Später in Rente! Handelsverband gibt drastische Lageeinschätzung – „wir müssen mehr arbeiten“
Deutschland bekommt ein neues Rentenpaket vorgesetzt. Ein Handelsverband plädiert für weitere Reformen und eine längere Lebensarbeitszeit.
Berlin – Die Ampel-Koalition hat mit dem Rentenpaket II ein Thema angepackt, von dem die früheren Regierungen in aller Regel lieber die Finger ließen. Denn es besteht durchaus die Gefahr, sich daran zu verbrennen. Für die Umsetzung – gerade den Plan mit der sogenannten Aktienrente – hagelte es auch schon heftige Kritik an Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), den führenden Köpfen hinter dem Projekt.
Rente in Deutschland: Großhandels-Präsident will längere Arbeitszeit
Alles andere als zufrieden mit dem Status Quo in Sachen Rente ist auch der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). Deren Präsident Dr. Dirk Jandura fordert in einer Mitteilung, das Rentenalter noch weiter anzuheben: „Wir brauchen mutige Lösungsansätze. Und wir müssen den Realitäten ins Auge schauen. Die Menschen dürfen nicht früher, sondern sollen eher später in Rente gehen.“
Aktuell liegt die Regelaltersgrenze ab dem Geburtsjahrgang 1964 bei 67 Jahren. Allerdings können Bürger unter Umständen schon nach 35 Versicherungsjahren in Rente gehen, wenn auch mit Abzügen. Besonders die „Rente mit 63“, die nach 45 Versicherungsjahren abschlagsfrei in den Ruhestand führt, wird immer beliebter, viele Boomer verabschieden sich vorzeitig vom Arbeitsmarkt.
Damit schlägt der demografische Wandel noch heftiger zu als ohnehin schon. Denn Deutschland setzt auf ein Rentensystem im Umlageverfahren. Die jüngeren Generationen finanzieren also die Bezüge der im Ruhestand befindlichen Senioren. Dabei nähert sich die Bundesrepublik immer mehr dem Zeitpunkt, an dem ein Beitragszahler für einen Rentner aufkommen muss.
Chef vom Großhandels-Verband gegen Rente mit 63: „Können wir uns nicht leisten“
Jandura hält es deshalb für „dringend notwendig, die Renten zukunftsfähig aufzustellen. Mit dem derzeitigen demografischen Wandel ist das eine Herkulesaufgabe.“ Immerhin lobt er die Aktienrente als „Schritt in die richtige Richtung, hin zu Generationengerechtigkeit“. Es müssten jedoch weitere „notwendige Strukturreformen“ umgesetzt werden.
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Die Renten würden schon heute mit 81 Milliarden Euro aus dem Bundeshaushalt bezuschusst werden, dazu steigt die Lebenserwartung. Für Jandura ist klar: „Deshalb darf es keine Anreize geben, die beitragspflichtige Beschäftigung zu verkürzen. Eine Frühverrentung – wie die abschlagsfreie Rente ab 63 – können wir uns nicht leisten.“
Längere Arbeitszeit in Deutschland? „Keine attraktive Forderung, aber die Realität“
Vielmehr gehe es darum, „Anreize für mehr Arbeit“ zu setzen: „Wir müssen mehr arbeiten, in der Woche, im Jahr, im Leben.“ Seit einiger Zeit wird vermehrt über eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit diskutiert, etwa auf 35 Stunden oder vier Tage. Unternehmensverbände und FDP kämpfen dagegen an.
Laut Jandura „wissen wir, dass wir um eine längere Arbeitszeit nicht herumkommen. Das ist keine attraktive Forderung und für viele politische Parteien ein ‚No-Go‘. Aber so ist die Realität.“ Der BGA-Chef kritisiert: „Der Staat schießt schon jetzt sehr viel Geld in die Rente, die Unternehmen haben schon jetzt sehr hohe Lohnnebenkosten, die sich als weiterer Faktor negativ auf unsere Wettbewerbsfähigkeit auswirken.“
Das klingt nach einem Teufelskreis. An dem sich auch Deutschland als Ganzes die Finger verbrennen kann. (mg)