Kein Bürgergeld für Ukrainer? SPD weist Söder-Vorstoß zurück – Union ist gespalten

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Das Bürgergeld soll reformiert werden. Markus Söder hat mit einem Vorschlag zum Umgang mit ukrainischen Geflüchteten eine hitzige Debatte entfacht.

Berlin – Einen „Herbst, der sich gewaschen hat“, stellte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann mit Blick auf Sozialreformen in Aussicht. Neben der Rente nimmt sich die schwarz-rote Regierung auch das Bürgergeld vor. Wie eine Reform konkret aussehen soll, das ist noch offen. Einen Vorschlag brachte nun CSU-Chef Markus Söder auf den Tisch: In Deutschland lebenden Ukrainern solle das Bürgergeld gestrichen werden.

Söder will Bürgergeld-Stopp für Ukrainer – SPD weist Vorstoß zurück

Widerstand gegen Söders Bürgergeld-Vorstoß kam zunächst aus Teilen der Union. Auch die SPD stellt sich jetzt dagegen: Die Einsparungen würden überschätzt und die Bürokratie wäre enorm, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.

„Offenbar erhoffen sich einige in der Debatte durch die rückwirkende Bürgergeld-Streichung für Menschen aus der Ukraine große Einsparungen im Staatshaushalt“, erklärte der SPD-Politiker. „Da wird aber vernachlässigt, dass damit zusätzlich ein erheblicher Verwaltungsaufwand insbesondere für die Kommunen entstünde, der die Einsparungen faktisch wieder aufhebt. Das wäre einzig und allein das Prinzip ‚rechte Tasche, linke Tasche‘.“

Bürgergeld-Reform: Söder prescht vor – Union bei Leistungen für Ukrainer uneins

Söder hatte im ZDF-Sommerinterview am Sonntag (3. August) gefordert, dass ukrainische Geflüchtete in Deutschland grundsätzlich kein Bürgergeld erhalten sollten. Stattdessen sollten Ukrainer in Deutschland die geringeren Asylbewerberleistungen erhalten. Im Koalitionsvertrag ist ein solcher „Rechtskreiswechsel“ vom Bürgergeld zum Asylbewerberleistungsrecht nur für jene Ukrainerinnen und Ukrainer vorgesehen, die seit 1. April 2025 in die Bundesrepublik gekommen sind. Dadurch wird mit Einsparungen von etwas unter einer Milliarde Euro beim Bürgergeld gerechnet.

Bürgergeld: Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Dirk Wiese, weist den Vorschlag von CSU-Chef Markus Söder zurück. (Symbolbild) © IMAGO / dts Nachrichtenagentur, IMAGO / Political-Moments

Mit seinem Vorstoß ging der CSU-Chef über die Vereinbarungen im Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD also hinaus. Während der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels CDA, Dennis Radtke, scharfe Kritik an Söder richtete, zeigte sich Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) offen für den Vorschlag. Allerdings sieht auch Frei, dass man den Koalitionsvertrag nur einvernehmlich ändern könnte: Darüber werde man mit der SPD sprechen müssen.

„Tatsächlich hat Markus Söder recht, wenn er sagt, dass wir hier Leistungen ausbringen, wie es kein anderes Land der Erde tut“, erklärte der Kanzleramtschef gegenüber RTL/ntv. Das habe auch zu einer schlechteren Integration in den Arbeitsmarkt als in anderen Ländern geführt, so Frei. So arbeite in Deutschland nur jeder dritte erwerbsfähige Ukrainer. 

Bürgergeld für ukrainische Geflüchtete: Experten widersprechen Argument von CDU und CSU

Dies hatte auch Söder als Argument angeführt. Experten sehen das hingegen anders. Im europäischen Vergleich bewege sich Deutschland im Mittelfeld, erklärte etwa Arbeitsmarktforscher Enzo Weber im Februar gegenüber dpa. Bei der Integration von Menschen aus der Ukraine sieht der Wirtschaftswissenschaftler am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung deutliche Fortschritte: „Seit Anfang 2024 geht es deutlich stärker bergauf, die Beschäftigung von Ukrainerinnen und Ukrainern steigt derzeit um rund 7.000 pro Monat.“

Die Beschäftigungsquote von Menschen aus der Ukraine lag im Mai 2025 bei 34,9 Prozent und steigt kontinuierlich. Als Hürden für die Integration von Ukrainerinnen und Ukrainern in den Arbeitsmarkt sehen Experten vielmehr die Anerkennung ausländischer Abschlüsse, Sprachkenntnisse sowie die Tatsache, dass viele Frauen in minderjährigen Kindern aus der Ukraine nach Deutschland kommen.

Bürgergeld-Debatte: Grünen-Politiker wirft Union vor, Bedürftige gegeneinander auszuspielen

Hintergrund der aktuellen Debatte sind die Bürgergeldzahlen für das Jahr 2024. In einer Antwort des Sozialministeriums auf eine Anfrage der AfD heißt es, dass der Staat rund 46,9 Milliarden Euro an Hilfen gezahlt hat und damit rund vier Milliarden Euro mehr als 2023. Unter den Beziehern sind mehrere Hunderttausend Ukrainerinnen und Ukrainer und deren Kinder, die seit 2022 vor dem russischen Angriffskrieg geflüchtet sind. An sie flossen 2024 laut Ministerium rund 6,3 Milliarden Euro. 

Union und Regierung scheinen bei Söders Spar-Vorstoß uneins: Dass der Vorschlag bei der bevorstehenden Bürgergeld-Reform fruchtet, scheint fraglich. Teils heftige Kritik erntet der CSU-Chef jedoch nicht nur aus Teilen der eigenen Partei – auch in der Opposition kommt der Vorschlag nicht gut an. Der Grünen-Abgeordnete Till Steffen etwa schreibt auf der Online-Plattform X: „Das alte Spiel der christlich ‚sozialen‘ Union.“ CDU und CSU wirft er vor, „Bedürftige gegeneinander“ auszuspielen. (pav/dpa)

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