Klingbeil macht Druck auf Merz: Wahl von Brosius-Gersdorf müsse wiederholt werden
SPD-Chef Lars Klingbeil beharrt trotz des Koalitionsstreits mit der Union auf die Richterkandidatin Brosius-Gersdorf. Die Wahl im Bundestag müsse wiederholt werden.
Berlin – Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil hat eine Wiederholung der geplatzten Richterwahl für das Bundesverfassungsgericht gefordert und besteht weiterhin auf der umstrittenen Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf. „Deshalb können wir die Wahl wieder auf die Tagesordnung des Bundestags setzen“, erklärte Klingbeil gegenüber der Bild am Sonntag. Er betonte, dass die Bedenken der CDU gegen die Juraprofessorin wegen angeblicher Plagiatsvorwürfe ausgeräumt seien.
Der Streit um die Besetzung einer Richterstelle am höchsten deutschen Gericht hat sich zu einer ernsten Belastungsprobe für die erst seit Mai amtierende schwarz-rote Koalition entwickelt. Die 54-jährige Brosius-Gersdorf steht im Zentrum einer beispiellosen Auseinandersetzung um die Besetzung von Richterposten.

Klingbeil macht Merz Druck: Wahl von Brosius-Gersdorf zur Verfassungsrichterin sei „prinzipielle Frage“
Klingbeil betrachtet die Situation als grundsätzliche Frage des Umgangs mit externem Druck. „Es ist eine prinzipielle Frage, ob man dem Druck von rechten Netzwerken nachgibt, die eine hoch qualifizierte Frau diffamiert haben“, betonte der Vizekanzler. Dies zeigt die Entschlossenheit der SPD, an ihrer Kandidatin festzuhalten.
Die Unionsführung hatte zunächst der Wahl von Brosius-Gersdorf zusammen mit zwei weiteren Bewerbern für das Bundesverfassungsgericht zugestimmt. Doch am vergangenen Freitag vollzog die CDU/CSU überraschend eine Kehrtwende. Sie wollte im Bundestag nicht über Brosius-Bersdorf abstimmen. Zuvor hatten offenbar dutzende Unions-Politiker Bedenken gegen die Richterin angemeldet. Im Nachhinein gab es Kritik an Fraktionschef Jens Spahn: Er hätte die Stimmung in der Partei nicht richtig eingeschätzt, hieß es.
CDU und Merz setzt offenbar auf Rückzug von Brosius-Gersdorf
Trotz Klingbeils Beharren auf Brosius-Gersdorf drängen Unionspolitiker weiterhin auf einen Rückzug der Kandidatin. Sie sehen bei dem Thema auch keine Eile. Kanzler Friedrich Merz (CDU) sagte in seiner Sommer-Pressekonferenz am Freitag, die Wahl habe Zeit bis September. Dann werde man sehen, wer dann auf dem Stimmzettel zur Wahl von drei neuen Verfassungsrichtern stehe.
Die Aussagen des Kanzlers wirkten so, als ob er darauf setze, dass die SPD ihre Kandidatin zurückzieht – oder aber Brosius-Gersdorf selbst ihre Kandidatur aufgibt. Bei einem Auftritt bei „Markus Lanz“ sagte sie, im Falle einer Koalitionskrise oder einer Beschädigung des Bundesverfassungsgerichtes würde sie von einer Kandidatur zur freiwillig absehen. Zudem wehrte sie Vorwürfe ab, dass sie „ultralinks“ sei.
Trotz Koalitionsstreit Brosius-Gersdorf: Klingbeil betont gutes Arbeitsverhältnis zu Merz
Ungeachtet des Streits um die Richterwahl hob Klingbeil sein gutes Arbeitsverhältnis zu Bundeskanzler Merz hervor. „Ich habe eine sehr enge und vertrauensvolle Abstimmung mit dem Bundeskanzler. Wir sind ständig im Gespräch“, sagte der SPD-Chef.
Angesichts der anstehenden Herausforderungen für die schwarz-rote Koalition nach der Sommerpause mahnte Klingbeil die Abgeordneten zur Disziplin. „Es wird die ganze Legislatur über schwierige Abstimmungen geben. Da müssen die Regierungsfraktionen stehen“, betonte er.
Merz und Klingbeil warnen für weiteren schwierigen Abstimmungen im Bundestag
Ähnlich hatte sich auch Kanzler Merz in seinem Sommerinterview geäußert: Schwierige Abstimmungen im Bundestag wie bei der Wahl der Verfassungsrichterin werde es künftig immer wieder geben, so Merz, denn die Mehrheitsverhältnisse im Parlament seien mit einer starken AfD-Fraktion nicht mehr so wie früher.
Die Wahl von Verfassungsrichtern erfordert eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag, was normalerweise eine überparteiliche Einigung voraussetzt. (dpa/AFP/smu)