Politik-Experte analysiert - Habeck plötzlich knallhart? Hinter seinem Asyl-Vorstoß steckt „Tarnkappenstrategie“

2. Sind die Vorschläge der Grünen glaubwürdig?

Habecks Zehn-Punkte-Plan enthält Elemente, die eine Verschärfung der bisherigen grünen Migrationspolitik darstellen. Die Betonung auf Sicherheit und die konsequente Abschiebung von Gefährdern und Schwerkriminellen sind deutliche Signale in Richtung einer härteren Gangart. Doch es stellt sich auch die Frage der Glaubwürdigkeit dieser Vorschläge.

Ein Kernpunkt des Vorschlags von Habeck ist die Vollstreckungsinitiative, das heißt Haftbefehle sollten auch vollzogen werden. Schaut man sich die Bundesländer an, die am wenigsten Haftbefehle pro Kopf vollstrecken, so sind das Bremen, wo die Grünen seit 18 Jahren mitregieren, und Sachsen-Anhalt, wo die Grünen bis 2021 an der Regierung beteiligt waren.

Laut der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik (PKS) hatten zudem 2023 Berlin und Bremen mit über 14.000 Straftaten pro 100.000 Einwohner die höchsten Kriminalitätsraten, gefolgt von Hamburg.

Alle drei sind Länder, die in den letzten Jahren eine überdurchschnittliche Regierungsbeteiligung der Grünen aufwiesen. Sachsen-Anhalt folgt als erstes Flächenland. Die niedrigste Kriminalität herrscht – seit Jahren – in Bayern mit rund 4800 Straftaten pro 100.000 Einwohnern. Die Kriminalität in den von SPD und Grünen dominierten Stadtstaaten liegt damit knapp 300 Prozent über dem von der CSU regierten Bayern.

In Berlin regiert zwar seit 2023 eine Große Koalition, so dass hier abzuwarten bleibt, ob sich die Sicherheitslage zum Besseren ändert. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatte sich jedoch klar gegen das Zustrombegrenzungsgesetz ausgesprochen und sogar eine mögliche Ablehnung im Bundesrat angekündigt. So sind denn auch die Unterschiede zwischen Bayern und Berlin in Fragen der Inneren Sicherheit wohl genereller Natur.

In ihrem Wahlprogramm räumen die Grünen immerhin vier von 66 Seiten dem Aspekt Kriminalität ein, wobei Hasskriminalität, Rechtsextremismus, Steuerhinterziehung und Finanzkriminalität einen Schwerpunkt bilden. Das Wort Einbruch kommt dagegen überhaupt nicht im Wahlprogramm der Grünen vor und das Wort Diebstahl nur bei Datendiebstahl im Kontext von Spionage. Die häufigste Kriminalitätsform in der Polizeistatistik, Diebstahl, interessierte offenbar niemanden bei der Programmerstellung der Grünen. Die Glaubwürdigkeit der Vorschläge kann somit hinterfragt werden.

3. Sind die Vorschläge nicht Nebelkerzenpolitik?

Die neu entdeckte Liebe der Grünen zu Law und Order hat als Wahlkampfstrategie Methode. Die Grünen präsentierten sich bereits im Bundestagswahlkampf 2021 mit vermeintlich liberalen Positionen, um der FDP Wind aus den Segeln zu nehmen. Anton Hofreiter bezeichnete die Grünen sogar einmal als „eine Partei der Freiheit“. Dies kann jedoch bei genauerer Betrachtung als taktisches Manöver entlarvt werden.

So betonten die Grünen in der Vergangenheit etwa die Bedeutung von individueller Freiheit und Selbstbestimmung, während sie gleichzeitig umfangreiche Regulierungen und Verbote in Bereichen wie Energie, Mobilität und Ernährung forderten. Diese Diskrepanz zwischen liberaler Rhetorik und restriktiven Maßnahmen kann als bewusstes Zünden von Nebelkerzen bezeichnet werden, um ihre tatsächlichen Absichten zu verschleiern: Es sollen Wähler aus dem bürgerlichen Lager gewonnen werden.

Mit dieser Strategie geht Habeck auch ein gewisses Risiko ein. Möglicherweise verliert er mit diesem „Rechts-move“ mehr Wähler auf der linken Seite als er auf der rechten Seite des politischen Spektrums gewinnt.

Generell ist der Zehn-Punkte-Plan der Grünen ein bemerkenswertes Beispiel für sogenannte „Ansteckungseffekte“. Nachdem die klassischen grünen Themen von der Rangliste der wichtigsten Themen nach hinten gerückt sind, versucht man auf den vernachlässigten Feldern „Flagge“ zu zeigen.

Die Glaubwürdigkeit ist dabei das größte Problem, zumal man in der Vergangenheit eher als Förderer von „Kuscheljustiz“ assoziiert wurde. Eine solche „Tarnkappenstrategie“ geht auch nur selten auf. Die Linken mussten 2021 an der Wahlurne mit einem sehr grünen Wahlprogramm leiden, da sie ihren Markenkern stark vernachlässigt hatten.

4. Wie reagiert der linke und migrationsfreundliche Flügel der Grünen?

Die Massen auf den Straßen gegen das Zustrombegrenzungsgesetz der CDU/CSU und zur Beibehaltung der Brandmauer am vergangenen Wochenende lassen auf den ersten Blick ein schlechtes Timing für die Habeckschen Vorschläge vermuten. Tatsächlich war das Timing geschickt. Er hat die SPD ziemlich alt aussehen lassen, die nur in der Brandmauer-Rhetorik verhaften blieb und nichts Ähnliches als Alternative vorschlug. Auf der anderen Seite hat Habeck mit dem Programm der politischen Mitte ein Angebot gemacht.

Innerhalb der Grünen gibt es unterschiedliche Reaktionen auf Habecks Zehn-Punkte-Plan. Während der realpolitische Flügel die Notwendigkeit einer stärkeren Fokussierung auf Sicherheit anerkennt, äußern Vertreter des linken, migrationsfreundlichen Flügels Bedenken. Sie befürchten, dass die Partei ihre humanitären Grundsätze zugunsten einer neuen restriktiveren Migrationspolitik aufgibt.

Der linke Flügel kritisiert insbesondere die geplante konsequente Abschiebung von Gefährdern und Schwerkriminellen sowie die Vollstreckungsoffensive für offene Haftbefehle, die mit den traditionellen Werten der Partei nicht vereinbar sind.

Höchstwahrscheinlich muss sich diese Gruppe jedoch nicht wirklich sorgen. Wie so oft wird an dieser Stelle bei den Grünen nichts passieren. Die neueste Wahlkampfnebelkerze der Grünen soll die Politikfelder Migration und Sicherheit nur verhüllen, um Wählerstimmen zu gewinnen.