EU will bis 2040 beinahe klimaneutral sein: Signal „ohne Wert“ für die Industrie
Weniger Gas, Kohle und Öl: Die Klimaziele der EU-Kommission werden von deutschen Wirtschaftsverbänden gelobt. Mahnungen gibt es aber auch.
Brüssel – Bis 2050 soll Europa klimaneutral sein. Das neue Zwischenziel hat die EU-Kommission am Mittwoch präsentiert: Bis 2040 soll der CO₂-Emissionsausstoß um 90 Prozent gesenkt werden – im Vergleich zu 1990. Davor stand als Zwischenziel bereits fest, bis 2035 55 Prozent einzusparen.
Die Meinungen aus Ländern und von Vertretern der Politik sind gemischt. Wirtschaftsverbände reagieren auf das neue Papier mit Lob für die konsequente Haltung. Fordern dazu aber klare Richtlinien und Rahmenbedingungen. Manche sehen das Ziel, 90 Prozent der Emissionen in den kommenden 15 Jahren einzusparen, allerdings als unrealistisch.
Emissionshandel bei EU-Klimaziel nicht ausklammern: „Hier muss dringend nachjustiert werden.“
In einer Pressemitteilung des Verbandes der Chemischen Intustrie (VCI), wird Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup zitiert: „Es ist allerhöchste Eisenbahn, dass die EU-Kommission beim Klimaschutz pragmatischer wird. Die Möglichkeit, qualitativ hochwertige internationale Klimaschutzmaßnahmen auf das europäische Klimaziel anzurechnen, kann Kosten sparen und europäische Unternehmen wieder konkurrenzfähiger machen.“ Vorerst sei das Signal aus Brüssel für die Industrie aber „ein Muster ohne Wert“.
„Bei der anstehenden Emissionshandelssystem-Reform müssen die globalen Einsparungen von Treibhausgasen eingerechnet werden“, erklärt Große Entrup. „Das verschafft den Unternehmen Luft für die anstehenden immensen Transformationsanstrengungen in der EU, die nicht sofort wirksam umsetzbar sind. Werden internationale Minderungen eingerechnet, wird mehr und schnellerer globaler Klimaschutz fürs gleiche Geld möglich. Eine Win-win-Situation fürs Klima und die Unternehmen.“

Konsequenz wird gelobt, allerdings auch gemahnt, keine Mehr-Anforderungen an Deutschland zu stellen
Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), kommentiert den Gesetzvorschlag am Mittwochmittag ebenfalls öffentlich: „Das 90-Prozent-Ziel – inklusive Beitrag von Kohlenstoffsenken – steht im Einklang mit dem deutschen Ziel von 88 Prozent Emissionsminderung bis 2040 und schafft Planungssicherheit für Wirtschaft und Mitgliedstaaten. Allerdings darf am Ende nicht wieder ein höherer Beitrag Deutschlands stehen.“
Die vorgeschlagene Flexibilitätsoption, ab 2036 bis zu drei Prozentpunkte des Reduktionsziels über internationale Zertifikate aus Nicht-EU-Mitgliedstaaten zu kompensieren, müsse mit strengen Kriterien hinterlegt werden. „Greenwashing muss von Anfang an verhindert werden. Es braucht robuste, überprüfbare Standards und klare Regeln für die Durchführung und Anrechenbarkeit entsprechender Gutschriften.“ Eine Fokussierung beispielsweise auf CO₂-Entnahmetechnologien, sogenannte technische Senken, vereinfache sowohl die Berechnung als auch Kontrolle, heißt es vom BDEW.
„Wie die CO₂-Emissionen um 90 Prozent reduziert werden können, ist aktuell nicht erkennbar.“
Hildegard Müller, Präsidentin des Automobilindustrie-Verbands äußerte sich kritischer gegenüber den Zielen, auch wenn der VDA grundsätzlich dahinter stehe: „Dass Emissionsminderungen in Drittstaaten nach den Plänen der EU-Kommission künftig angerechnet werden können, ist zwar grundsätzlich zu begrüßen, vermag aber nicht darüber hinwegzutäuschen, dass das 2040-Ziel mit Blick auf die unzureichenden Rahmenbedingungen, die für seine Erreichung nötig sind, zu ambitioniert gesetzt ist.“
Der Fokus müsse im Verkehrssektor liegen, vor allem auf der europaweiten Tank- und H2-Ladeinfrastruktur. Der Beitrag, den grüne Moleküle wie Wasserstoff, biogene Gase und erneuerbare Kraftstoffe auf dem Weg zur Klimaneutralität leisten können, müsse zudem stärker berücksichtigt werden. Man brauche eine Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED), die über 2030 hinausgehe und einen technologieoffenen Rahmen bis 2050 setzt. „Nur mit einem international wettbewerbsfähigen Standort, lassen sich die Klimaziele in Verbindung mit Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätzen – und damit auch mit Akzeptanz der Menschen – erreichen“, so Müller.
Bis November muss ein Klima-Konzept für die EU stehen
Im November findet in Belém, Brazilien, die Klimakonferenz der UN statt. Bis zum September muss sich die EU zumindest auf die Ziele für 2035 geeinigt haben, bis dahin läuft die Abgabefrist. Einen ersten Abgabetermin hatte die EU versäumt.