Jetzt beschlossen - Das wichtigste Umweltgesetz seit Jahrzehnten, von dem niemand spricht
Während Umweltschützer, zahlreiche Wissenschaftler und Unternehmen das Gesetz befürworteten, gab es großen Widerstand vor allem von Christdemokraten und Bauernverbänden. Die Kritiker befürchten zu große Einschnitte für Landwirte und damit Auswirkungen auf die Lebensmittelproduktion in der EU. Um auf diese Bedenken einzugehen, war das Gesetz im Verhandlungsprozess deutlich abgeschwächt worden.
Entscheidende Stimme aus Österreich
Die endgültige Zustimmung der 27 EU-Länder zu dieser Einigung galt eigentlich als Formalie. Eine für März angesetzte Abstimmung unter den Umweltministern wurde jedoch abgesagt, weil die nötige Mehrheit nicht zustande kam, nachdem Ungarn seine Position geändert hatte. Das Gesetz war seitdem blockiert.
Die Verhältnisse im Rat der Mitgliedstaaten waren knapp: Neben Ungarn waren zuletzt Italien, die Niederlande und Schweden nach Diplomatenangaben gegen das Gesetz. Belgien, Polen, Finnland wollten sich enthalten, was sich wie eine Gegenstimme auswirkt. Für die nötige qualifizierte Mehrheit von mindestens 15 Mitgliedstaaten und mindestens 65 Prozent der Bevölkerung fehlte damit ein EU-Land - bis Österreich, das sich ursprünglich ebenfalls enthalten wollte, nun doch zustimmte.
In Österreich war die Bundesregierung und insbesondere die grüne Umweltministerin Gewessler für das Gesetz. Die Bundesländer blockierten jedoch mit ihrer einheitlichen Ablehnung die österreichische Zustimmung in Brüssel. Zuletzt hätten die Länder Wien und Kärnten aber Bewegung signalisiert, erklärte das Umweltministerium. Wien habe schließlich auch einen entsprechenden Beschluss gefasst.
„Damit gibt es jedenfalls keine einheitliche Position der Länder“, erklärte Gewessler. Sie habe sich noch einmal „intensiv“ mit Juristinnen und Juristen beraten und sei zu dem Schluss gekommen, dass sie auf EU-Ebene zustimmen könne. Noch am Sonntagabend hatte Österreichs ÖVP-Bundeskanzler Karl Nehammer versucht, das Votum seiner Umweltministerin zu verhindern, indem er sie in dieser Sache für nicht bevollmächtigt erklärte. Nehammer informierte am Sonntagabend den belgischen Ratsvorsitz, dass Gewessler nicht zustimmen dürfe. Ein Ja der Ministerin hätte eine Nichtigkeitsklage vor dem Europäischen Gerichtshof zur Folge, teilte das Bundeskanzleramt mit. Ob die österreichische Regierung jetzt wegen der Ja-Stimme der eigenen Ministerin Klage einreichen wird, ist noch offen.
Konservative Rebellen
Dem Gesetz aus dem Green Deal der EU war ein heftiger Streit vorausgegangen - unter anderem weil strenge Auflagen für Landwirte befürchtet wurden. Vor allem die Christdemokraten waren gegen das Vorhaben Sturm gelaufen und versuchten, es komplett auf Eis zu legen. Doch selbst die EVP-Fraktion im EU-Parlament war sich bei der Abstimmung uneins.
Für den europäischen Green Deal wäre es ein herber Schlag gewesen, wenn es keine Einigung auf das neue Naturschutzgesetz gegeben. Denn das Umwelt-Gesetz ist historisch, seit mehr als 20 Jahren hat es kein so großes Gesetz für den Schutz der Natur gegeben.
Wissenschaftler, Unternehmerinnen und Umweltschützer indes sehen das beschlossene EU-Renaturierungsgesetz als wichtigen Meilenstein. Der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Sascha Müller-Kraenner, erklärt: „Der Krimi um das Nature Restoration Law hat endlich ein gutes Ende gefunden. Dieses Gesetz ist ein zentraler Bestandteil des Green Deal und ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Natur- und Artenkrise. Damit zeigt die EU, dass es die international eingegangenen Verpflichtungen ernstnimmt. Das EU-Renaturierungsgesetz schützt und stärkt auch uns Menschen, die Wirtschaft und die Landwirtschaft in Europa.“
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Was genau dahinter steckt: Mit dem Gesetz müssen die EU-Mitgliedstaaten bis 2030 mindestens 20 Prozent der geschädigten Lebensräume an Land und im Wasser renaturieren, um die Ökosysteme wiederherzustellen. Bis 2040 sind es 60 Prozent und bis 2050 sogar 90 Prozent. Alte Wälder in der EU sollen erhalten werden, Flüsse wieder mehr Raum kriegen und Moore wiedervernässt werden. Auch das Artensterben von bestäubenden Insekten soll bis spätestens 2030 umgekehrt werden.
Mit dem Gesetz soll Rückgang der natürlichen Lebensräume in der EU gestoppt werden. Dafür wurden für jedes Ökosysteme - nicht nur landwirtschaftliche Flächen, Meere und Wälder, sondern auch Süßwasser- und städtische Ökosysteme, rechtsverbindliche Ziele und historische Bezugsjahre für die Wiederherstellung festgelegt. Jeder EU-Mitgliedstaat soll der EU-Kommission regelmäßig die nationalen Sanierungspläne vorlegen. Wie die Staaten die EU-Ziele genau umsetzen, obliegt den Ländern selbst.
Die EU zielt mit dem Umwelt-Gesetz darauf ab, mehr CO2 in den natürlichen Senken der Natur zu speichern und Extremwetter-Ereignisse abzumildern. Ein Clou, den die EVP in den Gesetzestext verhandelt hat: In Notsituationen kann die Renaturierung bei landwirtschaftlichen Ökosystemen aber ausgesetzt werden. Das wäre der Fall, wenn zum Beispiel die Ernährungssicherheit gefährdet wäre, weil nicht genug Anbauflächen zur Verfügung stehen.