Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger im Interview - Rentenpaket II ist das „das teuerste Sozialgesetz des Jahrhunderts“
Rainer Dulger vertritt als Arbeitgeberpräsident Unternehmen in Deutschland, die rund 70 Prozent aller Beschäftigten angestellt haben. Wenn er ein Interview gibt, ist also damit zu rechnen, dass er vor allem auf Verbesserungen für die Wirtschaft pocht. In seinem Gespräch mit der FAZ zeigt er aber auf, wie wenig er bei seinem Fokus auf Wirtschaftswachstum und Wettbewerbsfähigkeit auf das soziale Zusammenleben in Deutschland gibt. Hier sind seine spitzesten Meinungen:
Rentenpaket und „Rente mit 63“ abschaffen
„Die abschlagsfreie Rente ab 63 muss abgeschafft werden“, sagt Dulger. Das noch nicht beschlossene Rentenpaket II attackiert er als „das teuerste Sozialgesetz des Jahrhunderts“ wobei er sich auf den Bundesrechnungshof beruft, der zuletzt Ausgaben von 25 Milliarden Euro pro Jahr dadurch prognostizierte. „Es geht lediglich darum, dass die jährlichen Rentenerhöhungen höher ausfallen sollen – übrigens zugunsten der bestversorgten Rentnergeneration in der Geschichte dieses Landes. Verlierer sind die jungen Menschen, die künftig mehr in die Versicherung einzahlen, als sie später herausbekommen.“
Das alles sind steile Thesen. Woran Dulger messen will, dass die heutige Rentnergeneration die am besten versorgte in der Geschichte des Landes ist, ist unklar. Seit 1990 sind die Standardrenten inflationsbereinigt um rund sechs Prozent gefallen. Das Rentenpaket II soll eben gerade verhindern, dass dies weitergeht, indem das künftige Rentenniveau zumindest bei 48 Prozent des Durchschnittslohns gehalten wird. Dass die Jungen bald mehr in die Rentenkasse einzahlen, als sie herausbekommen, ist Unsinn. Ein Durchschnittsverdiener mit 4300 Euro Bruttogehalt pro Monat würde über 45 Arbeitsjahre derzeit rund 216.000 Euro Rentenbeiträge leisten. Bei einem höheren Beitragssatz durch das Rentenpaket von 22,3 Prozent wären es 259.000 Euro. Die Auszahlungen lägen aber über eine Rentendauer von 25 Jahren gerechnet bei 531.000 Euro – also mehr als doppelt so hoch.
Was Dulger eigentlich möchte, ist, die Renten zu kürzen, damit die Sozialabgaben für Unternehmen sinken. Deswegen soll auch die abschlagsfreie „Rente mit 63“, die mittlerweile eine „Rente mit 65“ ist, abgeschafft werden. Ökonomen sind zwar auch für deren Abschaffung, wollen aber wie etwa die Wirtschaftsweisen gleichzeitig ein neues Instrument schaffen, mit dem Menschen, die jahrzehntelang körperlich hart gearbeitet haben, früher in Rente gehen können.
Sozialabgaben auf 40 Prozent begrenzen
Im kommenden Jahr werden die Sozialabgaben, also die Ausgaben für Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, auf 41,7 Prozent des Bruttolohns steigen. Die Hälfte davon zahlen Arbeitnehmer, die andere Hälfte Arbeitgeber. „In den Aufschwungzeiten des vergangenen Jahrzehnts waren es noch unter 40 Prozent. Wir müssen uns wieder darauf besinnen, dass dieser Wert eine Obergrenze ist“, sagt Dulger. Dass durch den demografischen Wandel die Zahl der Rentner steigt und durch die höhere Zahl älterer Menschen auch die Ausgaben der Kranken- und Pflegekassen, ist ihm egal. Hauptsache, Unternehmen müssen nicht so viele Sozialabgaben zahlen. „Sonst wird weniger in Deutschland und mehr im Ausland investiert“, sagt er. Eine Lösung für das Problem des demografischen Wandels bietet er damit nicht, er will nur nicht die Unternehmen damit belastet sehen.