Die AfD und das BSW sorgen nicht nur mit ihren Inhalten für Kritik – immer wieder auch mit den Politikerinnen und Politikern in den Reihen der Parteien. Weil die Fraktionen von AfD und BSW nach den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg stark gewachsen sind, sitzen nun besonders viele neue und alte Abgeordnete mit dubiosen und kuriosen Vorgeschichten in den Parlamenten. FOCUS online stellt einige von ihnen vor.
Wiebke Mushal (AfD) hat den Landtag betrogen und mit Vollverschleierung provoziert
Die Thüringer AfD wollte Wiebke Muhsal als Landtagspräsidentin durchsetzen. Das ist vor allem deshalb als Provokation zu verstehen, weil die Abgeordnete bereits wegen Betrugs des Landtages verurteilt wurde. Wie Gerichte mehrerer Instanzen festgestellt haben, hatte Muhsal 2014 den Arbeitsvertrag einer Mitarbeiterin ihres Abgeordnetenbüros zwei Monate vordatiert.
Die beiden Monatsgehälter, die der Landtag unwissentlich zu viel zahlte, strich sich die AfD-Politikerin selbst ein. Davon finanzierte sie unter anderem Computertechnik und Büromöbel. Für den Betrug musste sie 8000 Euro Strafe zahlen. Bei der darauffolgenden Landtagswahl kandidierte Muhsal dann nicht mehr. Für die Wahl in diesem Jahr fühlte sich die Juristin aber offenbar in der Partei rehabilitiert.
Auch in Landtagssitzungen ist Muhsal schon aufgefallen. Im September 2016 hüllte die Höcke-Vertraute sich in einen Niqab und betrat damit vollverschleiert den Plenarsaal während einer Debatte. Die angebliche Protestaktion „gegen die Entwürdigung der Frau durch die Vollverschleierung“ ließ sie von einem Mitarbeiter filmen. Für ihre Provokation kassierte die AfD-Frau einen Ordnungsruf des Landtagspräsidenten.
Torsten Czuppon (AfD) besuchte KZ mit Neonazi-Shirt und bearbeitet Verfahren gegen Zeugen dann selbst
Nach 2019 ist Torsten Czuppon zum zweiten Mal für die AfD in den Thüringer Landtag eingezogen. Der Polizist sorgte vor seiner Zeit als Abgeordneter für einen Skandal: 2017 nahm er an einem dienstlichen Seminar in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald zum Thema „Geschichtsrevisionismus und Holocaustleugnung“ teil – dabei trug er ein T-Shirt der Neonazi-Marke Thor Steinar.
Als die Polizei ein Disziplinarverfahren gegen Czuppon einleitete, erstattete dieser Anzeige gegen zwei Zeugen. Das Verfahren bearbeitete er kurzerhand selbst. Für die Verfolgung Unschuldiger wurde der AfD-Politiker schließlich zu 30.000 Euro Strafe verurteilt. Damit hatte Czuppon Glück, denn in der Regel wird eine solche Tat mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr geahndet. Das wurde zwar unterschritten, als vorbestraft gilt er dennoch.
Sascha Schlösser (AfD) ist ein berüchtigter Abmahn-Anwalt
Sascha Schlösser konnte für die AfD in Erfurt das Direktmandat erringen. Der Jurist will sich laut seiner Webseite für „Freiheit, Recht und Ordnung“ einsetzen. Offenbar schießt er dabei öfter übers Ziel hinaus: Im Internet wird auf zahlreichen Seiten vor ihm als berüchtigten „Abmahn-Anwalt“ gewarnt.
Die Kanzlei Plutte schreibt über Schlössers Vorgehen, er verschicke für eine Frau urheberrechtliche Abmahnungen wegen Verwendung von Agentur-Bildern ohne Urhebervermerk. Dabei setzte er zu hohe Rechtsanwaltskosten an.
Zudem sei bemerkenswert, dass er mit dem Scheitern der Vergleichsverhandlungen drohe, wenn der Name seiner Frau öffentlich werde. Einen Anspruch auf anonyme Abmahnungen gebe es allerdings nicht: „Wer sich entscheidet, in großem Umfang Abmahnungen mit Zahlungsforderungen aussprechen zu lassen, die nicht nur in diesem Blog als unangemessen betrachtet werden, muss mit kritischer Berichterstattung leben.“
Steffen Quasebarth (BSW) war ein bekanntes MDR-Gesicht, jetzt übt er Medienkritik
Steffen Quasebarth dürfte zu den bekannteren BSW-Abgeordneten in Thüringen gehören. Denn vor seiner politischen Karriere war er 32 Jahre lang Moderator des MDR-Regionalmagazins „Thüringen Journal“. Zum Abschied lobte ihn die Landesfunkhausdirektorin überschwänglich für seine Professionalität.
Umgekehrt ist die Wertschätzung des BSW für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht ganz so groß. Die Partei mit Quasebarth als Experte für Medienpolitik forderte in ihrem Wahlprogramm eine Enquete-Kommission „zur Untersuchung der Berichterstattung und Kommentierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten“. Insbesondere die Corona-Zeit solle dabei in den Blick genommen werden, die Berichterstattung sei damals zu einseitig gewesen – was auch für die „Darstellung der Ursachen und des Verlaufes des Ukraine-Kriegs“ gelte.
Seine heftige Medienkritik will Quasebarth aber als Wertschätzung gegenüber dem ÖRR verstanden wissen: „Ich kritisiere den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in vielen Punkten, aber ich tue das, um das System besser machen“, sagte er der „Berliner Zeitung“.
Tilo Kummer (BSW) hat pikante DDR-Vergangenheit und wurde als Bürgermeister abgewählt
Tilo Kummer ist einer der BSW-Politiker, denen Verbindungen zum DDR-Regime vorgeworfen werden. Der heutige Parlamentarische Geschäftsführer der Thüringer Fraktion diente im Wachregiment „Feliks Dzierzynski“, das der Stasi unterstand. Das Regiment sollte Partei- und Staatsobjekte wie die Politbürosiedlung Wandlitz bewachen.
Kummer pocht laut „Correctiv“ darauf, dass sein Wehrdienst in keiner Überprüfung als hauptamtliche Tätigkeit für die Staatssicherheit gewertet worden sei. Dennoch ist der Dienst als Zeitsoldat beim Wachregiment kein gewöhnlicher Wehrdienst gewesen, man musste sich dafür freiwillig für drei Jahre melden. Damit konnte man sich zum Beispiel bessere Aussichten auf einen Studienplatz erarbeiten.
Auch in jüngerer Zeit machte Kummer von sich Reden: Nach nur knapp drei Jahren musste er den Bürgermeisterposten in Hildburghausen räumen. Die Bürger stimmten in einem Abwahlverfahren gegen ihn. Dieses hatten zuvor Stadträte von SPD und AfD beantragt, weil das Vertrauensverhältnis der Bürger zum Stadtoberhaupt gestört sahen.
Sächsischer AfD-Spitzenkandidat Jörg Urban war mal radikaler Umweltschützer
Liest man den Lebenslauf von Jörg Urban, könnte man auf die Idee kommen, er sei ein Grüner. Denn der AfD-Politiker, der in Sachsen als Spitzenkandidat angetreten ist, war lange Zeit Umweltaktivist – ab 1998 sogar beruflich. In diesem Jahr wurde er Geschäftsführer der „Grünen Liga Sachsen“.
Seine damaligen Positionen lesen sich wie ein Grünen-Wahlprogramm: Urban machte zum Beispiel Stimmung gegen die Automobilindustrie. Zudem war er gegen Atomkraft, einen Transport der Castor-Behälter blockierte er sogar zusammen mit anderen Demonstranten. Zu beiden Themen hat sich seine Meinung heute um 180 Grad gedreht.
Seinen Wandel erklärt er so: „Artenschutz ist etwas Anderes als Klimaschutz.“ Ersteres sei seine Herangehensweise, letzteres die Ideologie der Grünen – „die machen Klimaschutz und das bedeutet meistens Naturzerstörung.“
Ralf Böhme (BSW) wohnte lange Zeit in Moskau und gilt als Putin-Versteher
Für die Russland-Nähe des BSW steht sinnbildlich Ralf Böhme. Der Dresdner Immobilienunternehmer lebte nämlich lange in Moskau. Aus dieser Zeit beeinflusst könnte auch sein Blick auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine stammen: Diesen bezeichnete Böhme als „Stellvertreterkrieg“, der „von außen“ an die russische und ukrainische Gesellschaft herangetragen worden sei – das klingt fast schon nach einer Verschwörungstheorie. Der sächsische Landtagsabgeordnete dürfte damit aber viele potenzielle BSW-Wähler ansprechen.
Jörg Dornau (AfD) hat geheime Geschäftsbeziehungen nach Belarus
Enge Kontakte in die russische Einflusszone pflegt auch AfD-Politiker Jörg Dornau. Der Landtagsabgeordnete ist laut Bericht der „Welt“ Eigentümer und Geschäftsleiter eines Agrarbetriebs in Belarus. In der Diktatur von Alexander Lukaschenko dürfte er damit einer der größten westlichen Investoren sein. Die dortigen politischen Zustände kritisiert Dornau nicht – dafür umgekehrt die „ständige Einmischung westlicher Moralapostel“ in die Angelegenheiten von Belarus.
Dem sächsischen Landtag hat Dornau sein Investment trotz einer gesetzlichen Pflicht verschwiegen. Solche Verstöße können mit Ordnungsgeldern in Höhe von bis zu 40.000 Euro geahndet werden.
Arthur Österle (AfD) wollte den Reichstag stürmen – angeblich ein Missverständnis
Im August 2020 stürmten Teilnehmer einer Demo gegen Corona-Maßnahmen die Treppe des Reichstags in Berlin. Mit dabei: Arthur Österle, der nun für die AfD in den sächsischen Landtag eingezogen ist. Nach der Aktion am Reichstag erklärte der Politiker, er habe eigentlich nur nach einer fehlenden Teilnehmerin einer Abgeordnetenreisegruppe Ausschau gehalten – alles sei ein Missverständnis gewesen.
Glaubwürdig ist das nicht, denn Österle ist in der rechten Szene berüchtigt. So war er schon auf einer Demo der Neonazi-Partei „Der III. Weg“ und bei den „Freien Sachsen“ unterwegs. Dass Österle ein Mann fürs Grobe ist, zeigen seine bisherigen Jobs: Er war unter anderem als Personenschützer eines AfD-Bundestagsabgeordneten beschäftigt. Laut „Welt“ hat Österle erhebliche Finanzprobleme.
Oliver Skopec (BSW) hat SchülerVZ gegründet und für Tesla gearbeitet – jetzt ist in der Partei einer Kommunistin
Mit seinem Lebenslauf würde man Oliver Skopec vielleicht eher bei der FDP als beim BSW verorten. Als Student baute er das früher beliebte soziale Netzwerk SchülerVZ auf, gründete später weitere Unternehmen und arbeitete zweitweise auch für Tesla. Jetzt macht er auch politisch Karriere – ausgerechnet in der Partei von Sahra Wagenknecht, die lange Zeit als Kommunistin galt.
Die deshalb ungewöhnlich erscheinende Wahl der Partei begründete Skopec im „Capital“-Interview: „Ich persönlich habe einfach das Gefühl, dass Sahra Wagenknecht als Politikerin das Herz am richtigen Fleck hat. Ich habe sie zu Unizeiten schon als Makroökonomin wahrgenommen, mit einer guten Mischung aus analytischer Kompetenz und Empathie und Gerechtigkeitsempfinden.“
Lena Kotré (AfD) verteilte Waffen als Wahlkampf-Goodies
Im Landtagswahlkampf hat Lena Kotré ein ganz besonderes Goodie an ihren Ständen verteilt: einen sogenannten Kubotan, eine Stichwaffe. Mit ihr sollen sich die Brandenburger laut der AfD-Politikerin gegen angeblich „tagtägliche Messerangriffe und Schlägereien“ wehren. Kotré behauptet, der Staat könne seine Bürger nicht mehr ausreichend schützen, deshalb müsse man nun selbst Vorsorge treffen.
Bei Facebook kommentierte eine Nutzerin: „Das ist ein aktiver Aufruf zum Benutzen einer Waffe, welche in vielen Ländern verboten ist. So sehen also Lösungen der AfD aus.“ Der Brandenburger AfD war die Aktion dann offenbar selbst nicht mehr ganz geheuer: Tilmann Steffen, Journalist bei „Zeit Online“ berichtete, dass ihm bei der Einlasskontrolle zur Wahlparty einer von Kotrés Kubotans abgenommen wurde.