Motten und Reismehlkäfer krabbeln Prüfer entgegen: Ekel-Erlebnis in beliebter bayerischer Bio-Brauerei

  1. Startseite
  2. Bayern
  3. Regensburg & Oberpfalz

Kommentare

Die Bio-Brauerei Riedenburger im Altmühltal steht in der Kritik. Die Lebensmittelhygiene war bei einer Kontrolle nicht so, wie sie sein sollte. Jetzt zog es den Chef vor Gericht.

Regensburg – Hergestellt unter Bedingungen, die beim Verbraucher Ekel oder Widerwillen hervorrufen würden, wenn er darüber Bescheid wüsste. So beurteilte das Amtsgericht Kelheim die Zustände im Riedenburger Brauhaus im Altmühltal bei einer Kontrolle am 23. August 2022 und bestätigte damit einen Strafbefehl über 120 Tagessätze zu 95 Euro gegen den Brauerei-Chef.

„Reinheitsgebot stets eingehalten“: Das Gericht sah das Endprodukt trotz der massiven Hygienemängel, im Bild ein Reismehlkäfer, nicht in Gefahr.
„Reinheitsgebot stets eingehalten“: Das Gericht sah das Endprodukt trotz der massiven Hygienemängel, im Bild ein Reismehlkäfer, nicht in Gefahr. © Imago

Lebensmittelkontrolleur im Zeugenstand: So schlimm wie in kaum einer anderen Brauerei im Landkreis

Der Juniorchef Michael Krieger wollte sich das nicht gefallen lassen und zog vor das Landgericht Regensburg. Dort beschrieb ein Kontrolleur der Lebensmittelüberwachung die Zustände, die er und ein Fachkontrolleur des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit an jenem Tag in der Bio-Brauerei vorfanden.

Er kenne alle elf Brauereien, die es im Landkreis Kelheim gebe, ziemlich gut, so der Zeuge. Doch so etwas habe er allenfalls einmal in einer anderen Brauerei festgestellt.

Spinnweben, Schimmel, Rost und Feuchtigkeit: Fast jedes Jahr gab es Beanstandungen

Spinnweben, dicke Staubschichten, Rost, Nässe und Schimmelflecken in verschiedenen Lager- und Produktionsräumen. Mängel, die sich beheben lassen und die so oder so ähnlich offenbar schon häufiger vorgekommen sind. Das Urteil des Amtsgerichts Kelheim listet diverse, teils mit Bußgeldern versehene Auflagenbescheide des Landratsamts aus den Jahren 2016, 2018, 2019 und 2020 auf.

Was den Kontrolleuren am 23. August 2022 aber besonders auffiel und den Kontrolleuren ins Auge stach, war der massive Schädlingsbefall, den sie im Sudhaus und im Hopfenkeller feststellten, vor allem aber in der Schrotmühle, wo das Braumalz zerkleinert wird.

(Übrigens: Unser Regensburg-Newsletter informiert Sie über alle Entwicklungen, News und Geschichten aus der Weltkulturerbe-Stadt.)

Insekten in der Schrotmühle: „Es hat wirklich keine Stelle gegeben, wo wir keine gefunden haben.“

Außen seien tote Insekten herumgelegen, berichtet der Lebensmittelkontrolleur im Zeugenstand. Als er und sein Kollege die Mühle geöffnet hätten, seien ihnen Motten und Reismehlkäfer entgegengefallen und herausgekrabbelt. Selbst im Probennehmer, über den das zerkleinerte Schrot kontrolliert wird, seien Käfer gewesen. „Es hat wirklich keine Stelle gegeben, wo wir keine gefunden haben.“

Gefährlicher Schädling Reismehlkäfer


Der Reismehlkäfer (Tribolium castaneum) ist ein kleiner Käfer, der zur Familie der Schwarzkäfer gehört und weltweit als Vorratsschädling bekannt ist. Sein Hauptlebensraum sind Getreideprodukte wie Mehl, Getreide, Reis, Nüsse und Futtermittel. Die Käfer haben eine bräunlich-rote Färbung und erreichen eine Größe von etwa 2-4 mm.

Der Reismehlkäfer kann erheblichen Schaden in Lagerhäusern und Vorratslagern anrichten, indem er sich von den Nahrungsmitteln ernährt und sie kontaminiert. Die Weibchen legen ihre Eier in den Vorräten ab, und die Larven entwickeln sich in den Lebensmitteln, indem sie diese durchdringen und verunreinigen. Die Käfer sind in der Lage, sich schnell zu vermehren, und ihre Anwesenheit kann zu Qualitätsverlusten, Gewichtsverlusten und erheblichen wirtschaftlichen Schäden führen.

Die Bekämpfung des Reismehlkäfers erfordert eine sorgfältige Lagerung von Lebensmitteln, um die Ausbreitung zu verhindern. Dies kann durch regelmäßige Inspektionen, Sauberkeit, Kühlung oder Trocknung der Lagerbestände sowie durch den Einsatz von Insektiziden erfolgen.

Ein Protokoll, demzufolge die Anlage erst wenige Tage zuvor gereinigt wurde, habe sich als falsch herausgestellt. Der zuständige Mitarbeiter ihm gegenüber zugegeben, dass er gar nichts geputzt, sondern lediglich in der Liste abgezeichnet habe, erzählt der Kontrolleur.

Kontrolle in Bio-Brauerei: „Wir haben die Mühle sofort gesperrt.“

„Wir haben die Mühle sofort gesperrt.“ Der Brauerei habe man noch die Möglichkeit gegeben, die Anlage zu reinigen, bis die Kontrolle abgeschlossen war, um dann nochmals zu prüfen. Doch das sei „nicht so erfolgreich“ gewesen. Man habe wieder noch Käfer in einem Rohr gefunden, wo man „nur mal den Staubsauger reinhalten“ hätte müssen. Die Produktion stand also weiter still. „Ich bin dann extra nachmittags noch einmal hingefahren, damit die Schrotmühle wieder freigegeben werden kann.“

Ein Entgegenkommen, das auf Gegenseitigkeit beruhte. Auch der Brauerei-Chef sei „wirklich kooperativ“ und alles andere als schwierig gewesen.

Nach Kontrolle in Bio-Brauerei: Auflagenbescheid und Strafbefehl

„Er hat gleich eingeräumt, dass da was schiefgelaufen ist“, so der Kontrolleur. „Aber da war es eben schon passiert.“ Und das sei nicht zum ersten Mal so gewesen. „Es geht nach jeder Routinekontrolle wieder von vorne los.“

Nach der Kontrolle im August 2023 blieb es mal nicht bei einem bußgeldbewehrten Auflagenbescheid des Landratsamts, den der Brauerei-Chef akzeptierte und die Auflagen erfüllte, sondern es folgte ein nun gerichtsmassiger Strafbefehl.

Bio-Brauer vor Gericht versichert: Käfer kamen mit Bier nicht in Berührung

Der 43-Jährige erklärt einige Zustände in dem Brauhaus damit, dass es sich um ein historisches Gebäude handle, direkt am Felsen gebaut. Da träten schon mal bauliche Mängel auf. Kurz vor der Kontrolle habe es dann noch ein Starkregenereignis gegeben, verbunden mit Wassereinbrüchen. Manchmal habe er auch zu wenig Mitarbeiter.

Ansonsten sei die Bio-Brauerei ein handwerklicher Betrieb, der regelmäßig gereinigt werde. „Anders als hygienisch würde es auch gar nicht gehen. Da würde uns das Bier umkippen.“

Käfer, Staub und Schmutz seien auch nicht in Berührung mit dem Produkt gekommen. Und den Käferbefall in der Schrotmühle habe man im Vorfeld der Kontrolle selbst nicht festgestellt. Warum das so gewesen sei, könne er nicht beurteilen.

Kontrolleur erklärt Brauerei-Chef: „Dass die Schrotmühle ein Schwachpunkt ist, weiß ein jeder Brauer.“

Der 43-Jährige kam 2015 als Junior-Chef ins Familienunternehmen und führt seit 2021 alleine die Geschäfte. Er ist zwar selbst ausgebildeter Brauer und Mälzer, hat Erfahrung als Braumeister im Ausland, in der heimischen Bio-Brauerei aber ist er im Wesentlichen als Geschäftsführer tätig.

Wie oft denn die anderen Brauereien ihre Schrotmühlen reinigen würden, will er von dem Lebensmittelkontrolleur im Zeugenstand wissen. Der stutzt ein wenig, sagt, dass man die Mühle eigentlich nach jedem Gebrauch reinige. „Dass die Schrotmühle ein Schwachpunkt ist, weiß ein jeder Brauer. Da ist die Gefahr von Motten und Reismehlkäfern sehr groß.“

Kontrolleur im Zeugenstand: „Außergewöhnlich massiver Schädlingsbefall kommt nicht von heute auf morgen“

Ein „außergewöhnlich massiver Schädlingsbefall“, wie man ihn damals festgestellt habe, entstehe auch „nicht von heute auf morgen“. Das dauere schon länger. „Auch wenn man vielleicht zu wenig Mitarbeiter hat, muss man seinen Betrieb trotzdem sauber halten. Als verantwortliche Person muss ich halt auch mal selber durchgehen.“

Nach der Vernehmung des Zeugen spricht Vorsitzender Richter Matthias Clausing Klartext. Die Kammer gehe mindestens von bewusster Fahrlässigkeit aus, möglicherweise handle es sich um bedingten Vorsatz – ein Grenzfall.

Schwierige Frage: Straftat oder Ordnungswidrigkeit

Der entscheidende Unterschied: Bei bewusster Fahrlässigkeit, dass also – etwas flapsig ausgedrückt – der Brauerei-Chef bei der Reinigung wissentlich schlampen ließ mit der Annahme, dass schon nichts passieren werde, handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit. Bei bedingtem Vorsatz, also dass der Brauerei-Chef den Schädlingsbefall zumindest billigend in Kauf genommen hat, handelt es sich um eine Straftat.

Von einem vorsätzlichen Handeln ging auch der zunächst verhängte und vom Amtsgericht Kelheim bestätigte Strafbefehl über 120 Tagessätze aus. „Etwas happig“ sei das schon, sagt Richter Clausing. Immerhin liege der maximale Strafrahmen bei einem Jahr Freiheitsstrafe – also drei Mal so viel.

Vorsitzender Richter warnt vor aufwändigem Prozess

Um tatsächlich festzustellen, ob Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorliege, müsse man den Prozess völlig anders, aufwändiger aufziehen, so Clausing. Da brauche es unter anderem Gutachten zu den hygienischen Zuständen, aber auch weitere Zeugenvernehmungen. „Das kostet Geld, Zeit und es ist unklar, ob es damit endet.“

Der Kammervorsitzende regt an, die Berufung auf das Strafmaß zu beschränken – also auf die Anzahl der Tagessätze. Damit würde der Brauerei-Chef die Vorwürfe, vor allem aber den den Vorsatz, zwar einräumen, andererseits könnte man sich mit der Staatsanwaltschaft darauf verständigen, eine Strafe von maximal 90 Tagessätze zu fordern – also eine Vorstrafe zu vermeiden.

Rechtsanwalt von Brauerei-Chef: „Das hätte auch mit einer Ordnungswidrigkeit erledigt werden können.“

Verteidiger Johann Semmelmayer hat zwar einige Einwände. Es sei die Frage, ob sein Mandant sich die Versäumnisse von Beschäftigten strafrechtlich zurechnen lassen müsse. Es sei schon „sehr, sehr streng“, das in die Geschäftsleitung zu tragen. „Das hätte auch mit einer Ordnungswidrigkeit erledigt werden können“, merkt der Rechtsanwalt an. Am Ende aber lassen sich alle Beteiligten auf die vorgeschlagene Verständigung ein.

Nach kurzer Beratung verhängt die Kammer nun eine Geldstrafe von 60 Tagessätze zu 95 Euro und halbiert damit nicht nur die Strafe des Amtsgerichts Kelheim, sondern bleibt auch deutlich unter der Forderung der Staatsanwaltschaft von 90 Tagessätzen.

Gericht glaubt: Reinheitsgebot stets eingehalten

„Wir habe ganz gewaltig zugunsten des Angeklagten berücksichtigt, dass die Beschränkung seiner Berufung einem Geständnis gleichkommt, obwohl er sich selbst nur wenig Schuld bewusst ist“, sagt Matthias Clausing zur Begründung. Dadurch sei ein möglicher Mammut-Prozess vermieden worden.

Das Gericht rechnet dem Angeklagten ebenfalls strafmildernd an, dass die Hygieneprobleme rasch behoben wurden, er gegenüber den Kontrolleure stets kooperativ war und er sich wohl einfach nur „zu wenig gekümmert“ habe. „Außerdem gehen wir davon aus, dass das Reinheitsgebot stets eingehalten wurde.“

Die Gerichtskosten teilen sich Angeklagter und Staatskasse jeweils zur Hälfte.

Mehr News finden Sie in unserer Merkur.de-App, jetzt im verbesserten Design mit mehr Personalisierungs-Funktionen. Direkt zum Download, mehr Informationen gibt es hier. Sie nutzen begeistert WhatsApp? Auch dort hält Sie Merkur.de ab sofort über einen neuen Whatsapp-Kanal auf dem Laufenden. Hier geht‘s direkt zum Kanal.

Auch interessant

Kommentare