„Der Sonnensturm war ideal für Polarlichter“ – Experte ordnet Polarlicht-Wochenende ein

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Vor dem vergangenen Wochenende waren über Deutschland zuletzt 2003 starke Polarlichter zu sehen. Ein Experte erklärt, warum das künftig öfter passieren könnte.

Frankfurt – Hinter Himmelsbeobachterinnen und Himmelsbeobachtern liegt ein denkwürdiges Wochenende: In der Nacht von Freitag (10. Mai) auf Samstag (11. Mai) waren am Himmel über Deutschland und auch noch viel weiter südlich in Europa Polarlichter zu sehen. Das Phänomen ist normalerweise nördlicheren Breitengraden vorbehalten – wenn in Deutschland Polarlicht am Himmel steht, ist es meist nur mit Kameras sichtbar, deren Empfindlichkeit dem bloßen Auge überlegen ist.

Doch in der Nacht vom 10. auf den 11. Mai war das anders. Der Astrophysiker Dr. Volker Bothmer erforscht am Institut für Astrophysik der Universität Göttingen die Sonne und erklärt das Phänomen gegenüber fr.de von IPPEN.MEDIA so: „In einer Sonnenfleckengruppe traten Mitte letzter Woche mehrere Sonnenstürme bzw. koronale Massenauswürfe (CMEs) auf. Die Region befand sich auf der Verbindungslinie Erde-Sonne. Auswirkungen dieser Stürme sind am Wochenende bei der Erde eingetroffen.“

„Die letzten so starken Polarlichter haben wir im Oktober 2023 gesehen“

Trifft das geladene Plasma der Sonne (der sogenannte Sonnenwind oder Sonnensturm) auf das Erdmagnetfeld, kommt es dort zu „magnetischen Kurzschlüssen“, wie der Experte erläutert. „Im Schweif der Erdmagnetosphäre wurden Elektronen beschleunigt, die die Polarlichter erzeugt haben.“ Das Aurora Borealis (Nordlichter) genannte Phänomen konnte ungewöhnlich weit im Süden beobachtet werden, weil der erhöhte Druck des Sonnenwinds auf das Erdmagnetfeld dazu führte, „dass die Polarlichtzonen in niedrigere beziehungsweise südlichere Breiten wandern. Deshalb konnten wir sie sehen“, so Bothmer.

Polarlicht über Deutschland ist kein ganz neues Phänomen. Das bunt tanzende Licht am Himmel hängt direkt mit der Sonnenaktivität zusammen. Da die Sonne sich derzeit dem Maximum ihres 11-jährigen Aktivitätszyklus nähert, ist sie besonders aktiv und schleudert häufiger Sonnenplasma ins Weltall. Ist dieser Auswurf auf die Erde gerichtet, kann Polarlicht entstehen. „Die letzten so starken Polarlichter haben wir im Oktober 2003 gesehen. Aber da waren die Stürme noch deutlich stärker“, erinnert sich Bothmer.

Sonnen-Experte: Polarlichter über Deutschland künftig öfter zu sehen

Der Sonnenforscher geht davon aus, dass man künftig öfter Polarlichter über Deutschland sehen kann, da das Sonnenmaximum erst begonnen hat. Bothmer kann auch erklären, wie die unterschiedlichen Farben des Polarlichts zustande kommen: „Durch die Anregung von Sauerstoff- und Stickstoffatomen in Höhen zwischen 100 und 1000 Kilometern.“ Je nachdem, welches Atom in welcher Höhe angeregt wird, entstehen die unterschiedlichen Farben – Rot stammt beispielsweise von Sauerstoffatomen in einer Höhe von etwa 200 Kilometern.

Polarlicht am 11. Mai 2024 über der britischen Insel Lindisfarne.
Polarlicht am 11. Mai 2024 über der britischen Insel Lindisfarne. © IMAGO/JFN/ZJOG

Starke Sonnenstürme können die Infrastruktur auf der Erde bedrohen

Trifft ein starker Sonnensturm die Erde, kann das auch Schäden beispielsweise an der irdischen Infrastruktur verursachen. Das ist am vergangenen Wochenende jedoch offenbar nicht passiert. „Der Sonnensturm war ideal für Polarlichter, aber hat keine extremen Parameter erreicht wie im Oktober 2003“, sagt Bothmer. „Die Sonnenstürme waren bei der Sonne langsamer und weniger energetisch.“ Mit dem Sonnensturm zu kämpfen hatten dagegen die „Starlink“-Satelliten von SpaceX, die für Internet auf der Erde sorgen und dafür relativ niedrig im Erdorbit unterwegs sind.

Heftiger Sonnensturm könnte die Erde treffen – unter bestimmten Bedingungen

Könnte also in Zukunft ein heftiger Sonnensturm – wie das „Carrington-Ereignis“ im Jahr 1859 – die Erde treffen und für große Schäden an Stromnetzen oder der Internet-Infrastruktur sorgen? Bothmer sieht die Angelegenheit wissenschaftlich: „Dies ist möglich, setzt aber bestimmte Bedingungen voraus, zum Beispiel auch die Jahreszeit Frühjahr oder Herbst, da dann die Erdmagnetfeldachse senkrecht zum anströmenden Sonnenwind orientiert ist.“ (tab)

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