Machtkampf in den USA: Wie ein Richter jetzt Präsident Trump stoppen kann

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Nach Trumps Wiederwahl warnen Demokraten vor dem Ende der Demokratie. Bundesstaaten und Gerichte stellen sich seinem Kurs entgegen.

Kaum jemanden kann die USA, ihre Politik und Donald Trump besser analysieren als er: der amerikanische Politikwissenschaftler James W. Davis. Er ist ausgewiesener Experte für US-Politik und Internationale Beziehungen, lehrt seit Jahrzehnten im deutschsprachigen Raum. Für IPPEN.MEDIA schreibt er regelmäßig über die Lage in den USA und die zweite Amtszeit von Donald Trump.

Seit der Wiederwahl von Donald Trump – und der Tatsache, dass die Republikaner sowohl das Repräsentantenhaus als auch den Senat kontrollieren – herrscht unter den Demokraten in den USA (und hierzulande, von ein paar AfD-Hardlinern abgesehen) fast eine hysterische Alarmstimmung. „Die Gewaltenteilung ist tot!“, lautet der Aufschrei.

Eine Partei, die den Präsidenten stellt und beide Kammern beherrscht, kann theoretisch viel durchsetzen

Natürlich: Eine Partei, die gleichzeitig den Präsidenten stellt und beide Kammern des Kongresses beherrscht, kann theoretisch viel durchsetzen – vorausgesetzt, sie wahrt die Parteidisziplin (und das ist im US-Zweiparteiensystem alles andere als selbstverständlich). Gesetze können durchgewunken werden, ohne dass Kompromisse nötig sind. Der Präsident kann Richter mit extremerer Rechtsauffassung ernennen und hoffen, dass ein gefügiger Senat sie absegnen wird. Ja, wie Barack Obama es einst trocken formulierte: „Elections have consequences.“

Doch angesichts Trumps offen autoritären Neigungen, seiner Bereitschaft, Gesetze mit unverblümter Missachtung zu umgehen, und dem einschüchternden Einfluss seiner „Make America Great Again“-Bewegung, schlagen demokratische Warnungen mittlerweile in Alarmismus um. Es geht, so sagen sie, nicht mehr nur um den Sozialstaat oder die internationale Ordnung. Es geht um das Überleben der Demokratie selbst. Amerika – kurz vor dem Autoritarismus?

► Er studierte Internationale Beziehungen an der Michigan State University, promovierte 1995 in Politikwissenschaft an der Columbia University und habilitierte an der Ludwig-Maximilians-Universität München, wo er bis 2005 lehrte.

► Seit 2005 ist er Professor für Internationale Beziehungen und Direktor des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität St. Gallen.

►Davis ist Autor mehrerer Bücher und hat zahlreiche wissenschaftliche Ehrungen erhalten, darunter Gastprofessuren und Fellowships an renommierten Institutionen.

Meine Antwort apokalyptischen Szenarien: Die USA sind ein föderaler Rechtsstaat

Meine Antwort auf solche apokalyptischen Szenarien war stets dieselbe: Die USA sind ein föderaler Rechtsstaat mit unabhängiger Justiz und starken Bundesstaaten. Bundesrichter werden auf Lebenszeit ernannt, ihre Absetzung ist schwierig – sie genießen somit ein hohes Maß an Unabhängigkeit. Immer wieder haben sie sich in gegen Präsidenten gestellt, wenn diese die von der Verfassung definierten Grenzen präsidentieller Macht überschritten haben. Und selbst der mächtigste Präsident kann nicht über den zehnten Verfassungszusatz hinwegregieren, der klarstellt: Alles, was nicht ausdrücklich dem Bund zugewiesen oder den Bundesstaaten untersagt ist, bleibt deren oder dem Volk vorbehalten.

Bisher hat sich diese Sichtweise bestätigt. In den ersten sechs Monaten nach Trumps Wiederwahl wurden über 30 Klagen gegen seine Regierung eingereicht – besonders von Bundesstaaten mit demokratisch geführten Generalstaatsanwaltschaften. Kalifornien etwa, gemeinsam mit zehn weiteren Bundesstaaten, klagt gegen die Aufhebung des Ziels, bis 2035 nur noch Elektroautos zuzulassen. Der Fall liegt nun beim Bundesberufungsgericht des 9. Bezirks. Eine Koalition aus 22 Bundesstaaten und dem District of Columbia geht juristisch gegen das Einfrieren aller Bundeszuschüsse vor – mit Verweis auf das Verwaltungsverfahrensgesetz. Und Bundesstaaten wie Washington, Oregon, Illinois und Arizona haben neue Beschränkungen beim Geburtsrecht auf Staatsbürgerschaft angefochten – ein weiterer Fall, der nun vor Gericht liegt.

Diese Klagen zeigen, wie entschlossen sich die Bundesstaaten juristisch gegen zentrale Teile von Trumps zweiter Amtszeit stemmen. Natürlich wird seine Regierung einzelne Prozesse gewinnen – doch sie wird mehr verlieren. Bundesgerichte zeigen bislang eine wachsende Bereitschaft, exekutive Maßnahmen aufzuheben, wenn diese als Machtmissbrauch oder Verstoß gegen rechtliche Verfahren gewertet werden. Nicht jede Klage war erfolgreich, aber die Justiz erfüllt ihre Kontrollfunktion – selbst bei heiklen, politisch aufgeladenen Fragen.

Trump schickte Soldaten nach LA: „Aktion war zumindest ungewöhnlich, vermutlich verfassungswidrig“

Und dann kam vergangene Woche. Trumps Entscheidung, Kaliforniens Gouverneur zu umgehen und die Nationalgarde unter Bundeskommando zur Durchsetzung seiner Einwanderungspolitik einzusetzen, könnte sich als Wendepunkt erweisen. In den USA liegt die Zuständigkeit für die innere Sicherheit hauptsächlich bei den Bundesstaaten und ihren lokalen Behörden. Doch als in Los Angeles Demonstranten versuchten, Abschiebungen zu verhindern, entsandte Trump über 2.000 Soldaten der Nationalgarde und 700 Marines – offiziell zum Schutz der Bundesbeamten und Gebäude. Ob Machtdemonstration oder ein weiterer Schritt Richtung autoritäre Herrschaft: Diese Aktion war zumindest ungewöhnlich, vermutlich sogar verfassungswidrig.

Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom rief (mit übertriebener Theatralik) die Bundesgerichte an – und bekam recht. Richter Charles Breyer ordnete an, dass der Präsident die Kontrolle über die Truppen an den Gouverneur zurückgeben müsse. Trumps Handeln verletze das Gesetz und den zehnten Verfassungszusatz. Die Regierung legte Berufung ein, das Berufungsgericht setzte Breyers Entscheidung vorläufig aus – eine Anhörung ist nächste Woche angesetzt.

Inzwischen äußerte Verteidigungsminister Pete Hegseth im Kongress, dass man Breyers Urteil ohnehin nicht anerkennen werde – selbst wenn es vom Berufungsgericht bestätigt werde. „Lokale Richter entscheiden nicht über Außen- oder Sicherheitspolitik“, sagte er. Eine vorhersehbare Argumentation – und eine, die Breyer in seiner 36-seitigen Begründung bereits entkräftet hatte. Denn hier gehe es nicht um Außenpolitik, sondern um den Einsatz militärischer Kräfte im Inland – und genau dafür seien die Gerichte zuständig.

Wenn, wie ich vermute, das Berufungsgericht Breyers Urteil weitgehend bestätigt, wird der Fall vor dem Supreme Court landen. Und obwohl der Oberste Gerichtshof ideologisch tief gespalten ist, hat er sich bislang bei Fragen zu exekutiver Macht meist am Verfassungstext orientiert. Doch dieser Fall hat Sprengkraft: Er könnte das Machtgleichgewicht zwischen Legislative, Judikative und Exekutive entscheidend verschieben – oder, im (noch) undenkbaren Fall einer offenen Missachtung des Supreme Court, eine echte Verfassungskrise auslösen.

Auch interessant

Kommentare