Fratzscher fordert Reform des Streikrechts: Künftig „schnellere Einigung“ bei Arbeitskämpfen

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Die Deutsche Bahn und die GDL haben ihren langen Tarifstreit beigelegt und wird als „Erfolg“ gefeiert. Ist der Kompromiss die optimale Lösung?

Berlin – Fahrgäste können endlich aufatmen: Die Streiks bei der Deutschen Bahn haben nun ein Ende. Im monatelangen Tarifstreit haben die Deutsche Bahn und die GDL eine Einigung erzielt. Die Deutsche Bahn kommt der Gewerkschaft bei der Kernforderung nach einer 35-Stunden-Woche entgegen.

Aus Sicht von Marcel Fratzscher ein längst überfälliger Schritt. „Es war höchste Zeit, dass die Gewerkschaft GDL und die Deutsche Bahn nun den Tarifstreit beigelegt haben“, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zu Ippen.Media.

Tarifstreit hat ein Ende: GDL und Deutsche Bahn einigen sich auf 35-Stunden-Woche

„Der erzielte Kompromiss ist klug, weil er mehr Flexibilität für die Beschäftigten bei der Wahl ihrer Arbeitszeit schafft“, lobte der DIW-Chef. „Die erhöhte Flexibilität führt zu mehr Zufriedenheit, weniger Krankheitstagen und damit zu einer höheren Produktivität, wovon alle Seiten profitieren.“ Die verzögerte Reduzierung der Arbeitszeit auf 35 Stunden bis zum Jahr 2029 sei zudem gut, weil sie der Deutschen Bahn Zeit kaufe, neue Fachkräfte zu finden und auszubilden.

Im Tarifstreit zwischen Deutsche Bahn und GDL wurde endlich eine Einigung erzielt. © Political-Moments/imago/Carsten Koall/dpa (montage)

„Politik und Tarifparteien sollten aus diesem Arbeitskampf wichtige Lehren ziehen und in Zukunft das Streikrecht so anpassen, dass es eine schnellere Einigung gibt und der wirtschaftliche Schaden begrenzt bleibt. Die nun gefundene Lösung hätte auch schon vor sechs oder zwölf Monaten erzielt werden können“, sagte Fratzscher.

Keine Streiks mehr nach Einigung zwischen GDL und Deutsche Bahn

GDL-Chef Claus Weselsky hat die Tarifeinigung mit der Bahn als Erfolg „fast auf der ganzen Linie“ bezeichnet. „Ich beginne mit dem Hinweis, dass die 35-Stunden-Woche auch bei der Deutschen Bahn AG schrittweise Stück für Stück normativ in den Tarifverträgen eingeführt wird und dass das Entgelt nicht abgesenkt wird“, sagte Weselsky am Dienstag (26. März 2024).

In den letzten Wochen drohte der Tarifstreit zwischen der Deutschen Bahn und der GDL zu eskalieren. Bei einer erneuten Verhandlungsphase konnten sich beide Seiten nach mehr als vier Monaten Tarifkonflikt auf einen Kompromiss einigen. Sie verständigten sich nun auf ein Wahlmodell, mit dem Beschäftigte bis 2029 stufenweise ihre Arbeitszeit von derzeit 38 auf bis zu 35 Wochenstunden reduzieren können, bei gleichbleibenden Löhnen und Gehältern.

GDL und Deutsche Bahn finden Kompromiss: DIW-Chef lobt Entscheidung

Beschäftigte können aber auch bei der bestehenden Arbeitszeit bleiben oder auf bis zu 40 Stunden erhöhen. Pro nicht reduzierter beziehungsweise erhöhter Stunde erhalten sie dann 2,7 Prozent mehr Geld. Die Entgelte werden zudem in zwei Schritten um 420 Euro pro Monat erhöht. 

Fratzscher zufolge unterstützt die Lohnerhöhung vor allem Beschäftigte mit geringeren Löhnen, was die Ungleichheit der Löhne und Einkommen etwas reduzieren dürfte und somit vor allem Beschäftigte mit geringeren Löhnen gegen die hohe Inflation der vergangenen Jahre schützt.

Streik bei Deutschen Bahn steht beispielhaft für Kampf für Vier-Tage-Woche

Der Tarifstreit bei der Bahn steht beispielhaft für den Kampf für die Vier-Tage-Woche. Laut dem MDR haben 45 deutsche Unternehmen im Februar 2024 angefangen, eine Vier-Tage-Woche zu testen. Doch hätte so ein Modell in Deutschland Potenzial? Fratzscher sagte dazu: „Eine Vier-Tage-Woche kann für manche Unternehmen gut funktionieren, sollte jedoch nicht als verbindliches Modell für alle Unternehmen festgelegt werden. Die Lehren der vergangenen Jahre zeigen, dass mehr Flexibilität und nicht mehr Konformität die beste Lösung ist, um Produktivität, Zufriedenheit und Leistungsfähigkeit zu erhöhen.“

In Großbritannien zogen mehrere Unternehmen bereits positive Bilanz nach einem Vier-Tage-Woche-Projekt. 56 von 61 Arbeitgeber teilten mit, dass sie die Vier-Tage-Woche beibehalten wollen. Die Krankheitstage gingen demnach während des Testzeitraums um rund zwei Drittel (65 Prozent) zurück und die Zahl der Angestellten, die in dieser Zeit das Unternehmen verließen, fiel um mehr als die Hälfte (57 Prozent). Die Ergebnisse beruhen allerdings auf der Auswertung von Unternehmen, die sich freiwillig zur Teilnahme gemeldet hatten. (bohy mit dpa)

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