5000 Menschen demonstrieren gegen Rechtsextremismus
Weilheim hat ein starkes Zeichen gegen Rechtsextremismus und für Demokratie gesetzt: Etwa 5000 Menschen zogen nach Schätzungen der Polizei am Samstag bei der Demonstration „Nie wieder ist jetzt – Demokratie wählen“ vom Bahnhof zum Marienplatz.
Weilheim – Kurz nach 14 Uhr bewegt sich der Zug – es dürfte nach Ansicht der Polizei die größte Protestaktion seit mehr als 20 Jahren in der Kreisstadt gewesen sein – über die Münchener Straße in Richtung Innenstadt. Er wird angeführt von Bürgermeister Markus Loth, seinen beiden Stellvertretern Angelika Flock und Alfred Honisch, Landrätin Andrea Jochner-Weiß, Schongaus Bürgermeister Falk Sluyterman van Langeweyde sowie Veranstaltungsleiter Felix Henkel und seiner Stellvertreterin Brigitte Gronau. Sie tragen ein Banner mit der Aufschrift „Nie wieder ist jetzt – Demokratie wählen“. Als der Zug auf Höhe der evangelischen Apostelkirche ist, läuten die Glocken. Vor Erreichen der Fußgängerzone wird der Zug wegen der großen Zahl der Teilnehmer geteilt und über verschiedene Wege zum Marienplatz und Kirchplatz geführt.

Von einem „sehr starken Signal“ spricht Henkel bei seiner Begrüßung: „Wir stehen heute hier mit tausenden Menschen in anderen Städten, weil es nicht anders geht.“ Mit diesen Umsturzphantasien bei den Treffen der Rechtsextremen seien sie über die rote Linie getreten. Aber Henkel sagt auch, dass die Hand zu denen, die die AfD gewählt hätten, ausgestreckt bleibe: „Aber überschreitet nicht den Punkt, an dem es gegen unsere Demokratie geht.“ Unter großem Beifall sagt Gronau in Anbetracht des total vollen Marienplatzes, dass sie es gar nicht fassen könne, „dass wir das in knapp 14 Tagen geschafft haben“ (siehe Kasten). Und sie gibt bekannt, dass die Polizei von etwa 5000 Teilnehmern ausgeht – angemeldet hatten die Veranstalter von „Wir in Weilheim“ 3000.
Auch Schüler waren dabei
Auch Weilheims Bürgermeister Loth geht auf die große Anzahl der Menschen ein: „Es macht mich unheimlich stolz, wenn ich so auf den Marienplatz schaue. Weilheim ist aufgestanden.“ Geschichtslehrer Bernhard Kerscher verweist auf das Grundgesetz, in dem es heißt: „Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.“ Und er fordert die Demonstranten auf: „Nehmen wir es wahr.“ Schüler vom Weilheimer Gymnasium und den Privaten Oberlandschulen Weilheim fordern: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Hass, Hetze, Angst und Gewalt die Oberhand gewinnen und unsere Zukunft kaputt machen.“ Und sie meinen: „Es liegt an uns, Rückgrat zu zeigen. Lasst uns alle dafür einstehen, dass sich Geschichte nicht wiederholt.“

Ehrengast und Hauptrednerin Professorin Ursula Münch zeigt Verständnis für die Menschen, die aus den verschiedensten Gründen mit den politischen Parteien und der Regierung unzufrieden sind. „Aber was ich überhaupt nicht nachvollziehen kann ist, dass diese Menschen glauben, dass eine extreme Partei ihre Probleme lösen kann“, so die Direktorin der Politischen Akademie in Tutzing. Die „AfD und Konsorten“ hätten nur eine einzige Idee – die Remigration: „Das heißt: Ausgrenzung, Abwertung, Hass auf alle, die weltoffen und tolerant sind.“ Die Partei lebe davon, dass die Angst um sich greife. Ans Ende ihrer von viel Beifall begleiteten Rede stellt Prof. Münch einen Appell: „Jeder von uns muss um die Menschen werben, die das Vertrauen in die seriösen Medien und die demokratischen Parteien verloren haben – denn es sind unsere Freunde, Verwandten, Bekannten und Kollegen.“
Am Ende läuteten die Glocken
Während nach der Rede der Politikwissenschaftlerin die ersten die Versammlung verlassen, treten noch Michael Sendl (Biomichl), Walter Hüglin (Malermeister) und Anne Ertel (Pflegedirektorin der Krankenhaus GmbH) als Vertreter der Wirtschaft auf. Alle drei machen deutlich, dass es ohne ausländische Arbeitskräfte überhaupt nicht geht: „Ohne sie ist unser Wohlstand in Gefahr.“ Die beiden Vertreter der Gewerkschaft Karl Musiol (IG Metall) und Norbert Moy (Betriebsrat bei Siemens) machen ebenfalls klar, dass die Wirtschaft Zuwanderung braucht. Und sie machen Werbung für Betriebsräte in den Firmen: „Die sind eine Demokratieschule. Wer stark ist, wird nicht rechtsradikal.“
Am Ende der Demo, nach den kurzen Ansprachen vom katholischen Stadtpfarrer Engelbert Birkle und der evangelischen Pfarrerin Sabine Nagel, läuten wieder die Glocken – diesmal sind es die der Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt direkt am Marienplatz.
Ralf Scharnitzky