„Klare Fehleinschätzung“: Wegen dieses Fehlers verlieren deutsche Autobauer den Kampf gegen China
Am wichtigsten in einem E-Auto ist die Batterie, die etwa ein Drittel des Fahrzeugpreises ausmacht. Doch deutsche Autobauer geraten gegenüber China zunehmend ins Hintertreffen.
Ulm – Neue Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts verdeutlichen die anhaltende Krise der E-Auto-Branche in Deutschland: Im November 2024 wurden hierzulande erneut deutlich weniger Elektroautos zugelassen. Demnach gingen mit knapp 35.200 neuen Batterie-Pkw die Neuzulassungen im Vergleich zum Vorjahresmonat um fast 22 Prozent zurück. Der Marktanteil von Elektroautos an den Gesamtzulassungen lag im November in Deutschland bei 14,4 Prozent.
Auch andernorts kriselt es bei deutschen Autobauern. Denn Chinas Vorsprung bei den Batterien macht der deutschen Autoindustrie schwer zu schaffen. Grund sei ein schwerer Fehler, den die Autohersteller vor zehn Jahren begangen hat, meint Maximilian Fichtner von vom Helmholtz-Institut Ulm der Autoindustrie.
Günstige E-Auto-Batterien aus China machen deutschen Autobauern zu schaffen
E-Auto-Batterien sind ein großer Preistreiber bei den Herstellungskosten von E-Autos, weswegen sie teurer sind, als Verbrennungsmotoren. Chinas technologischer Fortschritt führt dazu, dass dortige Batterien zunehmend kostengünstiger hergestellt werden, was großen Druck auf europäische Autobauer ausübt, die nur schwer mithalten können.
Dass die europäische Batterieindustrie im globalen Wettbewerb zurückgeblieben ist, sei bekannt. Annemie Turtelboom, Mitglied des Europäischen Rechnungshofs dazu: „Elektroautos können in der Tat zu einem doppelten Dilemma für die EU werden: zwischen ökologischen Prioritäten und Industriepolitik und zwischen Umweltzielen und den Kosten für die Verbraucher.“ Das große Problem sei die europäische Abhängigkeit von importierten Rohstoffen und auch die industrielle Unabhängigkeit von Staaten wie China. Weniger als zehn Prozent der weltweiten Batterieherstellung erfolgen in Europa, schreibt das VDI Nachrichtenportal.
Während der weltweite Durchschnittspreis einer Kilowattstunde Batterieleistung bei 95 US-Dollar liegt, betrugen die Produktionskosten in China im Jahr 2023 nur 53 US-Dollar, was einem Rückgang von 51 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Daher können chinesische Autobauer ihre E-Autos in Europa viel günstiger anbieten: Laut einer Studie der Unternehmensberatung AlixPartners liegen die Herstellungskosten im Vergleich zu einem europäischen Elektroauto sogar rund 35 Prozent niedriger.
Northvolt-Insolvenz treibt europäische Autoindustrie weiter in die Bredouille
Kürzlich zeichnete sich ein weiterer Rückschlag für die Batterieproduktion in Europa ab: Der Batteriehersteller Northvolt ist insolvent. Das schwedische Unternehmen sollte eigentlich zu Europas wichtigstem Batterieproduzenten wachsen. Dabei sei eine eigene Batterieproduktion in Europa „wichtig, weil die Batterie der Teil des Elektroautos mit der größten Wertschöpfung ist“, erklärt Maximilian Fichtner, geschäftsführender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung, im Focus-Interview.
Er sieht den Grund für die Krise darin, dass sie ihre Batterien teuer verkaufen müssen und auch noch nicht sicher liefern können. „Es hat einfach länger gedauert. Ich glaube nicht, dass man Northvolt hier wirklich einen Vorwurf machen kann. Die Materie ist eben komplex“, so Fichtner. „Aber am Ende hat dann BMW seinen Zwei-Milliarden-Euro-Auftrag zurückgezogen. Nun bezieht BMW seine Batteriezellen von chinesischen und koreanischen Herstellern, die teilweise in Ungarn produzieren“.
Im Herbst war bekannt geworden, dass Northvolt um die 1600 seiner weltweit rund 7000 Stellen abbauen wird – ein Sparprogramm, das nötig ist. Trotzdem soll die Zellproduktion im nordschwedischen Skellefteå hochgefahren und Kundenaufträge aus der Automobilindustrie schnellstmöglich abgearbeitet werden. Die Produktion wurde seit Jahresbeginn verdreifacht. „Die jüngsten Produktionsrekorde zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind“, gab sich der damalige Northvolt-Ceo Peter Carlsson laut Spiegel zuversichtlich, „aber die heutigen Entscheidungen, die hart sind, sind nötig für Northvolts Zukunft.“ Carlsson ist im Zuge der Insolvenz des Unternehmens zurückgetreten.
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„Klare Fehleinschätzung“ der Autoindustrie: Diesen Fehler müssen Autobauer heute bereuen
Rund ein Drittel des Fahrzeugpreises macht bei E-Autos die Batterie aus. „Inzwischen sind die Batterien zwar billiger geworden und liegen irgendwo zwischen 6.000 und 8.000 Euro. Aber da ist immer noch eine Marge drin. Wenn die wegfällt, muss man schauen, wie man den Rest des Fahrzeugs noch wirtschaftlich herstellen kann“. Ein strategischer Fehler in der Planung, der viele Jahre zurückreicht. In den 2010er Jahren kam es zu einer heute teuren Fehlentscheidung der hiesigen Autobauer, als man dachte: „Batterien sind Zukaufteile, ein Automobilhersteller müsse sich nicht damit herumschlagen. Aus heutiger Sicht war das eine klare Fehleinschätzung“
Damals hatte Deutschland laut Fichtner mit der Firma Li-Tec Battery in Kamenz eine Batteriezellenfertigung, die von der damaligen Daimler AG, heute Mercedes-Benz Group, übernommen wurde. Die Produktion erwirtschaftete jedoch nur geringfügige Gewinne und der Betrieb wurde eingestellt. „Ich glaube, mit etwas mehr Zeit hätte man hier etwas Großes leisten können“. Das Problem: „Es braucht Zeit, um das nötige Know-how aufzubauen und diese fitzelkleinen Einstellungen so hinzudrehen, dass am Ende etwas nahezu Perfektes herauskommt. Das geht nicht von heute auf morgen. Wenn wir nicht langfristiger denken, dann werden wir in Zukunft bei allem, was irgendwie ähnlich geartet ist, von anderen versorgt werden“.
„Mörderischer Preiskampf“ bei E-Autos: Gute Nachrichten für China, schlechte für Europa
In China kommt es laut Fichtner in der Batterieproduktion zu einem Unterbietungswettlauf und zu Überproduktion. „In China tobt derzeit ein mörderischer Preiskampf“. Zwei Drittel der Elektroautos sind demnach in China billiger als vergleichbare Verbrennerfahrzeuge. Das sind gute Nachrichten für China, aber schlechte für Europa, denn das mache den Einstieg schwieriger. Zudem kämpfen Autobauer hierzulande mit anderen Rahmenbedingungen, wie höheren Energiepreisen.
Etwas helfen könnten die EU-Zölle auf E-Autos aus China – und zwar dabei, Zeit zu gewinnen. „Die Frage ist nur, wie man diese Zeit nutzt. Haben Autoindustrie und Investoren den langen Atem, die schwierige Umstellungsphase durchzustehen?“, so Fichtner. Seit Ende Oktober hat die Europäische Kommission ihre Untersuchung zu Subventionen bei der Einfuhr von Elektroautos aus China abgeschlossen und Ausgleichszölle eingeführt. „Mit der Verabschiedung dieser verhältnismäßigen und gezielten Maßnahmen nach einer strengen Untersuchung setzen wir uns für faire Marktpraktiken und für die industrielle Basis Europas ein“, meinte Handelskommissar und Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis im Oktober. Die Zölle gelten vorerst für fünf Jahre.