Die Direktorin der Europäischen Zentralbank (EZB), Isabel Schnabel, hat vor allzu raschen Zinssenkungen in der Eurozone gewarnt. Zwar könne die EZB ihre Geldpolitik weiter lockern, doch solle dies nur schrittweise erfolgen, erklärte Schnabel gegenüber der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Ich würde davor warnen, zu weit zu gehen“, betonte sie.
Ein übermäßiger Rückgang der Zinsen könnte dazu führen, dass sie unter das neutrale Niveau fallen, erläuterte Schnabel. Das neutrale Zinsniveau beschreibt einen Zustand, in dem die Leitzinsen weder die Konjunktur bremsen noch anschieben.
Seit Juli hat die EZB dreimal die Leitzinsen gesenkt
Schnabel schätzt diesen Bereich auf zwei bis drei Prozent. Eine Senkung der Zinsen in einen akkommodierenden Bereich, in dem die Wirtschaft stimuliert wird, hält sie aus aktueller Sicht für nicht angemessen.
Seit der Zinswende im Juli hat die EZB die Leitzinsen bereits dreimal gesenkt. Der Einlagensatz, den Banken für überschüssige Gelder bei der Zentralbank erhalten, liegt derzeit bei 3,25 Prozent – ein wichtiger Richtwert für die Finanzmärkte. Angesichts der zuletzt enttäuschenden Konjunkturdaten aus der Eurozone wird an den Börsen mit weiter sinkenden Zinsen gerechnet. Die nächste Zinsentscheidung der EZB steht am 12. Dezember bevor.
Chefvolkswirt der EZB spricht sich für weitere Zinssenkungen aus
Philip Lane, der Chefvolkswirt der EZB, hatte sich erst am Montag für weitere Zinssenkungen ausgesprochen, um die Wirtschaft zu stützen. „Wir legen uns nicht im Voraus auf ein genaues Tempo der Senkung fest, aber wir werden unsere Zinsen schrittweise senken müssen“, sagte Lane der französischen Finanzzeitung „Les Echos“. Seiner Meinung nach sollte die Geldpolitik nicht zu lange restriktiv bleiben, da dies das Wirtschaftswachstum behindern könnte.
Im Gegensatz dazu warnte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel erneut vor zu hastigen Zinssenkungen. „Es gilt weiter, vorsichtig zu sein und die Geldpolitik nur graduell und nicht zu schnell zu lockern“, erklärte er in Dortmund. Nagel wies darauf hin, dass die Zollpläne des designierten US-Präsidenten Donald Trump auch in Europa eine höhere Inflation bewirken könnten. Außerdem könnte das Lohnwachstum in der Eurozone, welches die Preise von Dienstleistungen beeinflusst, langsamer zurückgehen als erwartet.