Kandidat steht unter Druck - Wer könnte Joe Biden ersetzen? Fünf Gründe sprechen jetzt für Michelle Obama

First Lady reichte ihr nicht: Schon zwei Jahre nach dem Ende der Präsidentschaft ihres Mannes begann die Gattin die Vorbereitungen für ihre eigene Kandidatur für das Weiße Haus. „Ich bin im Rennen und ich will gewinnen“, gab sie als Losung aus. Keine vormalige First Lady vor ihr hat je diesen Schritt gewagt.

Die Rede ist von Hillary Clinton. Die Demokratin scheiterte 2016 beim Versuch, die Nach-Nach-Nachfolgerin von Präsident Bill Clinton zu werden. Donald Trump, der Sensationskandidat der Republikaner, zog an ihr vorbei und eroberte das Weiße Haus.

Bekommt Trump es jetzt erneut mit einer ehemaligen First Lady zu tun? Noch ist Präsident Joe Biden im Rennen und will ein zweites Mal Trump schlagen. Aber nach Bidens schwachem, längst vorhandene Zweifel an seiner mentalen Fitness verstärkenden Auftritt im TV-Duell am 27. Juni mit seinem Vorgänger und möglichen Nachfolger Trump ist in den Reihen der Demokraten die Debatte über einen Kandidatenwechsel nicht mehr zu stoppen.

Das Netz ist voll des Lobes für Michelle Obama

Lässt sich der 81-jährige Präsident noch austauschen? Im Gespräch sind der charismatische, aber aufgrund seiner links-woken Positionen kaum für die entscheidende Mitte vermittelbare kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom, mit 56 Jahren Vertreter einer anderen Generation. Auch Wisconsins Gouverneurin Gretchen Whitmer (52), ihr Amtskollege aus Kentucky, Andy Beshear (46), und Gouverneur J.B. Pritzker aus Illinois (59) würden als vergleichsweise junge Kandidaten gegen den 79-jährigen Trump antreten.

Doch ein Name wird besonders intensiv gehandelt: Michelle Obama, First Lady an der Seite von Trumps Vorgänger im Weißen Haus, Barack Obama, hat ausweislich einer aktuellen Umfrage als einzige Chancen, gegen Trump zu gewinnen. Demoskopen von Reuters/Ipsos befragten zwischen dem 1. und 2. Juli registrierte Wähler zu diesem Zweikampf. Ergebnis: 50 Prozent würden für Obama stimmen und nur 39 Prozent für Trump, berichtet „USA Today“.

Das Netz ist voll des lobes über sie. „Wir wissen genau, was jetzt zu tun ist“, schrieb ein Nutzer auf X, vormals Twitter. „Jemand muss First Lady Michelle Obama ganz vorn aufstellen.“ Ein anderer kommentiert ein Bild von ihr einfach nur mit den Worten: „Bitte! Jetzt!“

Die aktuelle und ehemalige First Lady können schlecht miteinander

„Yes, she can“? In der Vergangenheit hat sich die 60 Jahre alte Michelle Obama deutlich geäußert, dass sie keine Ambitionen habe, je in die Politik zu gehen. Wenn aber der Ruf aus der eigenen Partei zu laut werden sollte? Nicht nur einzelne Abgeordnete und andere Offizielle der Demokraten sind inzwischen unruhig. „Biden muss zurücktreten, damit ein energischer demokratischer Führer Trump schlagen und für unsere Sicherheit und unseren Wohlstand sorgen kann“, forderte jetzt auch der Netflix-Mitbegründer, Milliardär und Großspender für die Demokraten, Reed Hastings, in einem E-Mail-Austausch mit der „New York Times“.

Das Verhältnis von Michelle Obama zum aktuellen Präsidenten und First Lady Jill Biden gilt als schlecht. Darum hatte sie in den vergangenen Monaten auch keinerlei Unterstützung für Joe Bidens Wiederwahl-Kampagne gezeigt. Hintergrund der Entfremdung laut dem Online-Portal Axios: Michelle Obama hat sich verärgert darüber geäußert, wie die Familie Biden ihre enge Freundin Kathleen Buhle nach deren chaotischer Scheidung vom Präsidenten-Sohn Hunter Biden weitgehend verbannt hat. Zuerst musste sich Buhle mit dem Drogenkonsum und einer lange verheimlichten außerehelichen Affäre Hunters auseinandersetzen - und dann gaben Mitglieder der Familie Biden Buhle die Schuld dafür, dass einige der anzüglichen Details seines Verhaltens öffentlich wurden.

Hunter Biden wiederum, inzwischen im Zusammenhang mit seinem Drogenkonsum und falscher Angaben dazu beim Kauf einer Waffe verurteilt, strich Buhle nach der Scheidung kurzerhand von einem „Familien-Paket“ für mobile Telefonnummern, sodass sie von heute auf morgen für ihre Freunde und Bekannten nicht mehr erreichbar war. Dieses Verhalten ist Michelle Obama übel aufgestoßen.

Die Amerikaner lieben Dynastien

Umgekehrt war Joe Biden auf die Obamas schlecht zu sprechen, nachdem diese 2015 sein Bemühen um die Präsidentschaftskandidatur ignorierten und stattdessen dabei halfen, Hillary Clinton auf das Ticket der Demokraten zu bringen. Hillary verlor dann bekanntlich gegen Trump.

Daraus ergibt sich, neben dem klaren Votum der Umfrage, der zweite Grund, warum Michelle Obama doch noch antreten könnte: Zu viel Zartgefühl gegenüber Joe Biden ist bei ihr nicht zu erwarten.

Der dritte Grund: Die Amerikaner, die ihre demokratisch fundierten Vereinigten Staaten aus einer deutlichen Ablehnung von Monarchien und Aristokratien gründeten, lieben trotz allem Dynastien. Wenn es schon keine Königshäuser geben soll, dann aber doch bitte die Kennedys oder die Familie Bush, einst die Roosevelts oder die Adams mit den beiden Präsidenten John Adams und John Quincy Adams. Auch die Familie des Öl-Magnaten John D. Rockefeller hatte Gouverneure, Senatoren und Abgeordnete in ihren Reihen.

Viertens: Barack Obama und Donald Trump hassen einander. Trump hat lange Zeit die Verschwörungstheorie verbreitet, Obama sei gar nicht auf Hawaii, sondern in Afrika geboren, und darum hätte er gar nicht Präsident werden dürfen. Umgekehrt lästerte Obama, der unmittelbar zuvor zur Widerlegung derartiger Gerüchte sein offizielles Geburtszertifikat aus Hawaii vorgelegt hatte, über diese Behauptung in Anwesenheit Trumps 2011 beim Dinner der Weiße-Haus-Korrespondenten.

Michelle Obama kennt das weiße Haus

Tenor: Jetzt könne sich Trump ja wieder auf die wichtigen Dinge konzentrieren, etwa: „Haben wir die Mond-Landung gefälscht? Was passierte wirklich in Rosswell?", wo angeblich ein UFO abgestürzt ist? Der damalige republikanische Gouverneur von New Jersey, Chris Christie, war bei dem Dinner dabei und berichtete später: „So viel kann ich sagen: Ich habe nach dem Essen mit Donald gesprochen. Er war so wütend, wie ich ihn noch nie gesehen habe. Er war völlig außer sich vor Wut."

Wenn Michelle den entscheidenden Beitrag dazu leisten könnte, dass Trump zum zweiten Mal hintereinander eine Präsidentschaftswahl verliert und damit dauerhaft schlechter dastünde als ihr Mann, der zweimal hintereinander die Wahlen gewann, wären beide Obamas die Helden des demokratischen Lagers.

Und fünfter Punkt: Für Michelle Obama wäre das Präsidentenamt zwar eine neue Herausforderung. Aber sie kennt das Weiße Haus aus den acht langen Jahren darin. Zudem hätte sie mit ihrem agilen, erst 63-jährigen Ehemann (der dann zum „First Gentleman“ würde) einen erfahrenen, national wie international vernetzten Top-Berater an der Seite. Im Wahlkampf wäre sie damit gewissermaßen auf Augenhöhe mit Ex-Präsident Trump, der gern auf seine Regierungserfahrung verweist. Die würde Michelle Obama indirekt ebenfalls mitbringen.

Fällt die Entscheidung am Freitag in Bidens ABC-Interview?

Bislang sieht es allerdings nicht nach einem freiwilligen Rückzieher von Joe Biden aus. „Ich weiß, dass die letzten Tage hart waren", schrieb der Präsident am Mittwoch an seine Anhänger. „Ich bin sicher, dass Sie viele Fragen bekommen haben. Ich bin sicher, viele von Ihnen haben ebenfalls Fragen. Lassen Sie mich das so klar und einfach sagen, wie nur möglich: ich kandidiere. Ich bin der Kandidat der Demokratischen Partei. Niemand verdrängt mich."

Wirklich nicht? Am Freitag könnte die Entscheidung fallen. Da stellt sich Joe Biden erstmals nach dem Duell-Debakel einem Fernsehinterview. Wird er im Sender ABC zu überzeugen wissen? Wird er diesmal ausgeschlafen, schlagfertig und konzentriert wirken? Sollte er erneut patzen, würden die Aufforderungen an ihn, seine Bewerbung zu beenden, noch ungleich lauter werden. Und wenn er dann wirklich nachgibt? Michelle Obamas bisheriges „Nein“ zu einer Kandidatur muss nicht in Stein gemeißelt sein.