Debatte um Faktenchecks - Nach FOCUS-online-Kolumne von BR-Reporterin meldet sich ihr Chef zu Wort
Die Artikel der FOCUS-online-Kolumnistin Julia Ruhs, die auch als Journalistin für den Bayerischen Rundfunk (BR) tätig ist, sind stets meinungsstark und kontrovers. In ihrem jüngsten Text kritisiert Ruhs, dass Faktenchecks auf Plattformen wie Facebook und Instagram nicht immer neutral seien, sondern dabei politische Vorurteile und Gesinnungen eine Rolle spielen könnten.
Sie verweist auf die angekündigte Kehrtwende von Mark Zuckerberg, der Faktenprüfungen durch sogenannte „Community Notes“ ersetzen will. Dieses System ermöglicht es den Nutzern von Social-Media Plattformen, selbst Kontextinformationen zu Beiträgen hinzuzufügen. Ruhs Fazit: Weniger Kontrolle und mehr offene Debatten könnten dabei helfen, die starke Meinungspolarisierung im Netz zu überwinden und der Demokratie dienlich sein.
"Demokratische Meinungsbildung braucht verlässliche Grundlagen"
Das sieht ihr Chefredakteur Christian Nitsche vom BR offensichtlich ganz anders. Auf „LinkedIn“ schreibt er unter Ruhs Post zum Artikel:
„Journalistische Faktenchecks sind eine notwendige Reaktion auf die seit Jahren geübte, gezielte Verbreitung von Falschbehauptungen. Eine Gesellschaft, die sich nicht mehr orientieren kann, was gesichert ist oder klar falsch, verliert Stabilität. Demokratische Meinungsbildung braucht verlässliche Grundlagen. Eine Demokratie, die über Desinformation in den Fundamenten erschüttert werden soll, muss auch wehrhaft sein. Deswegen wird die ARD nach der Ankündigung von Zuckerberg auch die eigenen Anstrengungen im Bereich des Factchecking verstärken.“
Darunter postet Nitsche einen Artikel vom „BR“-Faktencheck-Format „#Faktenfuchs“, der auf Alice Weidels kürzlich getätigte falsche Aussage Bezug nimmt, Hitler sei ein Kommunist gewesen. Kein Journalist, „der nicht komplett geschichtsvergessen“ sei, könne das so stehen lassen.
Doch für Ruhs geht die Diskussion über solche klaren Fälle hinaus. Das genannte Hitler-Beispiel sei „eher unstrittig“, antwortet sie ihrem Chef via LinkedIn. Es gebe aber Beispiele, die nicht so eindeutig seien: „In der Corona-Zeit die zur Impfung beispielsweise. Am Ende war doch mehr dran an den Nebenwirkungen, als auch Faktenchecker uns weismachen wollten. Es wirkte eher wie das Unterdrücken von Zweifeln, daher mein Unbehagen“, so Ruhs.
„Zuckerbergs Vorstoß mag komplett opportunistisch sein"
Menschen fühlten sich durch die Faktenchecks „verfolgt in ihrem Denken, in ihren Meinungen“. Und glaubten dann möglicherweise aus „einer Art Reaktanz“ erst recht daran, dass Hitler Kommunist war. „Zuckerbergs Vorstoß mag komplett opportunistisch sein“, antwortet Ruhs ihrem Chef. „Aber der Satz, dass Faktenchecker mehr Misstrauen geschürt haben, als sie je Vertrauen schaffen konnten, birgt viel Wahres.“
In ihrem Artikel habe sie sich außerdem nirgendwo auf die „ARD“ oder den „BR“ bezogen, es gehe vielmehr um Faktenchecks auf Social Media.
Hier prüften in Deutschland etwa das investigative Medienunternehmen „Correctiv“ und die „Deutsche Presseagentur“. „Und ich glaube es ist berechtigt, dass manche auch bei uns beim Nennen eines Mediums wie Correctiv nicht gerade Vertrauen darauf haben, dass es politisch neutral zugeht“, ergänzt Ruhs.