„Ein Schutzraum für die Seele“: Birkenstein-Buch von Andreas Estner ist erschienen
Es ist vollbracht: Der Fischbachauer Autor und BR-Journalist Andreas Estner hat sein Buch „Birkenstein – Wo sich Himmel und Erde berühren“ veröffentlicht. Es kommt sogar mit Film auf DVD.
Birkenstein – Wie aus einem Buch liest Schwester Eresta Mayr aus dem goldenen Hochaltar vor. Sie deutet auf den Verkündigungsengel, den gekreuzigten und auferstandenen Jesus und natürlich die Muttergottes selbst. Mit ruhiger, warmer Stimme erklärt die Ordensfrau ihren Zuhörern den Zauber dieses besonderen Orts. Man brauche Zeit, um dessen Bedeutung erfassen zu können, sagt Eresta. „Man muss stad werden. Dann spürt man die vielen Gebete, die hier über die Jahrhunderte gesprochen wurden.“ Und die Kraft, die ein einziges Wort Marias für die Welt entfaltet hat: das „Ja“, mit dem sie dem Erzengel zugesagt hat, Gottes Sohn zu gebären. „Darauf ruht alles“, sagt Eresta.
Eine halbe Stunde lang dauert der Film, den Andreas Estner für sein neues, mit 240 Abbildungen illustriertes Buch „Birkenstein – Wo sich Himmel und Erde berühren“ gedreht hat. Nach einer kurzen Einführung wird auch der BR-Journalist und Heimatautor aus Fischbachau stad. Dann hat nur noch Schwester Eresta das Wort. Und auch wenn die DVD ganz hinten im 188 Seiten dicken Werk versteckt liegt: Eigentlich ist sie die perfekte Brücke für alle, die der spirituellen Magie dieses Ortes erliegen wollen. Die Eintauchen wollen in eine mehr als 300-jährige Geschichte der Marienverehrung, die noch heute so lebendig ist wie beim Bau der Kapelle anno 1710.
Wallfahrtskapelle ist Nachbau von Marias Wohnhaus
Der Bau der Kapelle über dem Felsen, auf dem einem Pfarrer einst die Gottesmutter erschienen ist. Marias Wohnhaus, das im 17. Jahrhundert von Nazareth nach Loreto in Italien transferiert wurde und als Vorbild für das 3,50 Meter breite und 9,50 Meter lange Gotteshaus war. Hunderte Votivtafeln, die von den Gebetserhörungen in Birkenstein zeigen und die (gemalten) Backsteinmauern der Kapelle fast vollständig bedecken. Und natürlich die Geschichten der 200 000 Pilger, die diesen Ort jedes Jahr besuchen: Was Schwester Eresta aus ihrem Erfahrungsschatz von 64 Jahren im Kloster erzählt, hat Estner kurz vor dem Abschied der Armen Schulschwestern im Oktober 2022 mühe- und liebevoll dokumentiert. Daraus und aus den Ergebnissen seiner stundenlangen Recherchen im Archiv der Wallfahrtskuratie und in den Akten Erzbistums München und Freising zeichnete ein derart detailliertes Bild von Birkenstein, wie es selbst langjährigen Pilgern bis dato nicht offenbart wurde.
Darin kommt nicht nur Schwester Eresta zu Wort, sondern auch Kurat Johann Schweiger, Kardinal Reinhard Marx und die Garser Missionsschwestern, die im April dieses Jahres das Erbe der Schulschwestern angetreten haben. Sie alle kommen zum selben Ergebnis: Birkenstein ist ein „Schutzraum für die Seele“, ein Ort des Zuspruchs, der Zuflucht und der Geborgenheit, an dem nicht nur Gläubige, sondern alle Menschen willkommen sind.
Wer durch die Kapitel von Estners Werk blättert, erhält einen fast schon mikroskopischen Einblick in eine Kapelle als „kunsthistorisches Juwel“, das allein schon genug Stoff für ein ganzes Buch bergen würde. Wer wusste schon, dass der Sternenhimmel an der Decke erst 1991 mühevoll mit Skalpell und Wattetupfern von der ihn überdeckenden grauen Tapete befreit wurde? Oder dass das Gnadenbild der Madonna von Birkenstein auf der Rückseite hohl ist und einst sogar eine dunkle Gesichtsfarbe hatte? Und, dass man ins Heilige Grab als letzte Station des Kreuzwegs unter dem hölzernen Laubengang nur in Demut gebückt gelangt?
Lange Tradition der Marienverehrung im Leitzachtal
Doch der Autor weitet die Perspektive auch über die Kapelle hinaus. Er erklärt, dass die Marienverehrung im Leitzachtal schon im Spätmittelalter begann (die heutige Friedhofskirche Mariä Schutz in Fischbachau wurde bereits 1078 geweiht), dass schon die Eremiten ab 1786 Schulunterricht für die „arme Bauernjugend“ anboten, dass die Kreuzigungsgruppe auf dem Kalvarienberg erst 1832 vom Kassier des Königlichen Leihhauses in München gestiftet wurde und dass auch die vom Wirt aus Marbach am Kloster errichtete Bierhütte der Vorläufer etlicher weiterer Gasthäuser in Birkenstein war. Und natürlich, dass neben den Fußwallfahrten (40 bis 50 jedes Jahr) auch Großveranstaltungen wie die Trachtenwallfahrt, der Frauentag als Patrozinium oder der Christkindlsegen Jahr um Jahr Tausende Menschen zur Kapelle ziehen.
Mindestens genauso sehr aber prägen die intimen und ganz persönlichen Begegnungen an der Klosterpforte diesen besonderen Ort. Mit Tränen in den Augen schildert Schwester Eresta, wie an einem dunklen Herbstabend eine verzweifelte Frau klingelte. Ihr Sohn sei soeben beim Reparieren vom Traktor überrollt worden und liege mit schwersten Verletzungen im Krankenhaus. Drei Wochen später habe es dann wieder geklingelt, diesmal tagsüber. Es waren drei glückliche Kinder mit ihrem Papa, der gerade auf dem Weg in die Reha war. „Er wurde wieder vollständig gesund“, erzählt Eresta mit bewegter Stimme. Genauso gut erinnert sie sich an eine Bäuerin, die bei den Maiandachten für ihren schwer an Krebs erkrankten Mann betete. Auch als er gestorben war, sei die Frau weiterhin in die Kapelle gekommen. Bis sie Schwester Eresta dann mitteilte, dass sie jetzt „Ja“ sagen habe können. Das, was Maria einst auch tat: Gottes Wille annehmen, auch wenn das manchmal schwer fällt. Treffender als ein Schulbub es mal bei einer Kapellenführung formulierte, könnte man es nicht ausdrücken, sagt Eresta: „Wenn’s dir recht ist, lieber Gott, ist’s mir auch recht.“
Das Buch
„Birkenstein – Wo sich Himmel und Erde berühren“ ist im Leitzachtal Verlag erschienen und zum Preis von 45 Euro unter www.leitzachtal-verlag.de bestellbar.
sg