Peking und der Ukraine-Krieg: „Europa sollte den Chinesen eines klarmachen ...“
Die europäischen Staatsführer wollen China von seiner Unterstützung Russlands abbringen, bislang vergeblich. Ein ukrainischer Analyst findet die Initiativen aber nach wie vor sinnvoll.
Frankreichs Präsident wagt einen neuen Anlauf, China im Ukraine-Krieg auf die Seite des Westens zu ziehen. Bei einem Treffen mit Staatschef Xi Jinping am kommenden Montag will Emmanuel Macron seinen chinesischen Gast davon überzeugen, seine Beziehung zu Russland zu überdenken. „Es ist nicht im Interesse Chinas, ein Russland zu haben, das die internationale Ordnung destabilisiert“, sagte Macron im Vorfeld von Xis Frankreichbesuch im Interview mit dem britischen Economist. „Daher muss man mit China zusammenarbeiten, um Frieden zu schaffen.“
Ein hehres Anliegen. Nur: Wird China nach mehr als zwei Jahren Krieg vom Kreml abrücken? Schließlich hat Peking den russischen Einmarsch bis heute nicht verurteilt, außerdem liefern chinesische Unternehmen Güter an Russland, die sowohl zu zivilen als auch zu militärischen Zwecken genutzt werden können. „Russland würde es schwer haben, seinen Angriff auf die Ukraine ohne Chinas Unterstützung aufrechtzuerhalten“, sagte US-Außenminister Antony Blinken unlängst in Peking.

„Russland setzt darauf, dass die Unterstützung für die Ukraine nachlässt“
Schon vor einem Jahr, bei seinem Besuch in China, hatte Macron den chinesischen Präsidenten zum Handeln aufgefordert – ohne Erfolg. Auch der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz biss unlängst in Peking auf Granit. Der ukrainische Analyst Maksym Skrypchenko hält es dennoch für wichtig, mit Xi Jinping über den Ukraine-Krieg zu reden. „Russland setzt darauf, dass der Westen kriegsmüde wird, dass die Unterstützung für die Ukraine nachlässt. Wladimir Putin glaubt, den Krieg gewinnen zu können, weil er über größere Ressourcen verfügt und mächtige Partner wie China hat“, sagte Skrypchenko im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. „Es ist daher sehr wichtig, China davon zu überzeugen, dass der Westen noch lange Zeit an der Seite der Ukraine stehen wird.“
Gleichzeitig müsse Europa Druck auf Peking ausüben und seine Wirtschaftsmacht ausspielen, so Skrypchenko, Präsident des Transatlantic Dialogue Center, einer Denkfabrik in Kiew. Xi Jinping höre den Europäern zu, „weil er mit Europa Geschäfte machen will. Europa sollte den Chinesen klarmachen: Wenn ihr weiter zu Russland haltet, werden wir weniger mit euch handeln.“ Der Führung in Peking sei bewusst, dass Europa ein wichtigerer Handelspartner für China sei als Russland – obwohl die Volksrepublik momentan „sehr stark vom Handel mit Russland“ profitiere.
„China will einen Frieden um jeden Preis“
Skrypchenko sieht bereits erste Anzeichen, dass China seine Haltung zu Russland ändere. So glaube Peking – anders als noch zu Beginn des russischen Angriffs – heute nicht mehr, dass Moskaus Truppen den Krieg gewinnen könnten. Aber auch an einen Sieg der Ukraine glaube China nicht. „Das ist, glaube ich, der Grund, warum Peking seinen Sondergesandten Li Hui nach Kiew und Moskau geschickt hat, um einen Frieden zu verhandeln“, so der Kiewer Analyst. „China will einen Frieden um jeden Preis, und zwar sofort.“ Dabei gehe es Peking allerdings vor allem um seine Wirtschaft: „Als Li Hui in Kiew und Polen war, haben mir Regierungsbeamte, die bei den Treffen mit ihm dabei waren, gesagt, dass er vor allem eine Botschaft hatte: Leute, warum unterschreibt ihr nicht einfach einen Waffenstillstand, damit wir wieder gute Geschäfte machen können?“ (sh)