Bauernprotest in Berlin: Warum die Bauern mit ihrer Wut jetzt recht haben
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Die Aktionswoche der Bauern endet mit einer Großdemo in Berlin. Längst geht es nicht mehr nur um Agrardiesel – der Frust der Landwirte ist auch berechtigt.
Berlin – Die Landwirte in Deutschland haben eine Woche lang landesweit ihren Unmut kundgetan. Auslöser der Demonstrationen waren die geplanten Kürzungen der Subventionen durch die Ampel-Koalition, insbesondere die Abschaffung der Agrardiesel-Subvention. Doch die Unzufriedenheit in der Landwirtschaft hat tiefere Wurzeln und die jüngsten Maßnahmen haben nur das Fass zum Überlaufen gebracht. Doch was sind die tatsächlichen Sorgen und Probleme der Landwirte? Sind ihre finanziellen Nöte wirklich so groß, wie sie behaupten? Hier bieten wir einen Einblick in die realen Herausforderungen in der Landwirtschaft.
Landwirte machen mehr Gewinn - aber nicht alle Bauern profitieren
Der Deutsche Bauernverband hat im Hinblick auf die geplante Abschaffung von Steuervorteilen erneut vor negativen Auswirkungen für die Landwirtschaft gewarnt. Dies könnte zu einer „deutlichen Verschärfung des Strukturwandels“ führen, so eine Stellungnahme des Verbandes zu einer Anhörung im Finanzausschuss des Bundestages am Montag (15. Januar). Besonders die Hofnachfolge im Zuge des Generationswechsels könnte gefährdet sein, da die Planungssicherheit hinsichtlich der Einkommenssituation der Landwirte weiter erheblich abnimmt, warnt der Verband. Laut Bundesregierung würde der Wegfall der Steuervorteile durchschnittlich Mehrkosten von etwa 3000 Euro pro Jahr und Betrieb bedeuten.
Im vergangenen Jahr konnten die Landwirte jedoch Rekordgewinne verzeichnen. Im Durchschnitt erzielte ein landwirtschaftlicher Betrieb im Jahr 2022/23 beachtliche 115.000 Euro. Das ist ein beachtlicher Betrag und vor allem ein Anstieg von 45 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Diese Zahl darf jedoch nicht pauschal betrachtet werden. Denn obwohl viele Landwirte von den gestiegenen Preisen für Getreide aufgrund des Ukraine-Krieges profitiert haben, gehörten andere Landwirte genau deswegen zu den Verlierern, da ihre Futtermittelkosten gestiegen sind. Andere Betriebe mussten die stark gestiegenen Preise für Düngemittel tragen. Daher ist klar: Nicht alle Landwirte sind gleich, das wird aus den reinen Zahlen nicht deutlich.
Lebensmittelpreise bleiben zu niedrig: Supermärkte haben die Oberhand
In einem Interview mit Zeit Online weist der Agrarwissenschaftler Friedhelm Taube auf ein weiteres Problem der Landwirte hin: „Das eigentliche Problem vor allem für Betriebe mit hohem Pachtanteil ist aber, dass die Landpreise extrem gestiegen sind“. Die Pachtpreise sind teilweise um 100 Prozent gestiegen, seit 2010 sogar um das Dreifache.
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Daher sollten in der Debatte eigentlich Landbesitzer und Pächter gegenüberstehen, denn daran lässt sich wirklich erkennen, wer gerade gut oder schlecht dasteht. Denn wer Land besitzt, konnte sich in den letzten Jahren laut Taube auch ein zweites Standbein mit Biogasanlagen und/oder Photovoltaik aufbauen. Pächter hingegen müssen immer höhere Kosten für Futter und Personal sowie gestiegene Landpreise bewältigen.
Ein weiteres Problem der Landwirte sind die niedrigen Lebensmittelpreise. Obwohl sie die Produzenten sind, haben die Landwirte oft keine Kontrolle über die spätere Preisgestaltung. Dies führt zu großem Frust und einem Gefühl von mangelnder Wertschätzung für ihre Arbeit.
Dies ist laut Bund Naturschutz der Grund für die Sorgen der deutschen Bauern um ihre Zukunft. „Die geplanten Streichungen der Agrardieselsubventionen sind nicht das eigentliche Problem. Das System Landwirtschaft krankt vor allem an unfairen Preisen und der schlechten Marktstellung der Bauern gegenüber den Handelskonzernen“, sagte der Vorsitzende des Bund Naturschutz Bayern, Richard Mergner, der Deutschen Presse-Agentur in München.
„Die Probleme sind hausgemacht und daran hat speziell die CSU einen erheblichen Anteil“, unterstrich Mergner. Die CSU hatte 39 Jahre lang das Bundeslandwirtschaftsministerium inne, zuletzt von 2005 bis 2018. „Das dramatische Bauernhofsterben wurde weder in Bayern noch bundesweit gestoppt. Es ist unanständig, wenn sich nun ausgerechnet die CSU an die Spitze der Bauernproteste stellt.“

Andere Organisationen teilen diese Ansicht. Chris Methmann, Geschäftsführer von Foodwatch, äußerte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur: „Die Landwirtschaft in Deutschland steckt seit Jahrzehnten in der Krise und ist so nicht zukunftsfähig“. Obwohl der Zorn der Landwirte nachvollziehbar sei, bemängelte Methmann: „Allerdings befeuern sowohl die Ampel mit ihren willkürlichen Kürzungen als auch der Bauernverband mit seiner aufwiegelnden Rhetorik einen absoluten Nebenschauplatz“.
Der Foodwatch-Chef betonte: „Billig-Agrarexporte für den Weltmarkt und eine nachhaltige Landwirtschaft mit fairen Preisen für die Landwirtinnen und Landwirte gehen nicht zusammen“. Anstatt für den Erhalt veralteter Subventionen zu kämpfen, sollte die Landwirtschaft sich für eine Transformation hin zu einem System engagieren, das umweltfreundliche Betriebe belohnt und Arbeitsplätze in ländlichen Gebieten schafft.
Verbraucher fordern mehr Tierwohl, sind jedoch nicht bereit, dafür zu zahlen
Trotz der kontinuierlich niedrigen Lebensmittelpreise, werden die Standards immer höher. Hierbei tragen auch die Verbraucher eine Mitschuld. Eine EU-weite Umfrage von Eurobarometer im letzten Jahr zeigte, dass 84 Prozent der Befragten mehr Tierwohl in der Landwirtschaft befürworten. Ähnliche Ergebnisse zeigen sich auch in anderen Umfragen. In der Praxis greifen Verbraucher jedoch weiterhin zum billigsten Fleisch. Die Interessengemeinschaft Deutscher Schweinehalter bringt es auf den Punkt: „Welcher Bürger sagt schon nein, wenn er nach mehr Tierschutz und Tierwohl gefragt wird. Aber, dann muss er auch bereit sein, die Mehrkosten beim Einkauf mit zu tragen.“.
Trotzdem streben Supermarktketten danach, mehr Tierwohl in ihren Regalen zu präsentieren. Selbst Discounter haben angekündigt, ab 2024 keine Milch mehr aus niedrigeren Haltungsstufen zu verkaufen. Der Handel passt sich also an, scheint jedoch die Landwirte nicht ausreichend einzubeziehen. Denn um bessere Haltungsbedingungen für ihre Tiere zu ermöglichen, müssen Landwirte in Vorleistung treten und neue Ställe bauen, neue Auslaufmöglichkeiten schaffen, oft verbunden mit insgesamt weniger Tieren. Wie bereits erwähnt, ob sie diese Investitionen später wieder einnehmen können, hängt von den vom Handel festgelegten Preisen ab, über die Landwirte wenig Kontrolle haben.
Daher wird nun auch eine Tierwohlabgabe in Betracht gezogen. Verbraucher und Supermärkte müssten dann finanziell an der Umgestaltung der Landwirtschaft beteiligt werden. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) plädierte in der Süddeutschen Zeitung für eine rasche Einführung einer Tierwohlabgabe. „Schon wenige Cent mehr pro Kilo Fleisch würden bedeuten, dass unsere Landwirte Tiere, Klima und Natur besser schützen können - so, wie es doch alle verlangen“, so der Minister. „Wer es wirklich ernst meint mit einer zukunftsfesten Landwirtschaft, muss da endlich springen.“.
Eine Kommission unter dem Vorsitz des ehemaligen Landwirtschaftsministers Jochen Borchert hatte Anfang 2020 Empfehlungen für eine solche Abgabe vorgelegt. Demnach würde für jedes Kilo Fleisch, Milch oder Eier eine Abgabe erhoben. Die Einnahmen würden Landwirten zugutekommen, die ihre Ställe zum Wohl der Tiere umbauen. Özdemir fügte hinzu: „Wir müssen das Rad nicht neu erfinden, vielmehr müssen wir es jetzt endlich mal einbauen“. Er bezeichnete dies als „Tierwohl-Cent“.