Expertenbeitrag von Rainer Zitelmann - „Macht Geld glücklich“ ist die falsche Frage - was Sie stattdessen fragen sollten

Und meine Leidenschaft ist die Wissenschaft: Ich habe in den vergangenen Jahren Umfragen von einem renommierten Meinungsforschungsinstitut für meine Studien durchführen lassen, die mich etwa 650.000 Euro kosteten. Ich habe niemanden gehabt, der mir das Geld dafür gegeben hat. Ich konnte mir das leisten, weil ich als Unternehmer und Investor in weniger als 20 Jahren ein Vermögen aufgebaut habe.

Alles in allem sage ich: Geld ist nicht das Wichtigste, aber es ist sehr wichtig, weil Freiheit das Wichtigste ist für mich. Aber das sieht nicht jeder so. Für einen Intellektuellen ist eine solche Einstellung schon ungewöhnlich. Schon bei den antiken Philosophen fanden sich häufig kritische Äußerungen über den Reichtum. Platon fragte in seiner Politea: „Steht es mit dem Unterschied von Reichtum und Tugend nicht so, dass die gleichsam auf die Schalen einer Waage gelegt sind, von denen die eine steigt, während die andere sinkt?“

Die Lyrik verurteilt das streben nach Reichtum

Dichter, Sänger und Philosophen haben immer wieder Aphorismen geprägt, die den Wert des Geldes relativieren und das Streben nach Reichtum verurteilen. „Genug zu haben ist Glück, mehr als genug zu haben ist unheilvoll. Das gilt von allen Dingen, aber besonders vom Geld“, sagte der chinesische Philosoph Lao-tse.

Der Popsänger Bob Dylan fragte: „Was bedeutet Geld? Ein Mensch ist erfolgreich, wenn er zwischen Aufstehen und Schlafengehen das tut, was ihm gefällt.“ Und Albert Einstein meinte: „Das Geld zieht nur den Eigennutz an und verführt stets unwiderstehlich zum Missbrauch.“

Auf der anderen Seite gab es immer Dichter und Philosophen, die das ganz anders sahen. „Ein gesunder Mensch ohne Geld ist halb krank“ – dieser Satz stammt vom Johann Wolfgang von Goethe. Und der niederländische Philosoph Benedictus de Spinoza brachte seine Skepsis gegenüber den Menschen zum Ausdruck, die allzu einseitig vom Missbrauch des Geldes und den Lastern der Reichen sprechen: „Der Arme, der gern reich sein möchte, redet unaufhörlich vom Missbrauch des Geldes und den Lastern der Reichen, wodurch er aber nichts anderes erzielt, als dass er sich ärgert und anderen zeigt, wie er nicht bloß über seine eigene Armut, sondern auch über der anderen Reichtum Unmut hegt.“

Die deutsche Philosophin Gertrude Stein meinte: „Ich war reich und ich war arm. Es ist besser, reich zu sein.“ Und der Schriftsteller Oscar Wilde, der es stets liebte, durch übertriebene Aussagen Widerspruch zu provozieren und Wahrheiten ans Tageslicht zu bringen, schrieb: „Als ich klein war, glaubte ich, Geld sei das Wichtigste im Leben. Heute, da ich alt bin, weiß ich: Es stimmt.“

Bedeutung von Geld umstritten

„Geld allein macht nicht glücklich“ oder „Lieber arm und gesund als reich und krank“ sind nur zwei Redensarten, mit denen die Bedeutung von Geld für das menschliche Glück bestritten oder relativiert werden soll. Diese Skepsis wurde scheinbar durch wissenschaftliche Studien bestätigt. Die beiden Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman und Angus Deaton kamen zu dem Ergebnis, der Zusammenhang zwischen höherem Einkommen und größerem Glück gelte zwar, jedoch nur bis zu einer bestimmten Grenze, und zwar bis zu einem Jahreseinkommen von 75.000 Dollar. Alles, was darüber hinausgehe, habe keinen signifikanten Einfluss mehr auf die Zufriedenheit eines Menschen, da er sich an eine komfortable finanzielle Lage bereits gewöhnt habe und seinen Lebensstil mit jeder Gehaltserhöhung nur noch minimal anpasse.

Eine neuere Untersuchung, die in der amerikanischen Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht wurde, kommt jedoch zu einem ganz anderen Ergebnis. Amerikanische Forscher um Matthew A. Killingsworth fanden heraus, dass sich sowohl das „experienced well being“ (erfahrenes Wohlbefinden) als auch das „evaluative well being“ (bewertende Wohlbefinden) mit dem Einkommen erhöhe.

Das „erfahrene Wohlbefinden“ wurde durch die Auswertung von 1,73 Millionen Berichten von 33.391 Amerikanern gemessen. Sie wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten auf ihrem Smartphone kontaktiert und es wurde ihnen die Frage gestellt: „Wie fühlen Sie sich gerade jetzt?“ Das „bewertende Wohlbefinden“ wurde mit der Frage gemessen: „Wie zufrieden sind Sie insgesamt mit Ihrem Leben?“

Das interessante Ergebnis: Die von Kahneman und Deaton behauptete Grenze von 75.000 Dollar gab es nicht. Sowohl für Einkommen bis 80.000 Dollar als auch für Einkommen darüber ließ sich der Zusammenhang von mehr Geld und höherem Lebensglück eindeutig nachweisen.

Die Studie wies methodisch einige Vorteile gegenüber älteren Studien auf. So konnten die Befragten bei älteren Studien nur mit „Ja“ oder „Nein“ die Frage nach ihrem Glück beantworten, während in der aktuellen Studie eine Skala mit verschiedenen Abstufungen verwendet wurde. Ein großer Vorteil war, dass durch die Kontaktaufnahme mit dem Handy tatsächlich der aktuelle Gefühlszustand gemessen wurde. In älteren Studien hatte man die Menschen lediglich gebeten, sich daran zu erinnern, wie sie sich gefühlt hatten. Solche Erinnerungen sind jedoch oft verfälscht und durch den aktuellen emotionalen Zustand stark gefärbt.

Macht Freiheit glücklich?

Wenn man Geld als „geprägte Freiheit“ versteht und die Frage „Macht Geld glücklich?“ umformuliert, dann lautet sie: „Macht Freiheit glücklich?“ Diese Frage würden wohl die meisten Menschen bejahen. Prüfen Sie einmal selbst: Wenn Sie morgen nicht mehr arbeiten müssten, weil Sie genug Geld hätten, und selbst darüber entscheiden könnten, ob Sie überhaupt noch arbeitest und was Sie arbeiten – würde das Ihr Lebensglück erhöhen?

Bitte mache Sie mal eine Liste von allen Sorgen, die Sie sich in den letzten drei Monaten gemacht haben. Und dann streichen Sie all jene Sorgen durch, die Sie nicht gehabt hätten, wenn Sie zum Beispiel 30 Millionen Euro besitzen würden. Sorgen um die Sicherheit des Arbeitsplatzes, über die Mieterhöhung oder über die kostspielige Autoreparatur können sofort streichen.

Natürlich blieben Sorgen um die Gesundheit. Doch wir wissen aus wissenschaftlichen Untersuchungen, dass reiche Menschen im Schnitt gesünder sind und eine deutlich höhere Lebenserwartung haben als ärmere. Es blieben andere Sorgen, etwa Liebeskummer. Diese Sorgen verschwinden auch nicht mit mehr Geld – aber immerhin hat man als Reicher deutlich bessere Chancen und Wahlmöglichkeiten bei der Partnerwahl als ein Armer.

Die Wissenschaftlerin Dorothee Spannagel ist in ihrer Dissertation zum Thema „Reichtum in Deutschland“ der Frage nachgegangen, worüber sich Menschen Sorgen machen. 23 Prozent der Gesamtbevölkerung machten sich „große Sorgen“ um die eigene Gesundheit, aber nur 10 Prozent der Besserverdiener. 25 Prozent der Gesamtbevölkerung, aber nur 6 Prozent der „Reichen“ machten sich „große Sorgen“ über ihre eigene wirtschaftliche Lage. Und 54 Prozent der „Reichen“ machten sich darüber keinerlei Sorgen, aber nur 27 Prozent der Gesamtbevölkerung gab an, sich über die eigene wirtschaftliche Lage keine Sorgen zu machen.

Natürlich macht Geld allein nicht glücklich, und ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der das behauptet hätte. Ebenso wenig machen allein genommen Gesundheit oder guter Sex glücklich. Und doch wird diese Banalität nur im Zusammenhang mit Geld betont. Ich habe noch niemanden gefunden, der uns darüber belehrt hätte, dass „Gesundheit allein nicht glücklich macht“. Lassen Sie sich nicht einreden, Geld sei unwichtig. Das stimmt einfach nicht – und im Grunde weiß das jeder.