VW „bisschen langweilig“: BYD und Co. laufen deutschen Autobauern in China den Rang ab

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Inmitten chinesischer Marken stellen auf der Auto Shanghai auch VW und Co. aus. Aber wie denken potenzielle Käufer über deutsche Ingenieurskunst?

Shanghai – Erst waren die Fachbesucher an der Reihe, seit diesem Sonntag nun darf jeder auf die Auto Shanghai, Chinas größte Automesse. So wie Jia Luo, der aus Hangzhou angereist ist, rund eine Zugstunde entfernt. Er sei ja eigentlich ein großer Autofan, sagt der 35-Jährige. Aber von Maextro habe er noch nie etwas gehört. Luo steht vor dem S800, dem bislang einzigem Modell des chinesischen Luxusherstellers, und macht ein Selfie mit dem dunkelblauen Nobelschlitten, für den Preise weit jenseits der 100.000 Euro aufgerufen werden. Dann zieht er weiter.

Man hört das oft, wenn man durch die völlig überfüllten Messehallen im Westen von Shanghai läuft: ungläubiges Staunen über all die vielen Marken, die hier ausstellen, aber die niemand kennt, nicht einmal in ihrer chinesischen Heimat. Was sicher auch daran liegt, dass sich die Fahrzeuge oft zum Verwechseln ähnlich sehen. Zeekr heißen sie oder Avatr oder Jetour, und so generisch wie die Namen wirkt oft auch das Design.

BYD-Luxusmarke, Geekym Aion: Auto-Marken aus dem Bode geschossen

Im vergangenen Jahr hatten in China 86 Automarken insgesamt 327 reine Elektromodelle im Angebot. Hinzu kommen Dutzende Verbrenner. Auf den Straßen von Peking oder Shanghai sieht man indes meist die immer selben chinesischen Elektrofahrzeuge, von BYD, Geely, Aion oder Roewe etwa. Auch Densa, die jüngst in Europa gestartete Luxusmarke von BYD, entdeckt man oft. Die Automodelle des Smartphone-Herstellers Huawei wiederum - sie firmieren unter Markennamen wie Stelato oder Aito - stehen in den Filialen des Herstellers gleich neben den neuesten Smartphonemodellen.

Auf der letzten Auto Shanghai, vor zwei Jahren, rieb sich so mancher deutsche Manager verwundert die Augen über all die Marken, die aus dem Boden geschossen waren. Gut möglich aber, dass manche Marke, die dieser Tage auf der Messe in Shanghai zu bewundern ist, im nächsten Jahr schon pleite ist. Analysen rechen damit, dass nur rund zehn Prozent überleben werden.

VW auf der Auto Shanghai: „Bisschen langweilig“

Beinahe so, als wollten sie der Schnelllebigkeit des chinesischen Marktes etwas entgegensetzen, haben die deutschen Hersteller nicht nur ihre neuesten Modelle nach Shanghai mitgebracht. Sondern auch Klassiker, wie etwa BMW mit dem 1500, der sogenannten Neuen Klasse. Ob der Verweis auf das eigene Erbe reicht, um chinesische Kunden auch in Zukunft für Autos aus Deutschland zu begeistern? 

Ein bisschen langweilig sehe er aus, sagt eine junge Frau über den VW Magotan, das chinesische Pendant zum Passat. Vor allem von innen. Dabei haben sich die Deutschen in den letzten Jahren beeilt, sich an den chinesischen Geschmack anzupassen. Das heißt zum Beispiel: große Bildschirme im Inneren, allerlei technische Spielereien, ausgefeiltere Software. Und mehr Platz auf der Rückbank.

Volkswagen ist nicht mehr Branchenführer in China

Die meisten Autos setzt in China mittlerweile dennoch nicht mehr Volkswagen ab, der langjährige Branchenführer. Sondern BYD aus Shenzhen. Im vergangenen Jahr verkauften die Wolfsburger neun Prozent weniger Fahrzeuge als 2023, bei Mercedes (minus 9 Prozent) und BMW (minus 13 Prozent) war der Einbruch noch dramatischer. BYD hingegen konnte alleine im ersten Quartal dieses Jahres 19 Prozent mehr Fahrzeug absetzen als im Vorjahresquartal, Geely sogar 58 Prozent mehr. Der Hersteller aus Hangzhou ist in der Statistik der erfolgreichsten Autobauer in Rekordgeschwindigkeit auf Platz drei geklettert, dicht hinter VW. Was vor allem daran liegt, dass die in Deutschland noch immer hitzig geführte Debatte, ob die nahe Zukunft dem Elektromotor oder dem Verbrenner gehört, in China längst zugunsten ersterem ausgegangen ist: Seit Mitte vergangenen Jahres werden in der Volksrepublik erstmals mehr Elektro- und Hybridfahrzeuge verkauft als Verbrenner.

Und da sind es die heimischen Marken, denen viele Chinesen den Vorzug geben. „Deutsche Technik war mal einzigartig“, sagt ein 53-Jähriger aus Shanghai, den man am Stand von BMW trifft. „Aber heute können wir das genauso gut.“ Wir - das sind für ihn BYD und Co., wie er sagt.

Deutsche Marken auf der Auto Shanghai: Mercedes entwickelt Modell speziell für China

Den größten Automarkt der Welt wollen die Deutschen der chinesischen Konkurrenz freilich nicht so ohne weiteres überlassen. Also haben sie mehrere Modelle nach Shanghai mitgebracht, die speziell in China und für China entwickelt wurden. Mercedes etwa den CLA in einer Langversion, Volkswagen drei Fahrzeuge der ID-Reihe. Den drastischsten Schritt aber hat Audi gemacht und für den chinesischen Markt eine eigene Schwestermarke entwickelt, für die sogar die ikonischen vier Ringe einem schnöden AUDI-Schriftzug weichen mussten. Die Not muss groß gewesen sein in Ingolstadt, um einen derart gewichtigen Teil der eigenen Geschichte einfach zu entsorgen.

Der AUDI-Audi kommt jedenfalls an in Shanghai, er ist ein absoluter Publikumsmagnet. Gut sehe das Fahrzeug aus, sagt eine junge Frau, die vor dem AUDI mit Smartphone und Ringlicht ein Kurzvideo für die Plattform Douyin dreht. Was wohl vor allem daran liegt, dass sich der AUDI zumindest optisch kaum unterscheidet von der chinesischen Konkurrenz um ihn herum. Erfolg durch Nachahmung - so weit ist es schon gekommen für die deutschen Autobauer. (sh)

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