Gefiederte Freunde in Not: Wissenschaftler erklärt, wie es um die heimische Vogelwelt steht
Immer weniger Vogelgezwitscher - wird das bald zur Realität? Viele Vogelarten in Bayern sind vom Aussterben bedroht. Ein Experte erklärt, wie es um die heimische Vogelwelt steht.
Königsdorf – Jahr für Jahr zählt es zu den ersten Vorboten des Frühlings: Vogelgezwitscher, das einen am Morgen – wie in diesen Tagen – beim Gang aus der Haustüre empfängt. Fakt ist aber auch: In Bayern sind viele Vogelarten vom Aussterben bedroht. Wie es um die heimische Vogelwelt steht, wie simpel man den Tierchen helfen kann und warum sie für den Menschen wichtig sind – auf all das weiß Prof. Dr. Wolfgang Goymann eine Antwort. Der Königsdorfer arbeitet als Professor für Verhaltensökologie am Max-Planck-Institut für biologische Intelligenz in Seewiesen (Landkreis Starnberg) und an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.
Artensterben: Verlust der Mähwiesen spielt große Rolle
Das Artensterben macht sich ebenso in der Region bemerkbar, berichtet der 56-Jährige. „Wir müssen allerdings zwischen Garten- und Wiesenvögeln unterscheiden.“ Letztere sind laut Goymann am stärksten betroffen, zum Beispiel das Braunkehlchen, der Kiebitz und der Wiesenpieper. Als Hauptgrund für diese Entwicklung sieht der Wissenschaftler den Verlust bestimmter Landschaften, darunter die sogenannten Mähwiesen.
Entstanden sind besagte Flächen einst durch jahrhundertealte traditionelle Bewirtschaftung der Landwirte. Inzwischen sind viele dieser Wiesen gefährdet. Das liege unter anderem am steigenden Druck auf die Bauern, die ihre Flächen immer intensiver bewirtschaften müssen. „Hier geht wahnsinnig viel Lebensraum für Vögel und Insekten verloren“, klagt der Königsdorfer. „Dabei sind diese artenreichen Wiesen sozusagen die Regenwälder unseres Landkreises.“
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Klimawandel hinterlässt Spuren - Brut geht verloren
Abgesehen davon existieren weitere Faktoren, die den gefiederten Tierchen das Leben erschweren: etwa Glasflächen an Häusern. „Die Zahlen von Vogelschlag sind dort deutlich höher als zum Beispiel bei Windrädern.“ Im Gegensatz zu früher werden moderne Gebäude nahezu vollständig versiegelt gebaut. „In alten Bauernhäusern gibt es an Dächern unzählige Ritzen, in denen Vögel wie der Mauersegler brüten“, berichtet der Wissenschaftler.
Ebenso hinterlässt der Klimawandel seine Spuren. Starkwetterereignisse prägten die vergangenen Jahre. „Wenn manche Arten dadurch mehrere Jahre hintereinander ihre Brut verlieren, macht sich das in der Population bemerkbar“, so Goymann.
Durch die steigenden Temperaturen siedeln sich neue Vögel an
Es gebe aber auch positive Nachrichten. Durch die steigenden Temperaturen siedeln sich neue Vögel im Freistaat an, beispielsweise der Bienenfresser. Zwischen August und Oktober fliegen die meisten Zugvögel gen Süden. Von März und Mai kehren sie zurück. Diese Zeiträume ändern sich teilweise durch die Klimaveränderung. Goymann: „Sogenannte Teilzieher wie die Amsel entscheiden sich aber sowieso relativ kurzfristig, ob sie im Winter wegfliegen oder nicht.“
Gartenvögel erfreuen nicht nur durch ihren Gesang
„Relativ gut“ geht es hingegen den zahlreichen, heimischen Gartenvögeln im Landkreis. Nicht nur deren Gesang wirkt sich laut dem Wissenschaftler positiv auf das menschliche Wohlbefinden aus. „Allein das Braunkehlchen frisst pro Tag zahlreiche Insekten – und hält uns dadurch Schnaken, Bremsen und Spinnen vom Leib.“ Problem an der Sache: Der Drang nach Ordnung in hiesigen Gärten sei extrem hoch. „Im Prinzip wird dadurch Lebensraum zerstört“, sagt der Königsdorfer. Einfach helfen kann den gefiederten Gefährten jeder Gartenbesitzer, indem er seine Grünfläche „etwas g’schlampert lässt“.
Trotz einiger negativer Faktoren leben in der Region bislang vergleichsweise viele Vogelarten, betont der 56-Jährige. „Wir haben recht wenig Maisbau, viel Grünland – gerade im Loisach- und Kochelseebereich – die Isar als letzten verbleibenden Wildfluss in Deutschland“, zählt Goymann auf. „Kurzum: Bei uns existieren noch einige artenreiche Landschaften, die in anderen Teilen Deutschlands längst verschwunden sind.“
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