„Vielleicht gibt es einen Wandel“: US-Student über die Präsidentschaftswahl in den USA
Wenn die US-Amerikaner im November ihren Präsidenten wählen, geht Connor Corley erstmals an die Urne. Der 21-jährige Student besucht gerade die Summerschool der Kansas-University in Holzkirchen. Wir trafen ihn zum Gespräch über die Politik seines Landes.
Connor Corley kommt gerade vom Grammatik-Unterricht in den Räumen der Vhs, wo die Summerschool unter der Leitung von Professorin Andrea Meyertholen stattfindet, die an diesem Samstag nach nunmehr fünf Wochen zu Ende geht. Das Passiv und der Konjunktiv II standen auf der Agenda an diesem heißen Sommertag, außerdem Lektüre und Symbolik des Grimm‘schen Märchens „Schneewittchen“. Am Nachmittag geht‘s dann im Rahmen des Kulturunterrichts nach Aying zu einer Brauereiführung.
„Wenn ich in die USA zurückkehre, werde ich mich erst einmal gründlich mit den politischen Ereignissen dort auseinandersetzen“, sagt Corley, der über seine Liebe zum Fußball die deutsche Sprache und Kultur entdeckt hatte. „Deutschland hat eine große Fußballkultur“, schwärmt er, der in seiner Heimat regelmäßig auch Bundesliga-Spiele guckt. Die US-Politik dagegen sei während seines Aufenthalts in Holzkirchen in den Hintergrund gerückt – bis sie der Anschlag auf Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt im Bundesstaat Pennsylvania am Samstag auf schockierende Weise wieder präsent gemacht hat: „Das ist furchtbar und sehr traurig“, sagt Corley. „Man muss sich fragen, wie das passieren konnte.“ Er habe versucht, so viel wie möglich über das Attentat und die Hintergründe zu erfahren und könne es immer noch nicht fassen. „Das ist schlimm für die USA und die Demokratie.“
Überrascht habe ihn, wie viel deutsche Medien über US-amerikanische Politik berichten. „Medien in den USA berichten deutlich weniger über deutsche Politik“, sagt Corley. Der 21-Jährige ist bei der Präsidentschaftswahl am 5. November Erstwähler. Er blickt dem Ereignis mit Skepsis entgegen. „Ich habe das Gefühl, meine Wahl bedeutet nicht viel.“ In einem politischen System, das im Grunde nur zwei Parteien kenne, sei die Wahl einer dritten Partei ohnehin nicht erfolgversprechend.
Noch habe er allerdings keine Entscheidung getroffen. Das TV-Duell zwischen dem Kandidaten der Republikaner und dem der Demokraten hat der junge US-Amerikaner in einer Zusammenfassung gesehen. „Es war enttäuschend. Zwei alte Männer, die über Golf gesprochen haben.“ Und selbst in jenen Momenten der Debatte, in denen sich die Kandidaten mit relevanten Themen befasst hatten, sei es primär nur darum gegangen, den Kontrahenten schlecht dastehen zu lassen. „Es ging nicht um die Sache“, so Corley. Dabei gebe es viele Dinge in seinem Land, die im Argen lägen. „Die Gesundheitspolitik zum Beispiel.“ Es dürfe nicht sein, dass ein Medikament wie Insulin, das für Diabetiker lebensnotwendig sei, derart teuer sei, meint Corley, der neben Deutsch auch Biochemie als zweites Hauptfach studiert und Apotheker werden möchte. Oder Infrastrukturprobleme. Der Bundesstaat Arkanas, wo Corley studiert, sei groß, aber dünn besiedelt, weshalb der Infrastrukturausbau schwächle und die Landstraßen schlecht seien. „In der Hauptstadt Little Rock besteht seit vielen Jahren eine Baustelle, die einfach nicht fertig wird, weil das Geld fehlt.“ Zugleich fließe viel Geld in Waffen für Staaten wie die Ukraine oder Israel, die sehr weit weg seien. „Wir sollten uns fragen, wie viel Geld wir für Konflikte ausgeben, die nicht unsere sind“, sagt Corley und fügt hinzu: „Wir sollten aufhören, Weltpolizei zu spielen.“
Dass Donald Trump der Ukrainehilfe kritisch gegenüber steht, ist für ihn jedoch kein Argument zugunsten des Kandidaten der Republikaner. „Trump wähle ich auf keinen Fall“, sagt Corley, „aber Biden wahrscheinlich auch nicht.“ Es komme darauf an, was noch alles passiere, aber derzeit tendiere er zur Wahl einer dritten Partei. Das sei immerhin ein Signal an Republikaner und Demokraten. „In den USA gibt es viele Menschen, die unzufrieden sind, gerade die Jungen“, sagt Corley. „Wenn sie das bei der Wahl zeigen, gibt es vielleicht einen Wandel.“