Die Erzählung der anderen

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Gespräch über eine denkwürdige Reise: Pfarrer Eckart Bruchner sowie die Regisseure Stefanie Landgraf und Johannes Gulde im Breitwandkino. © cc

Der Dokumentarfilm „Liebe Grüße aus Nahost“ zeigt, wie komplex Krieg ist.

Gauting - „Liebe Grüße aus Nahost“: Unter diesem Titel zeigten die beiden Regisseure Stefanie Landgraf und Johannes Gulde vor wenigen Tagen beim Gautinger Filmgespräch im örtlichen Breitwandkino die sehenswerte Dokumentation aus dem Jahr 2012. Bei einer Reise ins heutige Kriegsgebiet des Nahen Ostens waren 13 Jugendliche von den drei Würmtal-Gymnasien und Studenten von der Filmhochschule München mit dabei, erzählte Pfarrer Eckart Bruchner. Was sie dabei erlebten, hat nichts von seiner Aktualität verloren, im Gegenteil.

„Eine Gruppe junger Deutscher fährt in den Nahen Osten, den sie aus den Medien nur als Region der Kriege, Terrorakte und Flüchtlingsschicksale kennt“, sagte Regisseur Johannes Gulde bei der Einführung zum Inhalt des Films. Vorbereitet hatten sich die 16- bis 22-Jährigen mit dem Buch „Das historische Narrativ des Anderen kennenlernen“, geschrieben von dem israelischen Psychologen Dan Bar On und dem palästinensischen Pädagogen Sami Adwam. Darin werden die israelische und palästinensische Geschichte, die mit der israelischen Staatsgründung 1948 beginnt, aus den gegensätzlichen Perspektiven der beiden Konfliktparteien beschrieben. Für die jungen Deutschen war die Reise in den Nahen Osten daher eine in zwei Wirklichkeiten – die zu ihrem Erstaunen von beiden Seiten völlig unterschiedlich erzählt werden.

Begleitet wurde die Jugendgruppe von Lotty, einer Israelin, deren Eltern Überlebende des Holocaust sind. Aber auch von Ali, einem Palästinenser, der als „Kämpfer gegen die Besatzer“ jahrelang in israelischen Gefängnissen saß. Mit dabei war damals auch der HipHop-Künstler ENZ, der seine widersprüchlichen Reise-Eindrücke in der Doku gekonnt mit „rhythm and rhymes“ wiedergibt.

Auf ihrem Weg durch Israel und das besetzte Westjordanland begegneten die deutschen Jugendlichen vor zwölf Jahren auf beiden Seiten Menschen, die Wege der Verständigung mit dem „Feind“ suchen. Zum Beispiel in einem palästinensischen Bauer, der sich ausschließlich mit juristischen Mitteln der Gewalt jüdischer Siedler widersetzt. Der orthodoxe Jude Yehouda Shaoul von „Breaking the Silence“ führte die Jugendgruppe aus Deutschland wiederum ins militärische Sperrgebiet südlich von Hebron und erklärte: „Israel ist nicht willkommen in dieser Region, und wir müssen uns verteidigen können. Wer aber gibt uns das Recht, anderen Menschen ihre Freiheit zu rauben?“

Das Thema löste auch eine Diskussion unter den Besuchern aus.  „Warum wurden die Palästinenser 1948 einfach vertrieben? Warum setzte die UNO damals nicht alle an einen Tisch?“, fragte im anschließenden Filmgespräch eine Frau. Der Gautinger Pfarrer Eckart Bruchner erwiderte, dass es schon seit 1900 Bestrebungen der Juden gegeben habe, wieder in ihre Heimat zurückzukehren. Doch nach dem Holocaust kam „ein neuer Impuls“. Aber leider gebe es bis zum heutigen Tag für die Kriege in Nahost keine Lösung.

Christine Cless-Wesle

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