Beißende Kritik

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Erhellendes im Dunklen: Holger Paetz, ehedem Autor des Singspiels am Nockherberg, las als Fastenprediger beim Bieranstich im Waakirchner Sportheim die Leviten. © Ralf Poeplau

Kriegstreiber, Ketzer, Koalitionen: Bei Pater Paetz kriegen alle ihr Fett weg. Der Kabarettist trat jetzt in Waakirchen auf.

Waakirchen – Die Zeiten, da Holger Paetz für den Testlauf seiner Buß- und Fastenpredigt „Fürchtet Euch!“ nach Waakirchen kam, bevor er damit im ehrwürdigen Passauer Scharfrichterhaus auftrat, sind längst vorbei. Die Waakirchner Kleinkunstbühne zählt aus Verbundenheit zu den festen und favorisierten Top-Terminen des Kabarettisten: In dieser Predigt-Saison 2024 war es der neunte Auftritt, dem bis Ende März inklusive Scharfrichterhaus noch 20 weitere folgen werden – unter anderem in Holzkirchen (18. Februar).

Am Faschingsdienstag las Paetz das insgesamt siebte Mal auf der Waakirchner Kleinkunstbühne, wieder im Sportheim am Krai und wieder zum Hoppebräu-Starkbieranstich. Und das lief erwartungsgemäß wie geschmiert, was nicht allein am Bockbier lag.

Mit ansteigender Orgelmusik und drei Kirchenkerzen, die er entzündete, nordete Pater Paetz die 110 Zuschauer für den Rundumschlag ein: „Spendet reichlich und ehrfürchtig. Schenkt mir Euren Glauben. Denn glauben heißt nicht wissen“, hob er an und kündigte dabei schon an, dass es ihm diesmal darum gehen würde, politischer Lügen und Gerüchte aufzuzeigen. Doch zunächst widmete er sich bewegenden Themen der Zeit: der Weihnachtsansprache von Bundespräsident Steinmeier und dem Abschied von Franz Beckenbauer. Dessen filigranes Spiel sei dem Dosenkicken in der Nachkriegszeit geschuldet gewesen. Dass es heute keine echten Ballkünstler wie Beckenbauer mehr gebe, sei auch die Schuld der Grünen, sagte er ironisch. Die hätten schließlich das Dosenpfand eingeführt.

Dann wurde Paetz ernst: „Überall Krieg!“, schimpfte er, monierte die „Kriegsmüdigkeit“ des deutschen Volkskörpers in Sachen Ukraine und bezeichnete die Hamas als religiösen Mörderhaufen. Er verurteilte aber nicht nur das Massaker im Oktober 2023, sondern auch dessen Einschätzung durch die Welt: „Diplomatie ist das Erste, was mir einfällt, wenn Kinder verbrannt worden sind oder junge Leute – alles religiös abgesichert – auf einem Musikfestival erschossen wurden“, ätzte er. Und Greta Thunberg? Die spreche von den Kriegsverbrechen der Israelis, schüttelte er den Kopf und gab das erste seiner Gedichte zum Besten: „Lieber Gott, magst Du nicht verreisen?“

Zu den poetischen, lautmalerischen Reimen, Balladen und Liedern – mal gesungen, mal gerappt, mal in Stand-up-Manier vorgetragen – spitzten sich die einzelnen Themen und beißenden Argumentationen immer wieder fulminant zu. Paetz suchte nach dem Schuldigen an der Klimakrise. Dabei brach er nicht nur eine Lanze für die Klimakleber und postulierte, dass klimaschädliche Subventionen abgeschafft werden müssen, sondern wies auch auf das deutsche Volk aus Steuerhinterziehern hin, das jährlich 50 Milliarden Euro am Fiskus vorbeischleuse. Klar, dass da ein Seitenhieb wegen der hinterzogenen 7,8 Millionen Euro aus dem Corona-Masken-Deal für Andrea Tandler in ihrer Steueroase Grünwald nicht fehlen durfte.

Kritik gab es an den Parteien und einzelnen ihrer Vertreter. Der AfD, die den Klimawandel nicht mehr leugne, sondern nur, dass er von Menschen gemacht sei, und die 20 Millionen Menschen mit Einwanderungsgeschichte in Deutschland ausgemacht haben will. „Die Bahn transportiert sieben Millionen Menschen am Tag. In drei Tagen wäre die Sache mit den Ausländern erledigt“, sagte Paetz sarkastisch. BSW, Bündnis Sara Wagenknecht, klinge wie eine Tierkrankheit, stellte Paetz fest. Deshalb schlug er als Alternative „SED – Saras ehrliche Deutsche“ vor.

Ex-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer („Mauten bedeutet Geld-Verjuxen auf CSUisch“), Markus Söder („Die Windrad-Arithmetik des Markus Söder sieht wie folgt aus: 500 plus x, waren angekündigt, ergibt sieben errichtete Windräder plus 17 in Planung“), Friedrich Merz („Er spuckt Worte wie ,Sozialtourismus‘ und ,Pullfaktoren‘ unkontrolliert und ohne Zusammenhang aus, als habe er das Tourette-Syndrom“), Kanzler Olaf Scholz („Denn glücklich ist, der vergisst, dass er zuständig ist“), Hubert Aiwanger („Robin Hubsi, der Verbal-Fäkalist, Bierzelt-Tropf und Tränenbeutel, der sich plötzlich als Opfer der Flugblatt-Affäre sah“), Christian Lindner („Tierlieber Jägersmann“ und „Der Geist, der stets blockiert“): Sie alle bekamen ihr Fett weg.

Im zweiten Teil seiner Predigt philosophierte Paetz über die deutsche Leitkultur, das Deutsch-Fühlen und den Stolz, ein Deutscher zu sein, inklusive aller schauriger Zwischentöne, um am Ende zu fordern: „Fürchtet Euch vor denen, die alles erklären können, vor der Trägheit des Herzens, vor Kleinmut – nicht aber vor dem Prediger. Spendet ihm Jubel aus übervollen Herzen!“ Was die 110 Gäste auch frenetisch taten. Und für diejenigen, denen das Lachen im Halse stecken blieb, gab es am Ende noch sechs prosaische Zugaben über die wichtigen Dinge des Alltags – wie den FC Bayern, Krokusse und vom Körper produzierte Winde.

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