Steinwild-Bestand an Benediktenwand stabil: Jäger suchen Gebiet ab: „Wollen nicht mehr Touristen anlocken“
Zweimal im Jahr ist Zähltag für das Steinwild an der Benediktenwand. Es ist immer wieder ein spannender Tag, der mit Überraschungen gespickt ist.
Jachenau – 5.15 Uhr in der Jachenau. Es ist stockfinster. Nebel liegt über den Feldern. Auf dem Parkplatz Petern fahren Autos vor. Sobald alle Jäger und Wildbiologin Dr. Iris Biebach versammelt sind, geht es mit Geländewägen bergauf Richtung Benediktenwand – zur Steinwildzählung.
Zweimal im Jahr lädt das Landratsamt zum Zähltag ein. Daran beteiligen sich neben den Pächtern der Gemeinschafts- und Eigenjagdreviere des Benediktenwand-Gebiets auch die Bayerischen Staatsforsten mit dem Staatsjagdrevier Isarwinkel. „Immer ein schöner Termin“, sagt Stefan Nagel. Der Jäger der Staatsforsten lenkt den Wagen behutsam über den steilen Schotterweg. „Steinwild im Revier zu haben, ist eine Besonderheit. Es ist ein ehrenwerter Auftrag, sich um die Tiere zu kümmern.“
In der Vorbrunftzeit sind Böcke sehr aktiv
An einer hochgelegenen Alm kommen die ersten Wägen zum Stehen. Alle teilen sich in Teams auf. „Wir haben das gesamte Gebiet um die Benediktenwand eingeteilt“, erklärt Nagel. Es gilt das Vier-Augen-Prinzip, also jeder Zählplatz muss mit zwei Personen besetzt sein. Mit Wärmebildkameras, Ferngläsern und Stativen ausgestattet, geht es los. An den Achselköpfen halten sich die Böcke sowie Geißen samt Kitzen gerne auf – Steilwände sind ihr natürliches Habitat. Aktuell ist Vorbrunftzeit, dann sind die Böcke viel unterwegs. Die genauen Plätze bleiben geheim. „Um Störungen zu vermeiden, wollen wir nicht noch mehr Touristen anlocken.“

Schweizer Tiere sollen frisches Blut in isoliert lebende Kolonie an der Benediktenwand bringen
Die isoliert lebende Kolonie hat seit dem Auswilderungs-Projekt – initiiert vom Kreisjagdverband Bad Tölz unter Federführung von Wolfgang Morlang und der Hochwildhegegemeinschaft Isarwinkel – an Bekanntheit gewonnen. Drei Böcke und sieben Geißen aus der Schweiz wurden an der Benediktenwand ausgesetzt, um frisches Blut in die Kolonie mit hohem Inzuchtgrad zu bringen. Aktuell kämpft man mit drei Störungsquellen. „Zum einen sollte man im gesamten Gebiet um die Achselköpfe nicht mit Hunden unterwegs sein“, sagt Robert Krebs, Leiter der Hochwildhegegemeinschaft Isarwinkel. Auch Übernachtungen am Berg seien kritisch zu bewerten. „Ich kann verstehen, dass Leute das gern machen. Aber es ist für die Tiere am Berg irritierend, und sie können aufgrund der Gerüche nachts keine Ruhe finden.“ Auch Gleitschirmflieger müsse man darauf aufmerksam machen, dass das Gebiet um die Achselköpfe nicht beflogen werden darf.

Dr. Iris Biebach ist Wildbiologin und Populationsgenetikerin aus Herrsching. Sie begleitet das Projekt für die Universität Zürich, steht aber auch den Betreuern vor Ort zur Seite. „Bei den Zählungen geht es in erster Linie darum, Daten zu sammeln, um die Populationsentwicklung im Blick zu haben. Frühestens in zehn Jahren können wir mit genetischen Analysen sehen, ob die Inzuchtrate reduziert wurde.“

Langsam geht die Sonne auf. Nagel setzt sein Fernglas ab. „Es wäre interessant zu sehen, wie viele Geißen mit Kitzen unterwegs sind.“ Besonders spannend sei hier der Blick auf die Schweizer Tiere. Diese erkennt man an Ohrenmarken. „Äntschi“ trägt etwa eine grün-blaue Markierung, während der zweijährige Bock „Anton“ durch eine orangefarbene Marke zu erkennen ist.
Ringe der Hörner zeigen das Alter
Nagel wandert routiniert über die Grasbuckel und kämpft sich mit Biebach weiter nach oben. Immer wieder bleiben sie stehen, halten Ausschau. „Manchmal sieht man das Wild mit dem bloßen Auge.“ Und da sind auch schon zwei. Hinter den Latschen auf den Achselköpfen erspäht Nagel die Tiere. Biebach stellt ihr Stativ auf, damit kann sie die edlen Tiere größer und genauer sehen. „Zwei alte Damen“, stellt Biebach sofort fest. Sie tragen keine Ohrenmarke, es sind also Einheimische. An den Ringen an den Hörnern lässt sich das Alter erkennen. Nagel notiert alles in einer Tabelle. Bis in den späten Vormittag streifen sie durch teils unwegsames Gelände. Sorgfältig wird jede Sichtung mit Uhrzeit und Ort notiert.
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Es bricht ein goldener Herbsttag an – mit viel Sonne. „Für die Zählung suboptimal“, meint Nagel. „Es ist ungewöhnlich warm für die Jahreszeit, und die Tiere haben bereits Winterfell. Daher halten sie sich an kühlen Plätzen auf und kommen nicht auf die Fläche raus.“
Im Frühjahr werden mehr Tiere gezählt als im Herbst
Das zeigt sich auch bei der Abschlussbesprechung in der „Landerer Mühle“. Hier treffen sich alle Zähler und bringen ihre Listen mit: Krebs rechnet mit dem Steinwildbeauftragten, Anton Wasensteiner, alles zusammen. Insgesamt wurden 51 Tiere gesichtet. 18 Böcke, 26 Geißen und 7 Kitze. „Leider waren keine Schweizer dabei“, sagt Krebs. Kein Grund zur Sorge. Immerhin wurden die Neuankömmlinge in den vergangenen Wochen von den Jägern regelmäßig gesehen. „Es ist eine Momentaufnahme.“ Die Zahl bei der Herbstzählung sei immer geringer als im Frühjahr. Während im Herbst 2023 circa 65 Tiere gezählt wurden, waren es im vergangenen Frühjahr 100 Stück. „Wir können aus der Zählung nur ableiten, dass die Population stabil ist und die Daten sammeln.“
Um die Entwicklung weiter zu erforschen, teilt Biebach Probenentnahme-Sets aus, falls jemand an einer frischen Kitz-Losung (Kot) vorbeikommt. „Dadurch könnten wir mit DNA-Tests bestimmen, ob die Losung von einem Schweizer Tier ist, und so sehen, ob es schon zu Kreuzungen zwischen den Kolonien gekommen ist.“ Das ist das Ziel des Projekts, das vor Kurzem den Umweltpreis des Landkreises erhalten hat.