Facebook-Hetzer erhält Gefängnisstrafe: Holocaust-Vergleich war zu extrem

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Den Gang in Haft kann der neunfach Vorbestrafte noch versuchen, durch Rechtsmittel abzuwenden. Sonst muss er fast ein Jahr hinter Gitter. (Symbolbild) © dpa/Symbolbild

Ein Nutzer von Facebook, der den Holocaust mit der aktuellen Regierungspolitik verglichen hat, wurde zu einer Haftstrafe verurteilt. Die Kommentare des massiv Vorbestraften hat der Richter als zu weit gehend und als Hassrede betrachtet.

Ebersberg – Vordergründig ging es um die Frage: Freiheit oder Gefängnis? Die Staatsanwaltschaft wollte ein Jahr Haft ohne Bewährung. Der Pflichtverteidiger des 53-jährigen Angeklagten aus dem südlichen Landkreis plädierte für eine Freiheitsstrafe von neun Monaten mit Bewährung. Hinter dieser von Richter Frank Gellhaus zu treffenden Entscheidung stand die Frage: Was sprengt den Rahmen des politischen Diskurses? Ein gelernter Kaufmann hatte auf Facebook im November 2023 ein Bild gepostet, das einen grünen Reichsadler zeigt, in dem das Hakenkreuz-Symbol durch eine gelbe Sonne ersetzt war. Die Beschriftung: „Grünes Reich. Der Nazi von heute ist nicht braun, sondern grün.“ Die Politik der Partei wurde dazu dem Holocaust gleichgesetzt.

Darauf muss der Rechtsstaat massiv reagieren.

Ferner hatte der heute geringfügig beschäftigte Mann ein Foto von sich auf Facebook gepostet, in dessen Hintergrund ein Schriftstück mit Reichsadler und Hakenkreuz zu sehen ist. Damit war er neben Volksverhetzung auch wegen „Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“ angeklagt. Die Taten gab der bekennende AfD-Anhänger, zu, stellte sich aber unwissend: Reichsadler und Hakenkreuz im Hintergrund seines Selfies habe er gar nicht bemerkt. Und den anderen Beitrag habe er nicht selbst erstellt, sondern lediglich geteilt. Er sei durchaus demokratisch und freiheitsliebend, vielleicht einfach etwas fahrlässig gewesen. Radikal sei er nicht, sehe lediglich die politische Entwicklung kritisch. So trage er etwa Sorge vor einer Ökodiktatur, habe Angst vor der Abschaffung des Bargelds, wolle sich nicht fremdbestimmten lassen, wie in der Corona-Zeit: „Im Prinzip habe ich Angst.“

Der Facebook-Account des Angeklagten: Ein Panoptikum des Hasses

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Richter Gellhaus ging der Gesinnung auf den Grund. Dabei stellte sich nicht nur heraus, dass der mehrfach vorbestrafte Mann ein ganzes Panoptikum an fremdenfeindlichen und antisemitischen Posts auf seinem Facebook-Account zeigt, sondern auch, dass er Nazi-Devotionalien sammelt. Als einst schüchterner Junge wollte er damit Eindruck schinden, verteidigte er sich. „Das ist absoluter Müll!“, so Gellhaus scharf. Zwar trug seine gesundheitliche Situation – der Mann leidet etwa unter Angststörungen – zu seiner Entlastung bei, nicht aber die neun Vorstrafen im Bundeszentralregister, darunter unerlaubter Waffenbesitz, Diebstahl, Betrug, Beleidigung und Urkundenfälschung.

Mit seinem Facebook-Beitrag verharmlose er die millionenfachen Morde des Holocausts. „Das ist verwerflich, unanständig und abstoßend“, so Gellhaus. Es sei nicht in Ordnung, eine demokratisch legitimierte Regierung mit dem Nazi-Regime zu vergleichen. In einer Demokratie müsse man Mehrheitsentscheidungen akzeptieren. Das alles abzutun, könne man nicht stehen lassen. „Sie haben gewusst, was Sie da machen und damit den Diskurs in der Gesellschaft weiter vergiftet und verschärft. Darauf muss der Rechtsstaat massiv reagieren.“ Das Urteil: 10 Monate ohne Bewährung. Der Mann kann binnen einer Woche gegen das Urteil vorgehen.

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