe holen
Aber was, wenn das Kind schon in die rechte Netzwelt reingerutscht ist? Ein Beispiel wurde jüngst von einer Mutter über den Stern bekannt. Ihr Sohn plapperte plötzliche rechte Erzählungen nach, klopfte AfD-Sprüche. Und hörte nicht mehr auf seine Mutter. Die AfD gehört zu den erfolgreichsten Parteien auf Tiktok.
Gerstmann rät: Hilfe holen! Es gibt mobile Beratungsteams und Erziehungsberatungsstellen, die bei der Frage weiterhelfen: Wie gehe ich in der Familie mit solchen Themen um? Alternativ können Eltern auch auf Schulen zugehen und nach medienpädagogischen Projekten fragen.
Über demokratischen Diskurs sei es möglich, die Jugendlichen zurückzuholen. Gerstmanns Tipp: Wichtige Fragen stellen. Jugendliche zum eigenständigen Denken auffordern: „Prüft doch mal nach, warum diese Meinung aus dem Netz fragwürdig ist.“ Dadurch könnten Eltern oder Pädagogen den Forscherinstinkt und das kritische Denken der Kinder wecken.
Per Mail (gmk@medienpaed.de) kann die GMK unterstützen, lokale medienpädagogische Institutionen zu finden, sie tritt als „Vernetzer und Ermöglicher“ auf. Ein Beratungstelefon gibt es zurzeit leider nicht. „Einige Demokratie-Projekte laufen aus. Das Demokratiefördergesetz wird derzeit von der FDP blockiert – darunter leiden viele“, erklärt Gerstmann, „aber noch gibt es in jeder Region Projekte.“ (moe)