Energie-Konflikt mit Ukraine spitzt sich zu: EU-Land droht Selenskyj
Ungarns Außenminister Péter Szijjártó droht der Ukraine mit einem Stopp von 40 Prozent der Stromimporte. Der Grund: Angriffe auf die russische Druschba-Pipeline.
Budapest – Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó hat der Ukraine mit drastischen Konsequenzen im Energiesektor gedroht. Laut dem ukrainischen Nachrichtenportal Pravda warnte Szijjártó, dass Budapest 30 bis 40 Prozent der ukrainischen Stromimporte kappen könnte. Der Grund: Ukrainische Drohnenangriffe auf die russische Druschba-Ölpipeline. „Die Ukrainer sollten das im Hinterkopf behalten, wenn sie an verschiedenen Planungstischen darüber entscheiden, ob sie die Druschba-Ölpipeline bombardieren oder nicht“, sagte Szijjártó laut Kyiv Post.
Seit Anfang August haben ukrainische Drohnen die Druschba-Pipeline mehrfach angegriffen – am 13. und 21. August – wodurch russische Öllieferungen nach Ungarn und in die Slowakei unterbrochen wurden. Die Druschba-Pipeline ist eine der längsten der Welt und transportiert russisches Öl durch die Ukraine nach Mitteleuropa.
Ungarns Außenminister droht mit Stromsperre: Pipeline-Angriffe sorgen für diplomatische Spannungen
Szijjártó beschuldigte die Ukraine einer „offenen anti-ungarischen Politik“ und warnte vor „Schwierigkeiten“ für Kiew im Energiesektor. Gleichzeitig betonte er: „Wir wollen nichts Schlechtes für das ukrainische Volk und die ukrainischen Familien, wir sind besser als das.“ Am 24. August hatte Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einer Pressekonferenz in Kiew mit ironischem Unterton angedeutet, dass die Pipeline-Angriffe mit Ungarns Haltung zu EU-Beitrittsverhandlungen der Ukraine zusammenhängen könnten. „Wir haben immer Freundschaft [Druschba auf Ukrainisch und Russisch] gepflegt. Jetzt hängt die Existenz der Druschba [Pipeline] von Ungarn ab“, sagte Selenskyj laut Pravda.
Szijjártó reagierte umgehend auf Facebook und warf der Ukraine Angriffe „gegen die Sicherheit der ungarischen Energieversorgung“ vor. Er forderte Selenskyj auf, „aufzuhören, Ungarn zu bedrohen“ und die Energiesicherheit des Landes nicht zu gefährden. Der ukrainische Außenminister Andriy Sybiha konterte scharf auf X: „Sie müssen dem ukrainischen Präsidenten nicht sagen, was er zu tun oder zu sagen hat und wann. Er ist der Präsident der Ukraine, nicht Ungarns“. Sybiha fügte hinzu: „Ungarns Energiesicherheit liegt in Ihren eigenen Händen. Diversifizieren Sie und werden Sie unabhängig von Russland, wie der Rest Europas.“
Energieabhängigkeit als Druckmittel: US-Präsident Trump mischt sich ein
Auch US-Präsident Donald Trump schaltete sich in den Streit ein. Laut Politico schrieb Trump handschriftlich auf einen Beschwerdebrief von Ministerpräsident Viktor Orbán: „Viktor – ich höre das nicht gern – ich bin sehr wütend darüber“. Trump bezeichnete Orbán als seinen „großen Freund“.
Ungarn liefert laut Szijjártó monatlich 30 bis 40 Prozent der ukrainischen Stromimporte. Ein Stopp dieser Lieferungen würde „schwerwiegende Folgen“ haben und „nicht die Regierung, nicht den Premierminister, nicht die Minister, sondern die Menschen, Familien und Kinder in diesem Land“ treffen, warnte der ungarische Außenminister. EU-Mitgliedstaat Ungarn hat unter Ministerpräsident Viktor Orbán wiederholt EU-Sanktionen gegen Russland blockiert oder verzögert, militärische Hilfe für die Ukraine abgelehnt und sich gegen EU-Bemühungen gestellt, russische Energie schrittweise abzuschaffen. Budapest und Bratislava sind die einzigen EU-Mitgliedstaaten, die noch in großem Umfang russisches Pipeline-Öl beziehen, nachdem sie Ausnahmen von den EU-Sanktionen erwirkt hatten.
Energieversorgung und Abhängigkeit zu Russland ein großes Streitthema in der EU
Die Energieversorgung ist schon seit längerem ein Dauerstreitthema innerhalb der EU. Während Ungarn und die Slowakei weiterhin auf russische Energieträger setzen, diskutiert Deutschland kontrovers über alternative Versorgungswege. Die deutsche Bundesregierung dementierte kürzlich offiziell jegliche Pläne zur Wiederaufnahme der durch eine Sprengung sabotierten „Nord Stream 2“-Pipeline. Am 23. August ist in Italien ein Mann festgenommen worden, der an der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines beteiligt gewesen sein soll.
Eine deutsche Regierungssprecherin betonte, es gebe „keinerlei Überlegungen, Nord Stream 2 zu zertifizieren beziehungsweise eine Wiederaufnahme des Projektes anzugehen“. Dabei würde eine Wiederinbetriebnahme den Geldbeutel der deutschen Verbraucher deutlich schonen. Die Auswirkungen von Nord Stream 2 auf die Gaspreise in Europa könnten erheblich sein. Laut einer Studie des Kölner Forschungsinstituts ewi Energy Research & Scenarios würde die Pipeline den Wettbewerb zwischen russischem Erdgas und Flüssigerdgas (LNG) verschärfen. Dies könnte europäische Verbraucher jährlich um bis zu 24 Milliarden Euro entlasten, da russisches Gas kostengünstiger nach Nordwesteuropa gelangen würde. (ls)