Training an der Waffe: Putin schickt entführte ukrainische Kinder in Militärlager

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

In russischen Militärlagern sollen verschleppte ukrainische Kinder zu „Patrioten“ erzogen und auf den Krieg vorbereitet werden, befürchtet Kiew.

Wolgograd – Mit Drohnen, Gewehren und Fallschirmen: Hunderte Kinder und Jugendliche werden derzeit in russischen Militärlagern ausgebildet – dabei kommen sie aus der Ukraine.

„Zeit für junge Helden“ heißt eines dieser Militärlager in der Grenzregion Wolgograd, von denen der russische Sender OTR jüngst berichtete. Die Kinder und Jugendlichen stammen demnach aus den Regionen Saporischschja, Cherson, Donezk und Luhansk, die Russland im Ukraine-Krieg teilweise besetzt und als russisches Territorium deklariert.

Kinder trainieren mit Waffen und Drohnen: So will Russland „junge Patrioten“ auf den Krieg vorbereiten

Die britische Zeitung Times hat die Aufnahmen des Senders genauer betrachtet: Der Unterricht wird von einem maskierten Ausbilder abgehalten – neben einer russischen Flagge und einem großen Porträt von Präsident Wladimir Putin. Das dreiwöchige Lager richte sich an Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren und schließe auch russische Jugendliche ein. OTR berichtete demnach, das Camp sorge für „strenge Disziplin“ unter den Kindern.

Das „Zentrum für militärisch-sportliche Ertüchtigung und patriotische Erziehung der Jugend“ mit dem Namen „Woin“ („Krieger“) organisiert diese Lager. Anfragen der Times ließ die Organisation, die auf Befehl Putins gegründet worden war, unbeantwortet. „Woin“ gehe es nach eigenen Angaben aber darum, „junge Patrioten“ gut auf den Kriegsdienst vorzubereiten. Die Camps böten den Kindern die Möglichkeit, „neue Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, Teil eines großen Teams zu werden, neue Freunde zu finden und die Geschichte und Kultur des Mutterlandes kennenzulernen“.

Ein Jugendlicher trainiert in einem Militärlager in der Region Wolgograd, Russland, mit einer Waffe.
Juni 2024: Ein Jugendlicher trainiert in einem Militärlager in der Region Wolgograd, Russland, mit einer Waffe. © Dmitry Rogulin/Imago

Die Jugendlichen in diesen Lagern tragen militärische Uniformen und üben auch das Schießen mit Kalaschnikow-Sturmgewehren. Ein jugendliches Mädchen, das aus Cherson stammen soll, sagte dem russischen Sender, dass sie an Drohnen ausgebildet werde. Die Ausbilder seien Männer mit Kampferfahrung in der Ukraine. Die Times berichtet, dass ein Mädchen mit dem gleichen Namen aus Cherson auf der ukrainischen Website „Children of War“ als „vermisst“ aufgeführt wird. Mehr als 1900 Kinder gelten demnach als „vermisst“, mehr als 19.000 als von Moskau nach Russland deportiert.

Kinder aus der Ukraine nach Russland verschleppt: Haftbefehl gegen Putin und Lwowa-Belowa

Kiew befürchtet, dass die Kinder und Jugendlichen in Russland einer Gehirnwäsche unterzogen und in wenigen Jahren in der Armee gegen die Ukraine eingesetzt werden. „In den letzten Monaten haben wir eine Zunahme des Ausmaßes und des Tempos der Militarisierung der ukrainischen Kinder festgestellt“, sagte Katerina Raschewska, Juristin beim Regionalen Zentrum für Menschenrechte in Kiew, laut der Times.

„Die Gefahr der militarisierten Umerziehung besteht darin, dass die nationale Identität der ukrainischen Kinder geleugnet wird und sie dadurch langfristig psychologisch traumatisiert werden“, sagte sie. Russland wolle die Kinder „militärisch indoktrinieren“ und verletze damit die UN-Kinderrechtskonvention. Dmytro Lubinets, Menschenrechtsbeauftragter des ukrainischen Parlaments, sagte, dass „der Kreml gewaltsam eine Generation ukrainischer Kinder formt“, denen „Hass und Gewalt gegen alles Ukrainische“ beigebracht werde.

Laut Angaben aus Moskau hat Russland 700.000 Kinder aus der Ostukraine vor dem Krieg „in Sicherheit“ gebracht. Die Ukraine wirft Russland stattdessen vor, Tausende Kinder und Jugendliche in russisches Gebiet verschleppt zu haben. Gegen Präsident Wladimir Putin und Russlands Beauftragte für Kinderrechte, Maria Lwowa-Belowa, liegt bereits seit März 2023 ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine vor. Der begründete Verdacht des IStGH: Die Deportation ukrainischer Kinder nach Russland.

Russland streitet ab, dass Kinder und Jugendliche deportiert wurden. Lwowa-Belowa sagte, die „überwiegende Mehrheit“ sei mit ihren Eltern angekommen. Am Haftbefehl gegen sie und Putin ändern ihre Worte aber nichts. (lrg/dpa)

Auch interessant

Kommentare