Blicke in Künstler-Bleiben im Fünfseenland und darüber hinaus
Wie leben und lebten Künstler? Was sagt das über ihr Schaffen aus? Ulrike Myrzik und Katja Sebald stellen in ihrem neuen Buch bekannte und unbekannte Häuser vor - auch aus dem Fünfseenland.
Berg – Neugierige aufgepasst: Dies ist das perfekte Buch für alle, die gerne Häuser inspizieren und hinter fremde Türen schauen wollen. „Künstler Innen – Häuser Außen“ heißt der Band, der Tür und Tor öffnet in die Wohngemächer, in die Arbeit und manchmal auch in die Seelen der Kreativen. Die Fotografin Ulrike Myrzik und die Autorin Katja Sebald aus Berg haben 30 Häuser von Künstlerinnen und Künstlern in Oberbayern porträtiert. Da wird mal hinlänglich Bekanntes wie Lenbachhaus oder Villa Stuck mit ganz intimen Bildern und vielen Anekdoten als persönliche Geschichte neu betrachtet, da werden mal weniger bekannte Kleinode wie das Bauernhaus von Lisa Reitmeier und Benedikt Hipp in Finning entdeckt oder auch moderne, prämierte Häuser wie das von Hans Panschar in Berg erklärt.
Die Kapitel funktionieren dabei in mehrerlei Hinsicht: Sie sind ein Stück populär erzählte (Kunst-)Geschichte, sie sind persönliche Annäherungen, sie sind Bildspaziergänge, und sie bieten gute Ideen für die nächsten Ausflüge. Doch Achtung! Nicht alle Häuser sind so ohne Weiteres öffentlich zugänglich. Und auch wenn naturgemäß ein Schwerpunkt rund um Starnberger und Ammersee liegt, so betont die Autorin aus Berg: „Bei Sebald denken sicher alle, das ist jetzt ein Starnberg-Buch. Das ist es aber nicht.“

Von München über Gelting bis Polling oder Ohlstadt mit einigen weiteren Abstechern erstreckt sich das Einzugsgebiet. Land- und Stadtvillen, verwunschene Altbauten, moderne Einfamilienhäuser, Ateliers und mittlerweile museale Wirkungsstätten zeigen dabei auch den Wandel, der sich bezüglich der Stellung und dem Ansehen der Künstler vollzogen hat. Die Residenzen der „Malerfürsten“ um 1900 wichen den (vermeintlichen) Landidyllen. Vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg änderten sich die Bedingungen radikal: Das Landleben war billiger, die Künstler „wohnten in einfachen Häuschen mit bescheidenen Atelierräumen“, schreibt Sebald in der kurzen Einführung. „Nicht selten bezahlten sie ihre Rechnungen beim Metzger und beim Bäcker mit Bildern oder malten die Kinder von Bauern und Geschäftsleuten.“ Dennoch stellt die Kunsthistorikerin fest: „Das Wohn- und Arbeitshaus einer Künstlerpersönlichkeit ist mehr als ein Dach über dem Kopf. Es ist selbst gestaltetes Refugium, Zuflucht und Kreativraum. Es ist zugleich ein Ort der Selbstdarstellung, nicht selten ein eindrucksvoller ,Showroom’, in dem der Künstler sich und sein Werk der Welt präsentiert.“
Autorin und Fotografin lassen dabei ihren persönlichen Eindrücken genügend Raum, um das Werk nicht sachlich oder wissenschaftlich, sondern erzählerisch zu gestalten. Natürlich gehören dazu auch die Viten der Künstler, teils auch die Ortsgeschichte. Spannend wird es vor allem immer dann, wenn die Kreativen selbst zu Wort kommen. Hiervon hätte es ruhig noch mehr sein können. So zum Beispiel ist Rosemarie Zachers Statement, die in einem unglaublichen Sammelsurium in Gauting lebt, absolut erhellend: „Ich genieße die Kompliziertheit des Menschseins.“
Allein im Fünfseenland reicht die Bandbreite der Künstlerdomizile von Zachers Sammlerwelt über Hans Panschar in Berg, Juschi Bannaski und Roman Woerndl in Aufkirchen und Mary und Christoph Möller in Dießen bis hin zu den Wunderwelten Lothar-Günther Buchheims in Feldafing. Dort subsumiert Sebald die Geschichte des mittlerweile abgerissenen Wohn- und Verlagshauses, wovon Teile ins Museum übertragen wurden, folgendermaßen: „Es ist wohl eine Ironie des Schicksals, dass die Feldafinger, die den Bau des Museums in ihrem Ort einst per Bürgerentscheid verhindert hatten und dafür von Buchheim als ,Gulliratten’ beschimpft wurden, nun auch sein Wohnhaus, für dessen Erhalt sie sich 20 Jahre später mit Vehemenz einsetzten, an Bernried abtreten mussten.“ Manche Episoden der Geschichte sind einfach so, dass man sie immer wieder erzählen muss.
„Künstler Innen – Häuser Außen“: Ulrike Myrzik/Katja Sebald, 264 S., mehr als 200 farbige Abb., Allitera Verlag, 48,00 Euro