USA zieht sich zurück - Nach Rede auf Münchner Sicherheitskonferenz: China, die neue Weltmacht?
Die Teilnahme von US-Vizepräsident JD Vance an der diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz hat viel Aufmerksamkeit erregt, insbesondere bei den europäischen Staats- und Regierungschefs. Seine Rede war mit großer Spannung erwartet worden. Europa wollte verstehen, wie die neue US-Regierung zu den transatlantischen Beziehungen steht. Seit der Rückkehr vom Donald Trump ins Weiße Haus ist Europa nervös. Und das Gefühl der Unsicherheit war auf der Konferenz deutlich spürbar.
Vances Rede auf der Münchner Sicherheitskonferenz am Freitag (14.2.) konnte nicht zur Beruhigung beigetragen. Ganz im Gegenteil. Seine scharfe Kritik an Europa verärgerte viele Teilnehmer. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius nannte seine Äußerungen "inakzeptabel". Vance Äußerungen zum Krieg zwischen Russland und der Ukraine veranlassten den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi zu der Bemerkung, dass die "jahrzehntelange Beziehung zwischen Europa und Amerika jetzt zu Ende geht." Der MSC-Vorsitzende Christoph Heusgen stellte nach der Konferenz fest, "dass unsere gemeinsame Wertegrundlage nicht mehr so gemeinsam ist."
Auf der Sicherheitskonferenz nahm der chinesische Außenminister Wang Yi teil. Er wandte sich mit einem entgegenkommenden und versöhnlichen Ton an die Europäer. China betrachte Europa als Partner und nicht als Rivalen, sagte er. Er bot an, eine "konstruktive Rolle" in den Friedensgesprächen zwischen der Ukraine und Russland zu spielen.
Beim Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz sagte Wang ferner, China sei bereit, die "umfassenden strategischen Beziehungen" mit Deutschland vertiefen, um den globalen Frieden und die Stabilität zu wahren.
Chance für China
Der US-Präsident Donald Trump droht mit dem Austritt aus der NATO, weil andere NATO-Staaten in seinen Augen zu wenig in das gemeinsame Militärbündnis einzahlen. Kurz nach seiner Amtseinführung führte er zahlreiche Strafzölle ein. Die USA traten aus dem Pariser Klimaabkommen und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aus. Die Agentur für Entwicklungshilfe USAID wurde massiv abgewickelt und soll möglicherweise aufgelöst werden. Und das Reich der Mitte scheint global aktiver zu werden. Will Peking Washington als globaler Schiedsrichter ablösen?
"Es steht für mich außer Frage, dass China als aufstrebende Macht alles sein will, was es sein kann", sagt Graham Allison, Politologe an der Harvard University und China-Experte, am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz gegenüber der DW. "Wenn sich die USA aus Handelsabkommen zurückziehen, werden Länder, die Handelsabkommen wollen, um wirtschaftlich zu wachsen, zum Beispiel China, dieses Vakuum füllen."
Allison betont, wenn Trump aus weiteren internationalen Institutionen aussteige, wäre das für China nützlich. "Der chinesische Präsident Xi Jinping wird sehr aufmerksam jede Gelegenheit ergreifen. Wenn die USA ihre Chancen verspielen, wird es für Peking einfacher, international erfolgreich zu sein."
Können sich Europa und China einander annähern?
China hat in vielen Teilen der Welt, vor allem in Asien und Afrika, stark investiert und seinen Einfluss in diesen Regionen in den letzten Jahrzehnten ausgebaut. Ob in Afghanistan oder im Nahen Osten, China nutzt seinen Einfluss, um zwischen Konfliktparteien zu vermitteln und zum Handschlag zu bewegen. So konnten 2023 die Rivalen Saudi-Arabien und der Iran ihre diplomatischen Beziehungen nach sieben Jahren wieder aufnehmen.
Yao Yang, Direktor des China Center for Economic Research (CCER) an der Universität Peking, sagt gegenüber DW, Europa müsse eine Chinapolitik verfolgen, die unabhängig von Washington ist, wenn es engere Beziehungen aufbauen wolle.
"Wenn die USA sich in erster Linie ihren inneren Angelegenheiten zuwenden, dann sollte Europa das Gleiche tun", sagt Yao. "Europa hat in den Bereichen der Verteidigung, der Sicherheit und der Außenpolitik viel zu tun. Es gibt einen riesigen Raum für die Zusammenarbeit zwischen China und Europa."
Chinas Nähe zu Russland
Chinas enge Beziehungen zu Russland könnten in dieser Hinsicht jedoch ein Hindernis darstellen. Peking begrüßte kürzlich Trumps Vorstoß, seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin die Hand zu reichen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. "China möchte sich als Friedensstifter präsentieren und zeigen, dass es Kriege ablehnt und an der Beendigung von Kriegen beteiligt sein möchte", sagt Politologe Allison.
Yao glaubt, dass die Beendigung des russischen Krieges in der Ukraine in Chinas wirtschaftlichem Interesse liege. "China treibt sowohl mit Russland als auch mit der Ukraine Handel. Peking würde sich also definitiv für den Frieden in dieser Region einsetzen."
Der chinesische Außenminister Wang Yi versicherte den europäischen Staats- und Regierungschefs in München, dass China vertrauenswürdig sei und dass Frieden in der Ukraine erreicht werden könne, wenn alle Beteiligten am Verhandlungstisch sitzen würden, auch Europa.
Aus dem Englischen adaptiert von Rodion Ebbinghausen
Von Shamil Shams, Mu Cui
Das Original zu diesem Beitrag "Nach MSC: China, die neue Weltmacht?" stammt von Deutsche Welle.