Schwere Unfälle an unbeschrankten Bahnübergängen: Hat Bayern ein Sicherheitsproblem?
Vor ein paar Tagen ist ein Regionalzug in Franken mit einem Pkw kollidiert. Bayern ist in Deutschland trauriger Spitzenreiter bei Unfällen an Bahnübergängen.
München - Immer wieder kommt es in Bayern zu folgender Schreckensmeldung: Zug erfasst Auto an Bahnübergang. Schwere oder gar tödliche Verletzungen können die Folge sein, wenn sich noch Personen im Pkw befanden. Erst kürzlich ist es in Meeder (Kreis Coburg) zu einem solchen Unfall gekommen. An einem ungesicherten Bahnübergang kollidierte ein Regionalzug mit einem Auto. Die beiden Insassen wurden verletzt, der Fahrer schwer. Ende Mai sind bei Pocking (Kreis Passau) ebenfalls ein Regionalzug und ein Lkw kollidiert, zehn Menschen wurden dabei verletzt.
Stellen die unbeschrankten Bahnübergänge eine unnötige Gefahr in Bayern da? Und hat der Freistaat - im Vergleich zu anderen deutschen Bundesländern - hier ein Sicherheitsproblem?
Unfälle an Bahnübergängen: In Bayern besonders häufig
Zunächst einmal: Mit 2.907 Bahnübergängen (Stand: 2023, aktuellste Zahlen der Deutschen Bahn) ist Bayern Spitzenreiter im deutschlandweiten Vergleich. Etwa die Hälfte der Anlagen ist ungesichert. In Deutschland gab es 2023 insgesamt 15.820 Anlagen, die Mehrzahl (63,3 Prozent) war gesichert. Die Deutsche Bahn betont, dass die Anzahl an Bahnübergängen in den letzten 30 Jahren stetig abgenommen hat: Mitte der Neunzigerjahre waren es insgesamt noch 28.000 Anlagen.

Blickt man auf die Unfälle an Bahnübergängen, so ereigneten sich 2023 die meisten davon tatsächlich in Bayern - nicht nur in absoluten Zahlen, sondern auch im relativen Vergleich: Von 154 Unfällen an Bahnübergängen 2023 fanden 46 - und damit fast ein Drittel - in Bayern statt.
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ADAC-Sprecher sieht „kein grundsätzliches Sicherheitsproblem in Bayern“
Laut Bernd Emmrich, Fachreferent für Verkehr und Umwelt beim ADAC Südbayern, lässt sich daraus dennoch „kein grundsätzliches Sicherheitsproblem in Bayern ableiten“. Vergleiche sind nach seinen Angaben „schwierig“. Nicht nur, weil ein Flächenland wie Bayern selbstverständlich über mehr Anlagen als kleinere Bundesländer verfügt. Sondern auch, weil der Sicherheitsstandard eines Bahnübergangs „unter anderem von der Art der Bahnstrecke (Hauptbahn/Nebenbahn), der Geschwindigkeit des Zuges sowie Verkehrsstärke auf der kreuzenden Straße“ abhänge.
Wichtig ist laut dem ADAC vor allem, dass die Deutsche Bahn die Sicherheit ihrer Anlagen regelmäßig überprüft. Dabei gehe es einerseits darum, dass technische Einrichtungen wie zum Beispiel Warnlichter funktionieren - aber auch darum, dass weder Pflanzen noch Bebauung die Sicht behindern. Ein zusätzliches Problem könnten rote Blinklichter darstellen, die an alten Anlagen als Warnlichter zum Einsatz kommen. An neueren Anlagen würden gelb-rote Warnlichter verwendet. Der ADAC empfiehlt hier eine sukzessive Umrüstung. Denn laut Emmrich kann es sonst gerade bei jüngeren Autofahrern zu einer „fatalen Fehlinterpretation“ kommen.
Wann sind unbeschrankte Bahnübergänge in Deutschland überhaupt erlaubt?
Unbeschrankte Bahnübergänge sind nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung in Deutschland zulässig an eingleisigen Nebenstrecken, die mit Zug-Geschwindidkeiten von maximal 80 km/h befahren werden. Bei Geschwindigkeiten von maximal 160 km/h müssen Bahnübergänge technisch gesichert sein. Bei Strecken mit Geschwindigkeiten über 160 km/h sind Bahnübergänge grundsätzlich nicht erlaubt.
Das Eisenbahnkreuzungsgesetz (EBKrG) sieht bereits seit 1964 vor, neue Kreuzungen möglichst durch Brücken oder Tunnel zu ersetzen. In Einzelfällen gelten jedoch Ausnahmeregeln, insbesondere dann, wenn es sich um Übergänge mit schwachem Verkehrsaufkommen auf beiden Verkehrswegen handelt. Auch ältere Kreuzungen haben abgesichert zu sein, zum Beispiel durch technische Sicherungsanlagen wie Schranken oder Lichtsignale.
Experte rät Autofahrern zu Vorsicht an Bahnübergängen
Verursacher von den Unfällen an Bahnübergängen sind laut Emmrich in der Regel die Auto- und Radfahrer sowie Fußgänger - in über 95 Prozent der Fälle. Eine Sprecherin der Deutschen Bahn nennt als Hauptgründe für die Kollisionen: „Unaufmerksamkeit, Leichtsinn oder Unkenntnis“. ADAC-Experte Emmrich rät bei Bahnübergängen deshalb dringend:
- bremsbereit und langsam fahren, nicht überholen
- auf akustische Signale achten und das Radio leiser stellen
- am Andreaskreuz in Ruhe beide Seiten der Strecke überblicken
- geschlossene Schranken niemals umfahren oder darunter durchklettern
- bei geöffneten Schranken, aber noch leuchtenden Lichtsignalen: ebenfalls stehen bleiben
- im Notfall: 112 anrufen
Da sich die Anzahl an unbeschrankten Bahnübergängen in Bayern absehbar nicht deutlich reduzieren wird, gilt vor allem: aufmerksames und vorsichtiges Fahren.