„Er ist besessen von seinen Raketen“: Putin schlägt Westen „Hightech-Duell“ über Kiew vor
Mit einer rhetorisch scharfen Sequenz und einem „Angebot“ löst Wladimir Putin Befremden aus. Das sei durchaus typisch, sagt ein Experte IPPEN.MEDIA.
In großen Teilen seiner Mammut-Jahrespresskonferenz präsentierte sich Wladimir Putin als „guter Zar“, als Kümmerer um die Anliegen seiner Untertanen. Noch in der ersten Stunde des TV-Events aber verstieg sich der Kremlchef zu einem wahnwitzig anmutenden „Angebot“ an den Westen. Die – mutmaßlich kalkulierte – Steilvorlage gab eine Frage nach den Qualitäten der jüngst erstmals eingesetzten „Oreschnik“-Mittelstreckenraketen.
Die „Oreschnik“ schienen eine „perfekte Waffe“ zu sein, lobpries eine russische Journalistin. Aber ob sie nicht beim Start besonders leicht abgefangen werden könnten? Putin sezierte die geografische Lage von Nato-Waffen – und offerierte „ein Hightech-Duell des 20. Jahrhunderts“. Etwa „in Kiew“. Soll heißen: Russland versucht, die Hauptstadt der Ukraine zu verheeren, die Nato soll versuchen, das zu verhindern. „Wir sind bereit, so ein Experiment durchzuführen“, sagte Putin, es wäre doch für beide Seiten „sinnvoll“. Verteidigungsexperte Nico Lange ist von der Sequenz nicht überrascht, er ordnet sie als rhetorischen Schlag ins Leere ein.
Krude „Oreschnik“-Äußerung in Putins Jahrespressekonferenz: „Er ist besessen von seinen Raketen“
„Putin ist besessen von seinen Raketen. Das kennen wir schon. Das gilt schon seit Jahren, wenn nicht sogar Jahrzehnten. In all diesen Reden redet er darüber, wie viele tolle neue Raketen Russland wieder hat“, urteilt der Fellow der Münchner Sicherheitskonferenz im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.

Es handle sich um eine Erweiterung der bereits durch den ersten „Oreschnik“-Abschuss erfolgten Drohung – und um „Putins Art der psychologischen Kriegsführung“. „Ich habe aber nicht den Eindruck, dass das in der Ukraine oder im Westen irgendwen beeindruckt“, fügte Lange hinzu.
Putin preist in Mammut-Event Russlands Militär: „Widersprüchlich“
Putin lobte auch an anderer Stelle die Schlagkräftigkeit des russischen Militärs. Es habe „die höchste Gefechtsbereitschaft in der Welt“, behauptete er. Lange attestierte dem Kremlchef generell widersprüchliche Signale bei dem TV-Event. „Er erreicht ganz erkennbar seine Ziele nicht militärisch. Aber er spricht darüber, wie toll die Streitkräfte sind“, sagte er. Gleiches gelte für Äußerungen zur wirtschaftlichen Lage Russlands. Putin habe indirekt eingestanden, dass die Lage schlecht sei, lobe aber die neue Souveränität des Landes.
Bemerkenswert bedeckt hielt sich Putin bei einer Bürgerfrage aus der Region Kursk. Wann Kursk endlich zurückerobert sei, wollte eine Frau wissen. Die Ukraine hatte Teile der Region im Sommer eingenommen – als Faustpfand für Verhandlungen. Putins Antwort: „Ich kann jetzt nicht sagen, wann genau es so weit sein wird, dass Kursk befreit ist. Aber wir werden da hinkommen“. Trotz Berichten über Geländegewinne – wohl auch dank des Einsatzes nordkoreanischer Soldaten – also explizit kein zeitlich überprüfbares Versprechen.
„Das ist bemerkenswert, weil er zuvor einmal Oktober genannt hatte und dann Ende des Jahres“, sagte Lange. „Dahinter, dass er jetzt nichts sagt, verbirgt sich im Grunde in Eingeständnis: Nämlich, dass er es nicht schafft bis Ende des Jahres.“ (fn)