Mit Trump kehrt auch die Sorge nach Kopenhagen zurück
Donald Trump ist nicht der erste amerikanische Präsident, über dessen Grönland-Politik sich die Dänen ärgern. Da war im Januar 2001 der gerade ins Weiße Haus eingezogene George W. Bush, der auf einen Glückwunsch des grönländischen Regierungschefs Jonathan Motzfeldt reagierte und ihm gegenüber indirekt das National Missile Defense-Projekt ansprach, die Idee eines nationalen Raketenabwehrschirms der USA.
„Die Zukunft bietet enorme Chancen“, schrieb Bush in seiner Antwort. „Wie Sie bin ich bestrebt, bei Themen von gemeinsamem Interesse, wie der Thule-Basis, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.“
Der US-Stützpunkt im grönländischen Thule, seit 2023 Pituffik Space Base genannt, wäre wichtig gewesen zur Etablierung der Raketenabwehr, weil dort ein Frühwarnradar hätte modernisiert werden müssen. Dass Bush dieses Konzept gegenüber Motzfeldt anriss, rief dänischen Protest auf den Plan.
Die Sorge ist nach Kopenhagen zurückgekehrt
Pia Kjaersgaard, Vorsitzender der nationalkonservativen Dänische Volkspartei, forderte die Regierung in Kopenhagen auf, „einzugreifen und den Amerikanern mitzuteilen, dass die Diskussionen und Verhandlungen zu Grönland über Dänemark laufen“.
Ähnlich alarmiert zeigte sich Per Stig Moeller von Dänemarks Konservativer Volkspartei. Bushs Signal vermittle den Grönländern den Eindruck, „dass sie das Thule-Radar auf bilateraler Ebene mit den Amerikanern besprechen werden“ – doch für Außen- und Sicherheitspolitik der Insel sei Dänemark zuständig.
Bush hat sich, schon wegen der Erschütterung der USA und der gesamten Welt durch den Terrorschlag von al Quaida am 11. September des gleichen Jahres, später nicht mehr mit Grönland befasst und das National Missile Defense-Projekt wurde unter seinem Nachfolger Barack Obama massiv abgespeckt.
Doch die Sorge ist zurückgekehrt nach Kopenhagen, dass sich die Amerikaner unter Trump erneut an Grönland versuchen – aber in einer viel rabiateren Form als es damals Bush unterstellt wurde.
Dänisch-amerikanische Beziehungen auf historischem Tiefpunkt
So erreichten die dänisch-amerikanischen Beziehungen vergangene Woche einen historischen Tiefpunkt, nachdem ein dänischer Rundfunksender über verdeckte Einflussoperationen der Amerikaner in Grönland berichtete.
Die Regierung in Kopenhagen bestellte den obersten Diplomaten der US-Botschaft im Königreich, Mark Stroh, ein. So etwas geschieht selten und wenn es doch einmal passiert, geht es zumeist um den Vorwurf massiver Eingriffe in die Souveränität des jeweils anderen.
Und auf diese Idee konnte man in Kopenhagen leicht kommen: Trump hatte in seiner ersten Amtszeit aufdringlich angeboten, die USA würden Grönland kaufen. Der Hintergrund: Aufgrund des schmelzenden Eises nehmen neue Schifffahrtsrouten und militärische Aktivitäten in der Arktis zu.
Die zwischen Nordamerika und Europa und nahe zur Arktis gelegene Insel, an der auch Russland und China zunehmend Interesse zeigen, ist zudem reich an Rohstoffen. Öl und Gold gibt es dort und Seltene Erden. Und je stärker der Klimawandel den Eispanzer schmelzen lässt, unter dem ein Großteil der Insel liegt, desto leichter würde die Förderung dieser bislang fast unberührten Ressourcen werden.
Grönland: Nur sechs Prozent der Einwohner wollen sich den USA anschließen
Das weiß man auch in Kopenhagen, vielleicht deshalb erhielt Trump 2019 ein eindeutiges „Nej tak“ (Nein danke) seitens der dänischen Regierung. Prompt sagte Trump einen geplante Dänemark-Visite ab.
Schon vor Beginn seiner zweiten Amtszeit hatte Trump seinen Anspruch auf Grönland intensiviert. Ende Dezember 2024 postete der soeben zurück ins Weiße Haus Gewählte auf seiner Plattform Truth Social, „der Besitz und die Kontrolle Grönlands“ seien „eine absolute Notwendigkeit“.

Die USA bräuchten die Insel zur Sicherung der nationalen und der globalen Sicherheit. Wieder fiel die Absage aus Dänemark eindeutig aus. Und obwohl die 57.000 Inselbewohner, in der Mehrzahl Inuit (früher auch Eskimos genannt), sich nicht gut von Kopenhagen behandelt fühlen, ergab im Januar eine Umfrage, dass sich nur sechs Prozent der Einwohner den USA anschließen möchten.
Trotz dieser klaren Zurückweisungen wollte Trump, von Journalisten befragt, nicht einmal militärische Mittel zur Durchsetzung seines Zieles ausschließen. Im Januar reiste zudem sein Sohn Donald „Don“ Junior nach Grönland und ließ sich dort mit Einwohnern fotografieren, die Basecaps mit dem Schriftzug „Make America Great Again“ trugen.
Wäre eine Übernahme Grönlands sinnvoll?
Dänemarks Regierung reagierte empört, viele europäische Staats- und Regierungschefs, darunter der damalige Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, erklärten ihre Solidarität mit dem Königreich.
Lehnen wir uns kurz zurück und prüfen die Frage: Wäre eine Übernahme Grönlands durch die USA vielleicht sinnvoll? Die Insel ist geologisch ein Teil Nordamerikas und liegt dichter zu den USA als zu Dänemark.
Die strategische Bedeutung Grönlands wurde bereits angesprochen, und sie wird im Zeitalter mutmaßlich wachsender geopolitischer Spannungen zwischen den USA und Europa auf der einen sowie China und Russland auf der anderen Seite noch wichtiger.
Als die Insel (bis 1953) eine Kolonie Dänemarks war, kam es zu Zwangsadoptionen grönländischer Kinder durch dänische Familien. So wollte man den Ureinwohnern „Zivilisation“ vermitteln.
Und noch bis Mitte der 1970er Jahre wurde sehr jungen Grönländerinnen ohne deren Wissen oder gar Einverständnis die Spirale zur Empfängnisverhütung eingesetzt. Kopenhagen wollte damit das Bevölkerungswachstum und die Kosten für Schulen und das Gesundheitssystem begrenzen.
Grönland könnte kaum völlig unabhängig werden
Diese Sünden des Spätkolonialismus leben im Gedächtnis vieler Grönländer fort. Seit 2009 besitzt Grönland das Recht, seine Unabhängigkeit durch ein Referendum zu erklären. Für Eigenstaatlichkeit sprachen sich 2016 knapp zwei Drittel der Bevölkerung aus. Doch die autonome Insel erhält jedes Jahr eine halbe Milliarde Euro und damit die Hälfte seines Haushalts aus Kopenhagen.
Gänzlich unabhängig könnte Grönland mit seinen bislang praktisch unerschlossenen Rohstoffvorkommen also kaum werden. Theoretisch denkbar wäre in dieser Situation eine wachsende Stimmung für einen Anschluss an die USA also durchaus.
Wer, wenn nicht die westliche Supermacht, könnte die Insel am besten schützen und damit auch die Wasserwege zwischen Amerika und Europa und hinauf in die Arktis?
Doch die Mittel, mit denen Trump Grönland in die USA holen will, klingen in den Ohren der Menschen dort nicht nach Befreiung, sondern nach einer neuen Form von Willkür. Zudem bestimmen inzwischen andere von Trump gesetzte Themen die Schlagzeilen: Die Zölle, die Abschiebungen von Migranten, der Ukraine-Krieg, das Treffen mit Putin in Alaska, der Einsatz von Nationalgardisten in verschiedenen US-Städten, Trumps Hoffnungen auf den Friedensnobelpreis.
Mindestens drei Amerikaner sollten offenbar Meinung in Grönland beeinflussen
Aber abgeschworen hat Trump seiner Idee, Grönland zum Teil der USA zu machen, bislang nicht. Und nun berichtete am Mittwoch der dänische Rundfunksender DR, mindestens drei einflussreiche Amerikaner seien aktiv, um die öffentliche Meinung auf der an Rohstoffen reichen Insel im Sinne von Trumps Übernahmeziel zu beeinflussen.
Die Namen der Amerikaner, die laut DR von den dänischen Behörden beobachtet werden, nannte der Sender nicht. Zu ihren mutmaßlichen Aktivitäten gehört das Erstellen von Listen mit Grönländern, die Trump unterstützen, und das Sammeln von Informationen über die Spannungen zwischen Dänemark und Grönland.
Dass es derartige Trump-nahe Influencer auf der eisigen Insel gibt, ist bekannt; sie setzen sich laut „Financial Times“ für den US-Präsidenten „auf eine Art und Weise ein, die alles andere als verdeckt ist“.
Vielleicht zählte das Blatt auch den Vizepräsidenten dazu. Im März wollte JD Vance mehrere Orte auf der Insel und ein berühmtes Hundeschlittenrennen besuchen. Doch er verkürzte seine Visite auf einen Tag, nachdem die Nachricht von seinem Besuch Empörung ausgelöst hatte.
US-Geheimdienste sollten offenbar Ressourcenpotenzial Grönlands untersuchen
Schließlich besuchte er nur den US-Militärstützpunkt Pituffik in Grönlands Nordwesten. Während seiner Reise griff Vance Dänemark an und sagte: „Sie haben gegenüber den Menschen in Grönland keine gute Arbeit geleistet. Sie haben zu wenig in die Menschen in Grönland investiert und Sie haben zu wenig in die Sicherheit dieser unglaublich schönen Landmasse investiert.“
Im Mai berichtete das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf zwei namentlich nicht genannte Quellen, US-Geheimdienste seien mit der Untersuchung der Unabhängigkeitsbewegung und des Ressourcenpotenzials Grönlands beauftragt worden.
Mehrere hochrangige Agenten unter der Leitung der Direktorin für die nationalen Nachrichtendienste, Tulsi Gabbard, hätten den Auftrag, Informationen über die Ansichten der Bevölkerung und über die Bodenschätze Grönlands zu sammeln.
Die aktuellen Berichte des dänischen Senders über die Einbestellung des US-Spitzendiplomaten in das dänische Außenministerium wurden von der amerikanischen Regierung bestätigt. Den Vorwurf, dass amerikanische Bürger sich in Grönland für den Anschluss an die USA einsetzten, kommentierte das State Department in Washington hingegen nicht: „Weder korrigiert noch dirigiert die US-Regierung die Aktionen von Privatpersonen.“ Im Übrigen solle sich Dänemark „beruhigen“, so der Rat aus Washington.
Frederiksen muss sich keine Sorgen machen
Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sagte, sie nehme den Bericht über die Einflussoperationen der drei US-Bürger zugunsten der Trump-Regierung „sehr ernst“. Sollten sich diese bewahrheiten, wären sie „inakzeptabel“.
Frederiksen muss sich keine Sorgen machen: Solange Trump seine Kanonenboot-Politik der Forderungen und Drohungen fortsetzt, wird er keine Mehrheit in der Bevölkerung finden.
Sollte indes ein anderer US-Präsident das Thema auch in Europa und der Nato diplomatisch professionell spielen, wäre eine entsprechende Grenzverschiebung nicht unvorstellbar. Aber sie müsste dem Willen der Bevölkerungsmehrheit entsprechen. Wer indirekt militärische Mittel androht, hat bei diesem Thema keine Chance.
Von unserem Autor Ansgar Graw erschien unlängst das Buch: „Die Ära Trump. Chancen und Risiken für Amerika und die Welt“
Dieser Beitrag stammt von The European.