Soldaten „In Schweineställen versteckt“: Militärblogger aus Russland klagt Putin an – Video kursiert
Wladimir Putin und seine Truppen kennen keine Gnade mit den Ukrainern. Wie ein Video zeigt, gilt das wohl auch für viele eigene Soldaten.
Moskau – Das System Wladimir Putin ist auf bedingungslosen Gehorsam ausgerichtet. Immer und überall. Und erst recht im Ukraine-Krieg. So hält sich der Kreml-Chef bereits mehr als 20 Jahre lang an der Macht. Und so will er sich nun auch Kiew wieder gefügig machen.
Putin führt und alle haben zu folgen. Wer da nicht mitzieht oder ausschert, bekommt die Folgen zu spüren. Die russischen Straflager sind weltweit bekannt und gefürchtet. Nicht erst, seit Kreml-Kritiker Alexej Nawalny vor wenigen Wochen in einer der Einrichtungen unter wohl nie ganz zu klärenden Umständen ums Leben kam.
Lässt Putin Soldaten in Keller einsperren? Mindestens 15 Lager für Verweigerer und Verwundete
Auch abseits von Putins Territorium wurden offenbar entsprechende Einrichtungen aus dem Boden gestampft. Für Kämpfer, die im Militäreinsatz in der Ukraine die Gefolgschaft verweigern. Wohin deren Weg führt, soll ein Video auf dem Telegram-Kanal Astra zeigen.
Die Aufnahmen stammen demnach aus einem illegalen Keller des russischen Militärs in Rassypnoye, das im russisch besetzten Gebiet der Ukraine liegt. Nahe dem Ort stürzte am 17. Juli 2014 eine in Amsterdam gestartete Boeing 777 nach einem Treffer durch eine russische Luftabwehrrakete ab, alle 298 Insassen starben.
Laut Astra ist dieser Keller einer von vielen. Das Team habe bereits 15 derartige Keller oder Lager in den russisch besetzten Gebieten der Ukraine ausfindig gemacht. Genutzt werden demnach etwa verlassene Häuser, eine ehemalige Kolonie oder der Keller im Büro des Kommandanten. Gleich neun der ausfindig gemachten Lager befinden sich in der Region Luhansk, fünf weitere in Donezk und eines in Charkiw.
Video: EGMR verurteilt Russland wegen Menschenrechtsverletzungen auf der Krim
Putin und die Verweigerer im Ukraine-Krieg: Militärangehörige offenbar illegal in Keller gehalten
Die Bilder habe das Medium exklusiv erhalten. Die Aufnahmen sollen Militärangehörige zeigen, die auf Brettern oder direkt auf dem kahlen Boden sitzen und schlafen. Plastikflaschen dienen ihnen als Toilette, Laternen sorgen für das einzige Licht.
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Dieser Keller liege 15 Kilometer von einem anderen Lager für Verweigerer in entfernt. Die Militärangehörigen würden häufig zwischen beiden Orten hin- und hertransportiert.
Diese Keller seien illegal, weil die Soldaten nach dem Gesetz erst inhaftiert werden dürften, wenn der entsprechende Vorgang protokolliert worden sei. Doch damit hält sich Putins Truppe demnach erst gar nicht auf. Auch dürften derartige Arrestzellen nicht in Kellern untergebracht werden.
Verwundete „wie Vieh“ gehalten? Russischer Militärblogger wütet auf Telegram gegen Putin
Ein anderes, ebenfalls von Astra aufgegriffenes Video verbreitete zunächst der russische Militärblogger Jegor Guzenko, der selbst in Kriegsverbrechen verwickelt sein soll. Auf seinem Telegram-Kanal „Der Dreizehnte“ schimpft er über die Militärführung, die auch Verwundete „wie Vieh“ halten würde.
„So leben die Kerle in der russischen Armee, die im Käfig des Schweinestalls versteckt werden“, moniert Guzenko und vergreift sich bei seinen Auslassungen mehrmals im Ton. Und weiter: „Sie sitzen in diesem verdammten Keller. Es gibt Menschen ohne Arme, gebrochen, verlassen.“
Mehreren Protagonisten des Videos wurden Gliedmaßen amputiert. So schiebt ein Mann seine Militärhose hoch und offenbart eine Beinprothese.

Russische Kämpfer offenbar eingesperrt: Militärblogger will Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen
Die Verwundeten müssen laut Guzenko aber auch weiterkämpfen, weil es zu wenige Soldaten im Kampfgebiet gebe. Daher fordert er, dass Putin eine Mobilmachung ausruft und die seit zwei Jahren an der Front Kämpfenden nach Hause gehen dürfen. Doch vor diesem Schritt habe der Kreml-Chef Angst, weil die Menschen in der Heimat dann herausfinden würden, was wirklich passiere.
Der kritische Militärblogger hat nach eigenen Angaben die Strafverfolgungsbehörden auf den Fall aufmerksam gemacht. Angeblich hat er den Veteranenverband des nördlichen Militärbezirks von Krasnodar auf seiner Seite. Astra schreibt, es seien keine Fälle bekannt, in denen Personen vor Gericht gestellt wurden, die an der Inhaftierung von Militärangehörigen in illegalen Kellern beteiligt waren.
In der Vergangenheit waren bereits andere Videos an die Öffentlichkeit gelangt, die eingesperrte russische Kämpfer zeigen sollen. Auch diese sollen sich einem Einsatz verweigert haben. Teilweise waren sie in einer Grube untergebracht und mussten eigenen Angaben zufolge bei Eiseskälte halbnackt dort übernachten. Andere klagten, sie müssten verwundete Kameraden auf eigene Faust retten.
Putin und seine Straflager: Nun könnte auch Guzenko ins Visier des Kreml geraten
Offenbar betrifft diese Art der Inhaftierung aber nicht nur die Kämpfer, denen ihr Leben wichtiger ist als Putins Machtausweitung in Richtung Westen. Sondern eben auch diejenigen, die nicht mehr kämpfen können, weil ihnen Arme oder Beine fehlen, wie Guzenko aufzeigt. Verwundete und Verweigerer werden demnach gleich behandelt.
Der Blogger könnte sich derweil mit seiner offenen Kritik an der Militärspitze und Putin, den er sogar als „Opa“ bezeichnet, ins Visier des Kreml manövriert haben. Denn Moskaus Machthaber geht auch gegen Gefolgsleute vor, die mit Widerworten auffallen. Ein prominentes Beispiel ist Igor Girkin.
Der einstige militärische Chef der separatistischen Volksrepublik Donezk sitzt seit knapp einem Jahr in einem Straflager, weil er Putin die Misserfolge im Ukraine-Krieg direkt vorwarf und damit kokettierte, bei der Präsidentenwahl als Gegenkandidat anzutreten.
Das passte Putin wenig überraschend gleich zweimal nicht. Vier Jahre muss Girkin nach einem Urteil nun absitzen. Ob der Ultranationalist jemals wieder auf freien Fuß kommen wird, ist aktuell fraglich. (mg)