Geld mit dem Glauben an Gott - Das Millionengeschäft der konfessionslosen Kirchen-Startups

Mithilfe erfolgreicher Geschäftsmodelle trommeln sie Gelder von Investoren zusammen und vervielfachen oft innerhalb weniger Jahre ihre Gewinnzahlen. Eine der neuen Kirchen nahm allein im vergangenen Jahr 18 Millionen Dollar ein.

Sogenannte “Kirchen-Vertriebssysteme” wie ARC (Association of Related Churches) und “Acts 29” haben schon über 1000 Kirchen gestartet. In Zeiten, in denen Besucherzahlen in traditionellen Kirchen schwinden und in den USA jährlich Tausende katholische und protestantische Kirchen schließen, boomt das Geschäft dieser christlichen, konfessionslosen Kirchen-Startups.

Um Besucher anzulocken, spielen Bands zum Gottesdienst Live-Musik. Der Inhalt der Predigten ist stets aktuell: Oft geht es um den christlichen Glauben als Kontrast zur heutigen Gesellschaft und ihrer Social-Media-Besessenheit. Vor allem bei jungen Familien mit Kindern kommt das gut an.

Marketingstrategien wie Franchise-Modelle

Die Finanzierungs- und Marketingstrategien wie auch Social-Media-Kampagnen ähneln denen von Firmen. In einem Bericht des “Wall Street Journal” (WSJ) werden die Geschäfte der Startup-Priester sogar mit den Praktiken des bedeutendsten Hightech-Standorts der Welt verglichen: “Es ist fast wie das Modell eines Silicon-Valley-Wagniskapitalgebers für Kirchenwachstum und hat sich in jeder Hinsicht als unglaublich erfolgreich erwiesen”, so Ryan Burge, Professor für Politik- und Religionswissenschaften.

Ähnlich wie bei Franchising-Geschäftsmodellen, wo Erfolgskonzepte gegen eine Lizenz an Geschäftspartner verkauft werden, verhelfen Verbände wie die ARC jährlich Hunderten Kirchen zu ihrem Start. Gegen eine Gebühr erhalten ambitionierte Priester, die ihre eigene Kirche launchen wollen, effektive Tipps zur Finanzierung und Vermarktung ihrer Kirchen-Startups.

So startete auch Aaron Burke vor elf Jahren seine “Radiant Church” (Strahlende Kirche) in Tampa (Florida). Als Startkapital erhielt er 30.000 Dollar von der ARC. “Wir brauchen Priester, die wissen, wie man eine Kirche nach den Regeln der Marktwirtschaft leitet", so Burke im WSJ. Er selbst hat sowohl einen MBA als auch einen Ph.D.-Abschluss in Theologie. Zu Beginn seines Startups kamen 200 Besucher in den alten Kinosaal, in dem er seine ersten Predigten hielt. Heute hat die “Radiant Church” mehr als 8000 Kirchenmitglieder.

Live-Bands statt traditioneller Kirchenrituale

Der Anfang war nicht leicht. Im WSJ erzählt Burke, wie er mit seiner Frau die Toiletten und Teppiche des schmuddeligen Kinos sauber schrubbte. Ehrenamtliche halfen, eine Kinderbetreuung einzurichten. “Wir wollen alles ermöglichen, damit es Menschen, die Gott näherkommen wollen, nicht schwer gemacht wird.” Um junge Amerikaner anzusprechen, hält Burke seine Predigten gezielt kurz, umgangssprachlich locker, für den Alltag relevant und humorvoll.

Ähnlich läuft es bei den anderen Kirchen-Startups. In den Gottesdiensten sind alteingesessene Kirchenrituale out, – beeindruckende visuelle Medienspektakel, Live-Musik und witzige Ansprachen der Pfarrer dagegen in. Inhaltlich geht es um Themen wie den zunehmenden Narzissmus in der Gesellschaft oder die Sucht nach sozialen Netzwerken. Dazu kommen Zitate aus der Bibel. „Hier wird die heilige Schrift so interpretiert, dass es für mein Leben auch einen Sinn ergibt. Das ist der Grund, weshalb ich immer wieder komme“, schwärmt Damas Dimanche im WSJ. Viele Besucher sind begeistert wie sie und zeigen das durch großzügige Kirchenspenden. Allein im vergangenen Jahr konnte die “Radiant Church” 18 Millionen Dollar durch Spendengelder einnehmen.

Neue Einnahmequellen, um auf dem „Markt“ bestehen zu können

Insgesamt haben die Verbände ARC und Act 29 in den letzten 20 Jahren rund 1750 Kirchen gestartet – den Großteil davon in den USA, einige aber auch in Mexiko und Italien. Die Zahlen steigen von Jahr zu Jahr rasanter an. Aktuell sind es so viele wie noch nie, vermelden die Vereinigungen.

Doch in Zeiten schwindender Mitglieder bemühen sich auch traditionelle Kirchen um neue Einnahmequellen – zumal es in den USA keine Kirchensteuern gibt. Dafür entwickeln sie teils ausgesprochen unkonventionelle Geschäftsideen. So gründeten die Pastorenkinder Day Edwards und Emmanuel Brown aus Texas 2019 das Portal “ChurchSpace” (Kirchenraum). Ähnlich wie bei Airbnb, der Online-Plattform zur Buchung für Privatunterkünfte, können Kirchen hier ihre Räumlichkeiten dann vermieten, wenn sie ohnehin leer stehen würden.

“Viele Kirchen haben große Säle und kommerzielle Küchen. Das sind tolle Locations für Events”, so Brown in der Tageszeitung “Guardian”. Vor allem die Vermietung großer Kirchenküchen habe sich als lukrativ erwiesen – mit Jahreseinnahmen einzelner Kirchen von bis zu 38.000 Dollar. “Der Immobilienwert von Kirchen wird oft übersehen”, so Edwards. “Genau das wollen wir ändern.”