EU-Strafzölle und Chinas Vergeltung: Droht jetzt ein Handelskrieg?
EU und China wollen im Streit um E-Auto-Zölle miteinander verhandeln. Viele Firmen sind ohnehin gegen Strafzölle. Und Peking bereitet schon Gegenmaßnahmen vor.
Es bleiben nur noch wenige Tage, bis am 4. Juli die EU-Zusatzzölle gegen Importe chinesischer Elektroautos in Kraft treten. Doch nun wollen beide Seiten in letzter Minute doch noch verhandeln. Darauf einigten sich am Wochenende der chinesische Handelsminister Wang Wentao und EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis in einer Videoschalte. Ein Sprecher der EU-Kommission bezeichnete das Gespräch beider Parteien als „offen und konstruktiv“. Die EU habe aber betont, dass ein Verhandlungsergebnis in jedem Fall wirksam gegen schädliche Subventionierungen sein müsse. In den kommenden Wochen werde auf allen Ebenen weiter gesprochen. Auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) drängte bei seinem Besuch in Peking auf Verhandlungen.
Es ist ein Teilerfolg, denn das Ziel ist es aus Sicht der Wirtschaft nicht, immer mehr Zölle zu erheben – sondern ein faires Marktumfeld zu schaffen. „Zwangsmaßnahmen sind für die Exportnation Deutschland das Letzte, was wir uns wünschen können“, betonte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, am Montag (24. Juni) im Deutschlandfunk. Er begrüßte die Gespräche als gutes Zeichen.
Auch viele in China aktive Firmen wollen die Zölle am liebsten kippen, in jedem Fall bevor sie nach einer Übergangsphase im November endgültig in Kraft treten sollen. „Da wir den chinesischen Markt offen halten müssen, wollen wir auch den europäischen Markt offen halten“, sagte Maximilian Butek, Geschäftsführer der Deutschen Handelskammer (AHK) in Ostchina. Experten bezweifeln aber, dass sich das EU-Verfahren schnell stoppen lässt.
EU-Strafzölle: Chinas Vergeltung gilt als sicher
Brüssel war bei einer längeren Untersuchung zu dem Schluss gekommen, dass chinesische E-Autobauer unfaire Subventionen erhalten – in unterschiedlicher Höhe. Daher wird der Zusatzzoll für Chinas Elektroauto-Marktführer BYD „nur“ bei 17 Prozent liegen, für Autos des Staatskonzerns SAIC – der in Europa unter anderem E-Modelle der aufgekauften britischen Marke MG verkauft – bei gut 38 Prozent. Dies zusätzlich zu einem Einfuhrzoll von zehn Prozent, den die EU schon jetzt erhebt. Auch China erhebt auf Pkw-Importe 25 Prozent Einfuhrzoll.
Treten die Zölle in Kraft, dann sind Vergeltungsmaßnahmen Chinas gewiss. Die Regierung zeigte sich „schockiert“ über die aus ihrer Sicht zu akribische Untersuchung der EU, die bei den Autobauern Informationen angefordert habe etwa zur Beschaffung von Batterierohstoffen, Komponentenherstellung, Preisgestaltung und Vertriebskanäle. Peking kündigte bereits Gegenwehr an, zunächst in Form einer Anti-Dumping-Untersuchung für Schweinefleisch-Importe aus der EU.
China und EU: Droht ein Handelskrieg?
In früheren Handelskonflikten hatte Peking stets Waren ins Visier genommen, die es auch anderswo beschaffen könnte oder die nicht lebensnotwendig sind – für deren Exporteure China aber ein bedeutsamer Markt ist. Sprich: Der Schaden für die chinesischen Verbraucher wäre gering, der Schaden für Hersteller aber hoch. Auch sollten Handelsbeschränkungen stets so aussehen, als verhänge Peking sie wegen Verstößen gegen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO. So war es zum Beispiel bei Sanktionen gegen australischen Wein, Holz und Gerste, die Peking vor ein paar Jahren infolge einer politischen Auseinandersetzung verhängte.
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Strafzölle auf EU-Schweinefleisch würden derzeit vor allem Spanien treffen, für das China der zweitgrößte Markt ist. Spanien ist vor Dänemark und den Niederlanden der größte Exporteur der EU, vor allem von Schweineteilen, die in Europa verschmäht werden: Hälse, Ohren und Füße. Auch hatte sich Spanien ebenso wie Frankreich für die E-Auto-Strafzölle ausgesprochen. Gegen französischen Brandy läuft schon seit Januar eine Anti-Dumping-Ermittlung Pekings.
Deutschlands Wirtschaft gegen Sonderzölle für E-Auto-Importe aus China
Vor allem aus Deutschland kamen Stimmen gegen die Sonderzölle. Trotzdem brachten chinesische Berichte auch Zölle ins Spiel, die gerade deutsche Autobauer treffen würden: Eine Abgabe gegen Autos mit besonders großem Hubraum ab 2,5 Liter. Die PS-starken Luxusmodelle produzieren BMW, Audi & Co nicht in China, sondern exportieren sie von Deutschland aus. Möglicherweise dienen solche Berichte zur zusätzlichen Mobilisierung deutscher Firmen und Politiker gegen die Zölle.
Staatsmedien haben auch Milchprodukte als mögliche Ziele für Strafzölle erwähnt; davon wären neben Deutschland auch Frankreich, Dänemark und die Niederlande betroffen. China könnte problemlos Einfuhren aus Neuseeland erhöhen.
Habeck sieht Raum für einen Kompromiss mit China
Habeck sah in China durchaus Chancen auf Kompromisse. Es handele sich bei den EU-Zöllen ja nicht um Strafen, sondern um Zölle zum Ausgleich unfairer Wettbewerbsvorteile. Weder Subventionen an sich, noch Chinas Überkapazitäten seien der Vorwurf, betonte der Minister. Das Problem entstehe erst, wenn staatliche Fördergelder flössen, um gezielt Exportchancen zu erhöhen.
Das sieht Brüssel derzeit bei E-Autos als gegeben. Bewegung kann es daher nur geben, wenn China bei den Subventionen kompromissbereit ist. Noch ist also offen, ob sich ein Handelskrieg abwenden lässt. In jedem Fall müssten im November mindestens 55 Prozent der EU-Mitgliedstaaten, die zusammen 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, für ein Ende der Zölle stimmen. China wird daher nicht nur mit Brüssel reden – sondern auch gezielt versuchen, einzelne EU-Länder zu überzeugen, gegen die Zölle zu stimmen.