Diskussion über Kirche in Erding: „Wir brauchen dringend mehr Ehrlichkeit“
Kirche wozu? Diese provokant Frage stand im Mittelpunkt einer Diskussion in Erding. Fazit: Kirche übernimmt in unserer Gesellschaft viele Aufgabe und muss mit eigenen Skandalen ehrlich umgehen.
Erding – Kirche, wozu? Um Antworten auf diese aktuelle Frage zu bekommen, waren rund 50 Interessierte am Donnerstagabend ins Johanneshaus gekommen. Im Rahmen seines zehnjährigen Bestehens hatte der Pfarrverband Erding-Langengeisling vier kompetente Gesprächspartner zur Diskussion gebeten: Von Seiten der Kirche den ehemaligen Weihbischof Bernhard Haßlberger und Stadtpfarrer Martin Garmaier, dazu den einstigen Staatsminister Marcel Huber und Alexandra Myhsok, Caritas-Geschäftsführerin für Erding und Freising.
Bei stetig steigenden Kirchenaustritten, maßgeblich auf die zahlreichen Missbrauchsskandale zurückzuführen, fragte etwa Huber nach mehr Attraktivität dieser Institution: „Muss Kirche nicht handeln, wenn in dieser Zeit Freiheit mit Beliebigkeit verwechselt wird?“ Dabei ist sich Bischof Haßlberger sicher, dass Kirche „eine gute Botschaft hat, aber wir stehen im Wettbewerb zu anderen Strömungen, brauchen bei der Bewältigung der Missbrauchsfälle dringend mehr Ehrlichkeit“. Und Garmaier sieht als Erkenntnis aus der täglichen Praxis, „dass es gut tut zu bemerken, bei der Bewältigung von Problemen nicht allein zu sein, gerade in unserer Welt der Egoismen“.
Kirche werde aber auch in ihrer Tagesarbeit, bei der Hilfe für Menschen, wahrgenommen, berichtete Myhsok aus dem Caritas-Alltag: „Soziale Arbeit bedeutet Umsetzung von Glauben, christliche Werte sind hierbei wichtig und werden auch vermittelt.“ Jedoch sei es der Kirche oft nicht gelungen, Glauben mit menschlichem Leben zusammenzubringen, mahnte Haßlberger: „Da müssen wir ran. Wir haben verlernt, Glauben persönlich zu artikulieren.“ Kirche müsse wieder „mehr Stimme als nur Echo“ sein, jedoch nicht von oben herab und keinesfalls mehr getrieben von Dogmen wie einst.
Der emeritierte Weihbischof ist sich mit dem Stadtpfarrer darin einig, dass es in einer Zeit von immer mehr Individualität wichtig sei, gute Angebote zu machen. Allerdings dürfe dies nicht zu einer weltanschaulichen Neutralität führen. Damit entstehe vielmehr ein Vakuum, das dann von anderen Religionen oder geistigen Lehren ausgefüllt werde.
Auch die Kirche als Arbeitgeber kam zur Sprache: Immerhin sind in Deutschland rund 58 000 Menschen bei ihr angestellt, weitere rund 500 000 Ehrenamtliche arbeiten zudem im Dienst am Menschen. „Und für Neubürger am Ort ist Kirche doch meist die erste Anlaufstelle“, warf Huber mit als positives Argument ein.
Garmaier brachte als Bonuspunkt auch den Religionsunterricht vor. „Hier wird Respekt vor anderen gelehrt, schließlich ist Jesus der Erfinder der Demokratie. Schon Kinder müssen lernen, dass die Würde des Menschen, selbst im Grundgesetz verankert, keine leere Worthülse ist, dass Religion und Glaube mentale Stabilität im Leben geben können, vor allem bei Schicksalsschlägen wie Tod oder Krieg.“ Kirche als oberste Bewahrerin der Schöpfung sollte sich aber auch für Umweltschutz einsetzen, betonte Huber, „als urchristliche Aufgabe“.
Von Moderator Werner Reuß nach einem Fazit befragt, war sich die Runde einig, dass Kirche eine ethisch-moralische Instanz sein müsse, die möglichst viele Menschen auf den gemeinsamen Weg bringe. Auch Mystik und politisches Einbringen werden gewünscht, eine in Summe offene Kirche, „mit mindestens 50 Prozent Frauen in der Führung“, so Myhsok unter Beifall des Publikums.